IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***1***, ***2***, und ***3***, ***4***, über die Beschwerde vom 30. September 2022 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 24. Juni 2022 betreffend Zurückweisung des Antrages auf Verzinsung eines Vorsteuerguthabens vom 15. Juli 2021 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Antrag vom 15.7.2021
Mit Anbringen vom 15.7.2021 stellte die Beschwerdeführerin einen "Antrag auf Verzinsung des Vorsteuerguthabens gemäß § 205a BAO analog" und führte dazu aus:
" … stellen wir einen A N T R A G auf Verzinsung des im Anschluss an die Außenprüfung gutgeschriebenen Umsatzsteuerguthabens der ***5*** und ersuchen in diesem Zusammenhang eine angemessene Verzinsung auf das Vorsteuerguthaben in Höhe von EUR 5.646,64 dem Finanzamtskonto der ***5*** gutzuschreiben.
[...]
2. Zurückweisungsbescheid 24.6.2022
Mit Bescheid vom 24.6.2022 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück.
3. Beschwerde vom 30.9.2022
Mit Fristverlängerungsansuchen vom 22.7.2022 beantragte die Beschwerdeführerin eine Erstreckung der Beschwerdefrist bis 30.9.2022.
Mit Schreiben vom 30.9.2022 bekämpfte die Beschwerdeführerin den Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde vom 24.6.2022.
4. Beschwerdevorentscheidung 10.4.2025
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.4.2025 wies die belangte Behörde die Beschwerde vom 30.9.2022 als unbegründet ab.
5. Vorlageantrag vom 9.5.2025
Mit Eingabe vom 9.5.2025 beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage ihrer Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.
6. Vorlagebericht vom 10.6.2025
Mit Schreiben vom 10.6.2025 legte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde vor.
Im Rahmen der Vorlage übermittelte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht
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II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Mit Anbringen vom 15.7.2021 stellte die Beschwerdeführerin einen "Antrag auf Verzinsung des Vorsteuerguthabens gemäß § 205a BAO analog" betreffend die Voranmeldungszeiträume 9/2020, 10/2020 und 12/2020 unter Bezugnahme auf EuGH 12.5.2021, C-844/19, CS und technoRent International GmbH, woraus sie einen unionsrechtlichen Anspruch auf Verzugszinsen bzw. Umsatzsteuerzinsen ableitete.
Mit Bescheid vom 24.6.2022 wies die belangte Behörde diesen Antrag als unzulässig zurück.
2. Beweiswürdigung
Der festgelegte Sachverhalt ergibt eindeutig aus den aktenkundigen Unterlagen und ist im Übrigen auch nicht strittig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Mit Anbringen vom 15.7.2021 stellte die Beschwerdeführerin einen "Antrag auf Verzinsung des Vorsteuerguthabens gemäß § 205a BAO analog" betreffend die Voranmeldungszeiträume 9/2020, 10/2020 und 12/2020 unter Bezugnahme auf EuGH 12.5.2021, C-844/19, CS und technoRent International GmbH, woraus sie einen unionsrechtlichen Anspruch auf Verzugszinsen bzw. Umsatzsteuerzinsen ableitete.
In seinem Erkenntnis vom 30.06.2021, Ro 2017/15/0035, der Folgeentscheidung zu EuGH 12.5.2021, C-844/19, CS und technoRent International GmbH, hat der VwGH ausgeführt:
"Es zeigt sich somit, dass die BAO zwar keine allgemeine Verzinsung von Abgabenschulden kennt, sehr wohl aber mehrere Zinstatbestände enthält, die dem Verwaltungsgerichtshof - solange der nationale Gesetzgeber keine entsprechende Regelung getroffen hat - in Verfahren beantragter Zinsen von Umsatzsteuer-Ansprüchen eine Rechtsanalogie zur Auflösung des derzeit bestehenden Normenkonflikts zwischen nationalem Recht und (nicht unmittelbar anwendbarem) Unionsrecht erlaubt. In entsprechender Anwendung des diesen Bestimmungen zu Grunde liegenden Regelungsprinzips besteht der vom Revisionswerber geltend gemachte Zinsenanspruch zu Recht."
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung eine analoge Anwendung der Zinstatbestände der BAO (§ 205 BAO, § 205a BAO und § 212a BAO) auf verspätet erfolgte Umsatzsteuergutschriften für Zeiträume vor Geltung des § 205c BAO ausdrücklich für zulässig erklärt, sodass eine inhaltliche Absprache über einen entsprechenden Antrag hätte erfolgen müssen (vgl. BFG 2.1.2024, RV/6100449/2022; ebenso BFG 30.4.2024, RV/7103678/2022).In den beiden zitierten Entscheidungen erfolgte eine Aufhebung des Zurückweisungsbescheids.
In BFG 6.12.2023, RV/5100613/2022, wird diesbezüglich zu einem vergleichbaren Fall ausgeführt, eine Uminterpretation des Spruches des angefochtenen Bescheides in eine Abweisung ginge über die Sachentscheidungskompetenz des Gerichts hinaus (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 279 Tz 11 mit Hinweis auf VwGH 29.5.2006, 2005/17/0242) und komme somit nicht in Betracht. Mit der Zurückweisung "des Antrages auf Festsetzung von Verzugszinsen hat die belangte Behörde eine Sachentscheidung verweigert, zumal eine Zurückweisung nur dann zu erfolgen hat, wenn ein Anbringen aus formalen Gründen (zB Fehlen der Antragslegitimation, Verspätung etc.) unzulässig ist".
Im Ergebnis sei daher mit Aufhebung des angefochtenen Bescheides vorzugehen, "da ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu Unrecht erlassen wurde und sich die belangte Behörde materiell-rechtlich mit dem geltend gemachten Zinsenanspruch hätte auseinandersetzen müssen".
Dieser Betrachtungsweise ist auch für den gegenständlichen Fall zuzustimmen, da nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechtes Anbringen nur zurückzuweisen sind, wenn zu ihrer Einbringung die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen, somit die allgemeinen Prozessvoraussetzungen für ein Tätigwerden der Behörde in der Sache, also dem Gegenstand, der dem Parteienschritt zugrunde liegt, nicht erfüllt sind (BFG 20.01.2025, RV/2100799/2024 mHa Stoll, BAO-Kommentar, 2677).
Die dem BFG gemäß § 279 BAO zukommende Änderungsbefugnis ist durch die "Sache" begrenzt. Wobei "Sache" die Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (zB VwGH 22.10.2015, Ra 2015/16/0069).
Im Fall der Zurückweisung eines Anbringens ist "Sache" und folglich Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die Frage, ob dem Antragsteller von der Abgabenbehörde zu Recht eine Sachentscheidung verweigert wurde (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0242).
Im gegenständlichen Verfahren ist "Sache" somit die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin.
Da im Beschwerdefall aus den dargelegten Gründen zu Unrecht ein verfahrensrechtlicher Bescheid erging, war der Zurückweisungsbescheid vom Bundesfinanzgericht aufzuheben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Revision ist unzulässig, da der Verwaltungsgerichtshof im seinem Erkenntnis vom 30.6.2021, Ro 2017/15/0035 bereits grundsätzlich den Anspruch auf Umsatzsteuerzinsen vor Einführung des § 205c BAO als unionsrechtlich gegeben erachtete und somit das Erfordernis einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Antragsbegehren geboten war. Der Umfang der Abänderungsbefugnis des Gerichts ist bereits durch die zitierte Rechtsprechung geklärt. Es liegt somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (siehe auch BFG 6.12.2023, RV/5100613/2022).
Wien, am 30. Juni 2025