IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***5***, vertreten durch ***6*** über die Beschwerde vom 22. August 2024 gegen den Bescheid des ***FA*** vom 31. Juli 2024 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang/Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer (Bf) hat im Inland einen Wohnsitz in ***3***. Er ist Dienstnehmer der ***4*** ***7***. Im Jahr 2023 war der Bf für seinen Dienstgeber nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland tätig. Die Einkünfte aus dem deutschen Dienstverhältnis wurden als Progressionseinkünfte erklärt.
2. Der Bf verfügt über einen weiteren Wohnsitz in Deutschland in ***1***, wo sich sein Familienwohnsitz und sein Mittelpunkt der Lebensinteressen befinden. In ***2*** ist die Gattin des Bf berufstätig und gehen seine Kinder zur Schule.
3. Im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung 2023) vom 31.07.2024 erfolgte die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes nach § 33 Abs. 10 EStG 1988.
4. Gegen den genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, gemäß § 33 Abs. 10 sowie Abs. 11 EStG sei die Berechnung der Einkommensteuer zu korrigieren, weil die Absetzbeträge noch abzuziehen seien. Dies würde ansonsten zu einer Schlechterstellung von EU Bürgern führen, die in Österreich tätig seien.
5. In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom 21.01.2025 wurde ausgeführt, nach der Rechtsprechung des VwGH komme der Progressionsvorbehalt nicht aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens, sondern aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht des nationalen Einkommensteuerrechtes zur Anwendung. Die Berechnung unter Berücksichtigung der Absetzbeträge erfolge daher nach § 33 Abs. 10 EStG 1988.
6. Im rechtzeitig gestellten Vorlageantrag vom 25.02.2025 wurde noch vorgebracht, die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes nach § 33 Abs. 10 und 11 im Jahr 2023 und die Nichtberücksichtigung von Absetzbeträgen und des Familienbonus Plus verstoße gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit und den Gleichheitsgrundsatz. Diese Bedenken seien auch in der Regierungsvorlage zur Änderung des Abgabenänderungsgesetzes 2024 angeführt.
II. Rechtslage und Erwägungen:
1. § 33 Abs. 10 und Abs. 11 EStG 1988 lauten in der im Beschwerdejahr geltenden Fassung wie folgt:
"Ein im Rahmen einer Veranlagung bei der Berechnung der Steuer anzuwendender Durchschnittssteuersatz ist vorbehaltlich des Abs. 11 nach Berücksichtigung der Abzüge gemäß Abs. 3a bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) zu ermitteln. Diese Abzüge sind nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes nicht nochmals abzuziehen (Abs.10).
Ist bei der Berechnung der Steuer ein Progressionsvorbehalt aus der Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens zu berücksichtigen, gilt für die Steuerberechung Folgendes: Der Durchschnittssteuersatz ist zunächst ohne Berücksichtigung der Abzüge gemäß Abs. 3a bis 6 zu ermitteln. Von der unter Anwendung dieses Durchschnittssteuersatzes ermittelten Steuer sind die Abzüge gemäß Abs. 3a bis 6 (ausgenommen Kinderabsetzbeträge nach Abs. 3) abzuziehen (Abs.11)."
2. Unzutreffend sind die Ausführungen im Vorlageantrag, wonach die Novellierung des § 33 Abs. 10 und 11 EStG 1988 durch das Abgabenänderungsgesetz 2024 aufgrund unionsrechtlicher Bedenken erfolgt sei. In der Regierungsvorlage wurde festgehalten, die Novellierung sei aus Vereinfachungsgründen erfolgt. Wörtlich wurde ausgeführt: "Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung sollen daher ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2024 Abs. 10 und Abs. 11 zu einer einheitlichen Regelung im Abs. 11 zusammengeführt werden, (wonach wie im bisherigen Abs.11) der Durchschnittssteuersatz aus der Tarifsteuer ohne Absetzbeträge zu ermitteln ist. Die Absetzbeträge sind erst nach Anwendung des Durchschnittssteuersatzes auf das Einkommen abzuziehen und wirken sich in voller Höhe aus." (vgl. EB zu RV 270 der Beilagen XXIII.GP).
3. Zutreffend ist lediglich, dass in der Regierungsvorlage zum Abgabenänderungsgesetz 2024 darauf hingewiesen wurde, dass aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Bedenken und der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahren im AbgSiG 2007 § 33 Abs. 11 eingefügt worden ist. Dass die Regelung des § 33 Abs. 10 EStG 1988 mit dem Unionsrecht nicht vereinbar ist, wurde aber nicht in einem EuGH-Verfahren geklärt. Auslöser dieser Änderung dürfte wohl das durch die Europäische Kommission - auf Grundlage der Entscheidung des EuGH in der Rs. De Groot (EuGH vom 12.12.2002, C-385/00) - eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich gewesen sein (vgl. Tumpel in SWK 2008, T1). Zur Unionsrechtskonformität der Bestimmung des § 33 Abs. 10 EStG 1988 wurden in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten. Das Bundesfinanzgericht schließt sich der von Loukota vertretenen Rechtsansicht an, dass kein Anlass bestand, die angeführte Bestimmung aus unionsrechtlichen Gründen abzuändern oder nicht mehr anzuwenden. Das zitierte EuGH-Urteil befasst sich ausschließlich mit der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach DBA-Recht und verlangt, dass bei ihrer Festsetzung die nicht Einkünfte bezogenen Aufwendungen und Freibeträge ungekürzt zum Abzug zugelassen werden müssen. § 33 Abs. 10 EStG ist hingegen eine Tarifvorschrift, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt (vgl. Loukota, SWI 2003, 488). Eine Vergleichbarkeit des Beschwerdefalls mit dem Fall De Groot ist nicht gegeben
4. Darüber hinaus ergibt sich die Anwendung des Progressionsvorbehaltes (stets) aus dem innerstaatlichen Recht und basiert auf dem Vorliegen der unbeschränkten Steuerpflicht (VwGH 07.9.2022, Ra 2021/13/0067, VwGH 21.10.1960, 0162/60 und VwGH 29.7.2010, 2010/15/0021). Eine Diskriminierung aufgrund der Staatsbürgerschaft ist sohin nicht gegeben. Den diesbezüglichen Ausführungen der Abgabenbehörde im Vorlagebericht vom 17.06.2025 hat der Bf nichts entgegengesetzt. Gleiches gilt für die vom Finanzamt zitierte EuGH- und VwGH Rechtsprechung.
5. Der Bf vermochte mit seinen unsubstantiierten Ausführungen eine Unionsrechtswidrigkeit der Besteuerung nach § 33 Abs. 10 EStG 1988 nicht aufzuzeigen; die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
III. Zulässigkeit einer Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, weil sich die Rechtsfolgen aus dem Gesetz und der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergeben.
Innsbruck, am 8. September 2025