JudikaturBFG

RV/3100497/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
20. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom 30. September 2024 gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 13. September 2024 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2023, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Der Beschwerde wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung vom 5. November 2024 teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer 2023 mit 4.237,00 Euro festgesetzt wird.

Die Bemessungsgrundlagen sind der Beschwerdevorentscheidung vom 5. November 2024 zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Parteienvorbringen

Anfang September 2024 reichte der Beschwerdeführer (Bf.) über FinanzOnline seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2023 unter Beilage eines Auslandslohnzettels ein. Darin erklärte er:

KennzahlBezeichnungBetrag
350 (Lohnzettel)Bruttobezüge47.753,20 €
394 (Lohnzettel)Nachtarbeitszuschläge10.638,20 €
351 (Lohnzettel)Sonstige Bezüge1.715,00 €
357 (Lohnzettel)Sozialversicherungsbeiträge für laufenden Arbeitslohn7.819,10 €
347 (Lohnzettel)Sozialversicherungsbeiträge für sonstige Bezüge358,21 €
718 (Formular L1)Pendlerpauschale1.426,00
916 (Formular L1)Pendlereuro144,00
730 (Formular L1)Krankheitskosten468,00
735 (Formular L1)Andere außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt840,00 €
359 (Beilage L1i)Einkünfte ohne Lohnausweis47.753,20
154 (Beilage L1i)Werbungskosten ohne Anrechnung auf WK- Pauschale460,00
544 (Beilage L1i)Werbungskosten mit Anrechnung auf WK-Pauschale286,00

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.9.2024 setzte die belangte Behörde gegenüber dem Bf. die Einkommensteuer für das Jahr 2023 mit 4.915,00 € fest. Darin berücksichtigte die belangte Behörde das Pendlerpauschale, den Pendlereuro sowie die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen (die sich aufgrund des höheren Selbstbehaltes jedoch betragsmäßig nicht auswirkten). Die in der Beilage L1i geltend gemachten Werbungskosten wurden nicht berücksichtigt. Die Kennzahl 394 des Auslandslohnzettels (Formular L17) wurde von der belangten Behörde auf 4.320,00 € gekürzt. Dem Bescheid ist zu den Abweichungen gegenüber der Erklärung keine Begründung zu entnehmen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. über FinanzOnline am 30.9.2024 rechtzeitig Beschwerde. Darin führte er begründend aus, die Steuer sei falsch berechnet worden, da die Sonntags- und Nachtzuschläge nicht korrekt abgezogen worden und die sonstigen Bezüge falsch besteuert worden seien. Außerdem sei seine Diätverpflegung wegen Diabetes nicht berücksichtigt worden. Diesbezüglich brachte der Bf. am 19.9.2024 bei der Abgabenbehörde eine Beilage L1ab ein, in welcher er den pauschalen Freibetrag für Diätverpflegung wegen Zuckerkrankheit beantragte. Am 1.10.2024 brachte der Bf. über FinanzOnline ergänzend vor, statt 4.320,00 € betrage sein Steuerfreibetrag 6.480,00 €, da er ausschließlich in der Nacht arbeite.

Mit Vorhalt vom 4.10.2024 ersuchte die belangte Behörde den Bf. um Vorlage von Arbeitsaufzeichnungen, Gehaltsabrechnungen sowie einer Bestätigung des Sozialministeriumsservice hinsichtlich der Diätverpflegung. Mit Eingabe vom 7.10.2024 tätigte der Bf. weitere Ausführungen zu seiner Arbeit, legte jedoch keine Unterlagen vor. Mit weiterer Eingabe vom 28.10.2024 legte er eine Bestätigung seiner Arbeitgeberin über die Art seiner Tätigkeit vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 5.11.2024 gab die belangte Behörde der Beschwerde teilweise Folge und setzte die Einkommensteuer für 2023 mit 4.237,00 € fest. Dabei brachte sie nunmehr den vom Bf. beantragten Steuerfreibetrag 6.480,00 € für Nachtarbeit in Abzug, verwehrte ihm allerdings den Abzug des pauschalen Freibetrages für Diätverpflegung, da dieser nur bei Vorlage eines Behindertenausweises des Sozialministeriumsservice anerkannt werden könne.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige, als Vorlageantrag zu wertende Eingabe des Bf. vom 5.12.2024, in welcher er zusammengefasst vorbringt, der Steuerberater habe bei der Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung (Formular L17) alles richtig gemacht. Da er in Deutschland arbeite und krankenversichert sei, liege ihm kein Behindertenausweis des österreichischen Sozialministeriumsservice vor. Zur Diätverpflegung verwies er auf ein Schreiben seiner deutschen Krankenkasse, welches er dem Vorlageantrag allerdings nicht beilegte.

Mit Vorhalt vom 10.1.2025 ersuchte die belangte Behörde den Bf. um Konkretisierung seines Begehrens, einen Nachweis zum Pendlerpauschale, Nachweise zu den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen, eine ärztliche Bestätigung oder Verordnung im Zusammenhang mit der Zuckerdiät, Vorlage eines deutschen Behindertenpasses oder einer anderen Bestätigung für die Zuckerkrankheit, Vorlage der monatlichen Lohnabrechnungen für das Jahr 2023 sowie der deutschen Lohnsteuerbescheinigung für dieses Jahr.

Mit Eingabe vom 26.2.2025 beantwortete der Bf. diesen Vorhalt teilweise. Hinsichtlich der Diätverpflegung legte er ein Schreiben seiner deutschen Krankenkasse vom 29.10.2024 vor, aus welchem hervorgeht, dass er sich (wohl erst kurz zuvor) für ein strukturiertes Behandlungsprogramm für Diabetes mellitus entschieden hat.

Mit weiterem Vorhalt vom 11.3.2025 forderte die belangte Behörde den Bf. unter anderem auf, geeignetere Nachweise (eine ärztliche oder amtliche Bescheinigung) für die Zuckerkrankheit zu erbringen. Dieser Vorhalt wurde vom Bf. nicht beantwortet.

Am 13.8.2025 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Darin führte sie zusammengefasst aus, es seien keine ausreichenden Nachweise für die Notwendigkeit einer Diätverpflegung vorgelegt worden und dieses Mehrbegehren sei daher abzuweisen; der Beschwerde sei insgesamt entsprechend der Beschwerdevorentscheidung teilweise stattzugeben.

2. Sachverhalt

Der Bf. ist deutscher Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz und Lebensmittelpunkt im grenznahen ***Österreich***. Im Jahr 2023 war er ganzjährig - ausschließlich nachts - unselbständig als "Night Auditor" im ***Hotel*** im grenznahen ***Deutschland*** tätig.

Der Bf. verfügt nicht über einen österreichischen Behindertenpass gemäß §§ 40 ff Bundesbehindertengesetz oder eine andere amtliche Bescheinigung über den Grad der Behinderung im Sinne des § 35 Abs. 2 EStG 1988. Die Notwendigkeit einer Diätverpflegung für Zuckerkrankheit im Jahr 2023 konnte nicht festgestellt werden.

3. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt zu Staatsangehörigkeit, Wohnsitz und Arbeit des Bf. ergibt sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Unterlagen und war zudem zu keinem Zeitpunkt strittig. Dass er über keinen österreichischen Behindertenpass verfügt, hat er im Vorlageantrag selbst eingeräumt.

Da der Bf. trotz mehrfacher Aufforderung durch die belangte Behörde auch keine anderen Nachweise zum Grad seiner Behinderung vorgelegt hat, war festzustellen, dass der Bf. über keine Bescheinigung des Grades der Behinderung verfügt. Da er - ebenfalls trotz mehrfacher Aufforderung durch die Behörde - keinerlei Nachweise für die Notwendigkeit einer Diätverpflegung für Zuckerkrankheit im Jahr 2023 vorgelegt hat, konnte er diese weder nachweisen noch glaubhaft machen. Das Schreiben der deutschen Krankenkasse vom 29.10.2024 ist schon allein aufgrund des Bezugszeitraums nicht geeignet, um die Notwendigkeit einer Diätverpflegung im Jahr 2023 glaubhaft zu machen.

Eine nochmalige Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen durch das Gericht konnte unterbleiben, zumal der Bf. im gegenständlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit hatte, um die von der belangten Behörde wiederholt geforderten Nachweise vorzulegen.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Da der Bf. im Jahr 2023 ganzjährig ausschließlich Nachtarbeit leistete, steht ihm gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 iVm § 68 Abs. 6 EStG 1988 ein Freibetrag in Höhe von 6.480,00 € (540 € x 12) zu. In diesem Punkt war der Beschwerde daher entsprechend der Beschwerdevorentscheidung stattzugeben.

Die von der belangten Behörde nicht anerkannten Werbungskosten (aus der Beilage L1i) waren im Beschwerdeverfahren nicht strittig, zumal der Beschwerdeführer dazu keinerlei Vorbringen erstattete.

Gemäß § 2 Abs. 1 Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (VO agB) sind Mehraufwendungen für Diätverpflegung wegen Zuckerkrankheit ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten in Höhe von 70,00 € pro Monat zu berücksichtigen.

Außergewöhnliche Belastungen im Zusammenhang mit Behinderungen sind gemäß § 34 Abs. 6 EStG 1988 unter gewissen Voraussetzungen ohne Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen. Die Pauschalbeträge für Diätverpflegung sind gemäß § 2 Abs. 2 VO agB dann ohne Abzug des Selbstbehaltes zu berücksichtigen, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 25 % beträgt.

Die Tatsache der Behinderung sowie das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit sind gemäß § 35 Abs. 2 EStG 1988 zwingend durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle (insbesondere das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen/Sozialministeriumsservice) nachzuweisen. Eine solche Beweisregel erschiene bei Sachverhalten wie dem gegenständlich vorliegenden unionsrechtswidrig, wenn der Bf. rechtlich oder faktisch keine Möglichkeit hätte, eine solche Bescheinigung zu erlangen. Allerdings zeigt er dies mit seinem Vorbringen, wonach er über keine Bescheinigung des österreichischen Sozialministeriumsservice verfüge, weil er in Deutschland arbeite und auch dort versichert sei, nicht auf. Das Verfahren gemäß §§ 40 ff Bundesbehindertengesetz steht nämlich jedem offen, der in Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat - und somit zweifelsfrei auch dem Bf.; er ist folglich gegenüber österreichischen Staatsbürgern oder Personen mit Arbeitsstätte im Inland nicht schlechter gestellt, weshalb eine unionsrechtswidrige Diskriminierung in diesem Zusammenhang ausgeschlossen werden kann.

Mangels Erbringung eines gesetzmäßigen Nachweises einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 % kann der Bf. den Pauschalbetrag für Diätverpflegung gemäß § 2 Abs. 2 VO agB allenfalls als außergewöhnliche Belastung nach Abzug des Selbstbehaltes geltend machen.

Der Bf. hat diesbezüglich jedoch nicht nachgewiesen, dass eine solche Diätverpflegung im Jahr 2023 überhaupt notwendig gewesen ist. Schon aus diesem Grund ist ihm der Abzug des Pauschalbetrages für Diätverpflegung auch als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt zu verwehren. Im Übrigen hätte auch die Gewährung des Pauschalbetrages als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt keinerlei Auswirkungen auf das Einkommen oder die Höhe der Einkommensteuer, da die geltend gemachten Beträge erheblich unter dem Selbstbehalt des Bf. in Höhe von 3.153,77 € liegen.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die in diesem Erkenntnis behandelten Rechtsfragen stellen aufgrund der Klarheit der anzuwendenden Rechtsvorschriften keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung dar, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am 20. August 2025