Vertrag zwischen Österreich und Deutschland über den Binnenschiffsverkehr
Vorwort
Art. 1 Artikel 1
Im Sinne dieses Vertrages sind
a) „deutsche Schiffe“: die im Geltungsbereich dieses Vertrages in einem deutschen Binnenschiffsregister amtlich eingetragenen Binnenschiffe, mit denen Personen- oder Güterverkehr ohne eine besondere Fahrterlaubnis betrieben werden kann;
b) „österreichische Schiffe“: die im Geltungsbereich dieses Vertrages in einem österreichischen Binnenschiffsregister amtlich eingetragenen Binnenschiffe, die unter den Voraussetzungen des Binnenschiffahrts-Konzessionsgesetzes in seiner jeweiligen Fassung im Eigentum von österreichischen Staatsbürgern, von Personengesellschaften oder juristischen Personen stehen und mit denen Personen- oder Güterverkehr betrieben wird;
c) „zuständige Behörden“: für die Republik Österreich der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr und für die Bundesrepublik Deutschland der Bundesminister für Verkehr, soweit die jeweilige innerstaatliche Rechtsordnung nichts anderes vorsieht;
d) „Häfen“: die Häfen, Lade- und Löschstellen sowie Anlegestellen der Personenschiffahrt.
Art. 2 Artikel 2
Im Geltungsbereich dieses Vertrages dürfen österreichische Schiffe die deutschen Binnenwasserstraßen und deutsche Schiffe die österreichischen Wasserstraßen im Zusammenhang mit Beförderungen nach Maßgabe der Artikel 3 bis 7 befahren.
Art. 3 Artikel 3
(1) Unbeschadet bestehender multilateraler Vereinbarungen dürfen österreichische und deutsche Schiffe Personen und Güter durch den anderen Vertragsstaat auf jenen Streckenabschnitten der in Artikel 2 genannten Wasserstraßen befördern (Transitverkehr), die von den Vertragsstaaten vereinbart werden. Der Gemischte Ausschuß kann hierzu Vorschläge unterbreiten. Die Bundesrepublik Deutschland kann für das Befahren ihrer Wasserstraßen im Transitverkehr nach Beratung im Gemischten Ausschuß Höchstzahlen der Fahrten festsetzen.
(2) Auf Antrag eines Vertragsstaates wird auf der Grundlage eines Vorschlages des Gemischten Ausschusses für bestimmte Transitverkehre eine quotenmäßige Beteiligung der Schiffahrten beider Seiten vereinbart.
Art. 4 Artikel 4
(1) Deutsche Schiffe dürfen Personen und Güter zwischen einem deutschen Hafen im Geltungsbereich dieses Vertrages und einem österreichischen Hafen sowie umgekehrt befördern (Wechselverkehr).
(2) Österreichische Schiffe dürfen Personen und Güter zwischen einem österreichischen Hafen und einem der folgenden deutschen Häfen im Geltungsbereich dieses Vertrages sowie umgekehrt befördern (Wechselverkehr):
a) einem Seehafen;
b) einem der in der Anlage aufgeführten Häfen;
c) einem Hafen, der auf dem direkten Weg zu einem Seehafen oder einem der in der Anlage aufgeführten Häfen liegt;
d) einem anderen Hafen, auf den sich die Vertragsstaaten auf Vorschlag des Gemischten Ausschusses geeinigt haben.
(3) Jeder Vertragsstaat kann für das Befahren seiner Wasserstraßen im Wechselverkehr nach Beratung im Gemischten Ausschuß Höchstzahlen der Fahrten festsetzen.
(4) Im Wechselverkehr sind die Schiffahrten beider Seiten je zur Hälfte am Ladungsaufkommen kontinuierlich zu beteiligen. Auf Antrag eines Vertragsstaates sind auf Vorschlag des Gemischten Ausschusses auskömmliche Frachtsätze und Nebenbedingungen verbindlich zu vereinbaren.
(5) Die Teilnahme anderer Schiffe am Wechselverkehr zwischen den Häfen der Vertragsstaaten auf Grund internationaler Vereinbarungen, denen einer der beiden Vertragsstaaten nicht angehört, ist von dessen Zustimmung abhängig.
Art. 5 Artikel 5
Österreichische und deutsche Schiffe dürfen Personen und Güter zwischen einem Hafen des anderen Vertragsstaates und einem Hafen in einem dritten Land (Drittlandverkehr) und umgekehrt nur in den Fällen befördern, die von den Vertragsstaaten auf Vorschlag des Gemischten Ausschusses vereinbart werden.
Art. 6 Artikel 6
Die Beförderung von Personen und Gütern zwischen Häfen des anderen Vertragsstaates (Kabotage) ist nur mit besonderer Erlaubnis der jeweils zuständigen Behörden gestattet.
Art. 7 Artikel 7
(1) Die Schiffe, ihre Besatzung, ihre Fahrgäste und ihre Ladung unterliegen im anderen Vertragsstaat dem jeweils dort geltenden Recht. Vereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Schiffsverkehr bleiben unberührt.
(2) Für die Schiffahrt auf der Donau anerkennt jeder Vertragsstaat die dafür ausgestellten Urkunden und Bescheinigungen, die sich auf das Schiff, seine Besatzung und Ladung beziehen, soweit sie in einem Vertragsstaat unter Bedingungen erteilt worden sind, die den in dem anderen Vertragsstaat geltenden Vorschriften genügen.
(3) Für die Schiffahrt auf den anderen Wasserstraßen im Sinne des Artikels 2 – ausgenommen Rhein und Mosel – werden die zuständigen Behörden gegen Vorlage der in dem anderen Vertragsstaat erworbenen Urkunden und Bescheinigungen, die sich auf das Schiff, seine Besatzung und Ladung beziehen, die in ihrem Staat vorgeschriebenen Urkunden und Bescheinigungen ausstellen. Voraussetzung dafür ist, daß die Urkunden und Bescheinigungen in einem Vertragsstaat unter Bedingungen erteilt worden sind, die den in dem anderen Vertragsstaat geltenden Vorschriften genügen.
Art. 8 Artikel 8
Die österreichischen und deutschen Schiffe sind bei Anwendung der Artikel 2 bis 6 gleich zu behandeln; das gilt insbesondere
a) bei der Benützung von Schleusen, Hafeneinrichtungen und Liegeplätzen;
b) bei der Erhebung von Schiffahrts- und Hafenabgaben.
Art. 9 Artikel 9
Österreichische und deutsche Schiffahrtsunternehmungen dürfen im anderen Vertragsstaat unter Beachtung des innerstaatlichen Rechts nur insoweit Vertretungen errichten und Akquisition betreiben, als dies auf der Grundlage der Gegenseitigkeit im anderen Vertragsstaat gestattet ist.
Art. 10 Artikel 10
(1) Es wird ein Gemischter Ausschuß gebildet. Jeder Vertragsstaat entsendet drei Mitglieder, die jeweils von den zuständigen Behörden bestimmt werden. Jede Seite kann zu den Beratungen des Gemischten Ausschusses Sachverständige hinzuziehen. Der Gemischte Ausschuß gibt sich eine Geschäftsordnung.
(2) Der Gemischte Ausschuß hat die Aufgabe:
a) den zuständigen Behörden Vorschläge für die in Artikel 3 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d und Artikel 5 vorgesehenen Vereinbarungen zu unterbreiten und bei Beratungen nach Artikel 3 Absatz 1 Satz 3 und Artikel 4 Absatz 3 zu der von einer Vertragspartei beabsichtigten Festsetzung von Höchstzahlen der Fahrten Stellung zu nehmen;
b) den Verkehr der Schiffe beider Seiten zu erfassen, die Einhaltung der in Buchstabe a genannten Vereinbarungen und die Anwendung der Artikel 8 und 9 zu überwachen und
c) im Sinne von Artikel 4 Absatz 4 Vorschläge für die Aufteilung der Transportgüter auf die Schiffahrten beider Seiten zu erstellen, die Ladungsaufteilung zu überwachen sowie sich auf für beide Seiten auskömmliche Frachtsätze und Nebenbedingungen zu einigen.
(3) Frachtsätze und Nebenbedingungen, auf die der Gemischte Ausschuß sich geeinigt hat, sind von diesem den zuständigen Behörden erforderlichenfalls zur Genehmigung vorzulegen. Das Inkraftsetzen der Frachtsätze und Nebenbedingungen wird zwischen den Vertragsstaaten vereinbart. Das Inkrafttreten gemäß innerstaatlichem Recht ist dem anderen Vertragsstaat unverzüglich mitzuteilen.
(4) Der Gemischte Ausschuß hat ferner die Aufgabe, den Vertragsstaaten Vorschläge zur Anpassung dieses Vertrages an die Entwicklung des Binnenschiffsverkehrs und zur Lösung aller Fragen zu unterbreiten, die sich aus der Anwendung dieses Vertrages ergeben.
Art. 11 Artikel 11
(1) Die in Artikel 3, Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d, Absatz 4 Satz 2, Artikel 5 und Artikel 10 Absatz 3 Satz 2 vorgesehenen Vereinbarungen kommen dadurch zustande, daß die zuständigen Behörden einander ihr Einverständnis mit den ihnen vom Gemischten Ausschuß unterbreiteten Vorschlägen schriftlich mitteilen.
(2) Kann eine Einigung im Gemischten Ausschuß nicht erzielt werden, treten auf Antrag einer Vertragspartei die Vertreter der Vertragsstaaten innerhalb von vier Wochen zu Konsultationen zusammen. Vorbehaltlich einer anderen einvernehmlichen Regelung finden diese Konsultationen in dem Vertragsstaat statt, der den Vorsitzenden im Gemischten Ausschuß stellt.
Art. 12 Artikel 12
(1) Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Vertrages sowie der von den Vertragsstaaten auf Grund dieses Vertrages geschlossenen Vereinbarungen sollen, soweit möglich, durch die Vertreter der Vertragsstaaten beigelegt werden.
(2) Kann eine Streitigkeit auf diese Weise nicht beigelegt werden, so ist sie auf Verlangen eines der beiden Vertragsstaaten einem Schiedsgericht zu unterbreiten.
(3) Das Schiedsgericht wird von Fall zu Fall gebildet, indem jeder Vertragsstaat ein Mitglied bestellt und beide Mitglieder sich auf den Angehörigen eines dritten Staates als Obmann einigen, der von den Regierungen der beiden Vertragsstaaten zu bestellen ist. Die Mitglieder sind innerhalb von zwei Monaten, der Obmann innerhalb von drei Monaten zu bestellen, nachdem der eine Vertragsstaat dem anderen mitgeteilt hat, daß er die Streitigkeit einem Schiedsgericht unterbreiten will.
(4) Werden die in Absatz 3 genannten Fristen nicht eingehalten, so kann in Ermangelung einer anderen Vereinbarung jeder Vertragsstaat den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofs bitten, die erforderlichen Ernennungen vorzunehmen. Besitzt der Präsident die Staatsangehörigkeit eines der beiden Vertragsstaaten oder ist er aus einem anderen Grund verhindert, so soll der Vizepräsident die Ernennungen vornehmen. Besitzt auch der Vizepräsident die Staatsangehörigkeit eines der beiden Vertragsstaaten oder ist auch er verhindert, so soll das im Rang nächstfolgende Mitglied des Gerichtshofs, das nicht die Staatsangehörigkeit eines der beiden Vertragsstaaten besitzt, die Ernennungen vornehmen.
(5) Das Schiedsgericht entscheidet mit Stimmenmehrheit auf Grund der zwischen den Vertragsstaaten bestehenden Verträge und des allgemeinen Völkerrechts. Seine Entscheidungen sind bindend. Jeder Vertragsstaat trägt die Kosten seines Mitglieds sowie seiner Vertretung in dem Verfahren vor dem Schiedsgericht; die Kosten des Obmanns sowie die sonstigen Kosten werden von den beiden Vertragsstaaten zu gleichen Teilen getragen. Das Schiedsgericht kann eine andere Kostenregelung treffen. Im übrigen regelt das Schiedsgericht sein Verfahren selbst.
Art. 13 Artikel 13
Die Verpflichtungen der Republik Österreich aus der Belgrader Konvention von 1948 in ihrer jeweiligen Fassung gegenüber den Vertragsstaaten dieser Konvention und die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus der Mannheimer Akte von 1868 in ihrer jeweiligen Fassung gegenüber den Vertragsstaaten dieser Akte werden durch diesen Vertrag nicht berührt.
Art. 14 Artikel 14
Dieser Vertrag gilt auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Regierung der Republik Österreich innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Vertrages eine gegenteilige Erklärung abgibt.
Art. 15 Artikel 15
(1) Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
(2) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation; die Ratifikationsurkunden werden sobald wie möglich in Wien ausgetauscht.
(3) Dieser Vertrag tritt am ersten Tag des dritten dem Austausch der Ratifikationsurkunden folgenden Monats in Kraft.
(4) Mit dem Tage des Inkrafttretens dieses Vertrages tritt die vorläufige Regelung der Schiffahrt auf der deutschen und österreichischen Strecke der Donau (Artikel VII des Protokolls vom 21. Januar 1963 zum Handelsabkommen vom 13. Mai 1954 zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland) außer Kraft.
(5) Dieser Vertrag kann von jedem Vertragsstaat mit einer Frist von sechs Monaten zum Ende eines Kalenderjahres schriftlich auf diplomatischem Wege gekündigt werden. In diesem Fall tritt der Vertrag mit Ablauf des Kalenderjahres außer Kraft.
Geschehen zu Bonn am 20. November 1985 in zwei Urschriften.
Anlage
Anl. 1
Gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstaben b und c können österreichische Schiffe folgende Häfen im Wechselverkehr anlaufen:
– Berlin-Westhafen,
– Berlin-Viktoriaspeicher I,
– Berlin-Viktoriaspeicher II,
– Berlin-Spandau-Südhafen,
– Berlin-Neukölln Hafen,
– Berlin-Humboldthafen,
– Berlin-Ladestraße Friedrich-Krause-Ufer,
– Berlin-Ladestraße Ziegrastraße,
– Berlin-Am Spreebord,
– Berlin-Nonnendammallee,
– Lade- und Löschstellen, die von den Berliner Hafen- und Lagerhaus-Betrieben verwaltet werden,
– Häfen, Lade- und Löschstellen, die von der Teltowkanal AG verwaltet werden.