BundesrechtInternationale VerträgeNotenwechsel zwischen Österreich und Belgien über den Austausch von Gastarbeitnehmern

Notenwechsel zwischen Österreich und Belgien über den Austausch von Gastarbeitnehmern

In Kraft seit 01. April 1956
Up-to-date

Artikel 1.

Art. 1

(1) Dieses Abkommen findet auf Gastarbeitnehmer Anwendung, das heißt auf Angehörige eines der beiden Länder, die sich in das Gebiet des anderen Landes begeben, um ihre beruflichen und sprachlichen Kenntnisse durch Annahme einer Beschäftigung bei einem Arbeitgeber zu vervollkommnen.

(2) Gastarbeitnehmer können Männer und Frauen sein; sie können sowohl mit körperlichen als auch mit geistigen Arbeiten beschäftigt werden. Sie sollen grundsätzlich das 30. Lebensjahr nicht vollendet haben.

Artikel 2.

Art. 2

(1) Die Gastarbeitnehmer sind berechtigt, ein Arbeitsverhältnis unter den in den folgenden Artikeln festgelegten Bedingungen einzugehen, jedoch unter Vorbehalt der gesetzlichen und verwaltungsmäßigen Bestimmungen, welche die Beschäftigung von Ausländern in gewissen Berufen regeln.

(2) Sofern ausländische Arbeitnehmer einer vorherigen Genehmigung bedürfen, um einer Beschäftigung nachzugehen, verpflichten sich die beiden Länder, diese Genehmigung den Gastarbeitnehmern im Sinne dieses Abkommens zu erteilen.

Artikel 3.

Art. 3

(1) Die Zahl der Gastarbeitnehmer, die auf Grund dieses Abkommens in jedem der beiden Länder zugelassen werden können, darf im Laufe eines Jahres hundert nicht überschreiten.

(2) Die am 1. Jänner bereits im Gebiete eines der beiden Länder befindlichen Gastarbeitnehmer zählen nicht auf das Kontingent des laufenden Jahres. Die Zahl von hundert Gastarbeitnehmern für jedes Jahr kann, unabhängig von der Dauer der im vorhergegangenen Jahr erteilten Genehmigungen, erreicht werden.

(3) Das Kontingent kann in der Folge durch ein Übereinkommen abgeändert werden, das auf Vorschlag eines der beiden Vertragspartner spätestens am 1. Dezember für das folgende Jahr abzuschließen ist.

(4) Für den Fall, daß das vorgesehene Kontingent von einem der Länder nicht voll ausgenützt wird, darf die Zahl der Gastarbeitnehmer des anderen Landes nicht beschränkt werden. Es ist auch nicht gestattet, den nicht ausgenützten Teil eines Kontingents auf das folgende Jahr zu übertragen.

Artikel 4.

Art. 4

(1) Die Genehmigung zur Gastarbeit wird grundsätzlich für einen ein Jahr nicht übersteigenden Zeitraum gewährt und kann ausnahmsweise um sechs Monate verlängert werden.

(2) Den Gastarbeitnehmern ist es grundsätzlich verboten, in dem Gebiet des Landes, in dem die Gastarbeit stattgefunden hat, in der Absicht zu verbleiben, dort eine Arbeit anzunehmen.

Artikel 5.

Art. 5

Die Genehmigung zur Gastarbeit darf nur unter dem Vorbehalt erteilt werden, daß der Gastarbeitnehmer keine andere entgeltliche Tätigkeit ausübt oder eine andere Beschäftigung annimmt als die, für welche die Genehmigung gegeben wurde.

Artikel 6.

Art. 6

(1) Die Gastarbeitnehmer dürfen nur zugelassen werden, wenn sich die Arbeitgeber, die sie zu beschäftigen wünschen, verpflichten, die Gastarbeitnehmer, sobald sie normale Dienste leisten, dort, wo Kollektivverträge bestehen, nach den in diesen Verträgen festgesetzten Tarifen und dort, wo solche Verträge nicht bestehen, nach den sonst geltenden Vorschriften oder in dem für den betreffenden Beruf ortsüblichen Ausmaß zu entlohnen.

(2) In allen anderen Fällen müssen sich die Arbeitgeber verpflichten, die Tätigkeit der Gastarbeitnehmer nach dem Wert ihrer Arbeitsleistung, zumindest aber in einem Ausmaß zu entlohnen, das es ihnen ermöglicht, für ihren Unterhalt aufzukommen.

Artikel 7.

Art. 7

(1) Die Gastarbeitnehmer genießen bezüglich der Anwendung der Gesetze, Verordnungen und Gewohnheiten, welche die Sicherheit der Arbeit, die Arbeitshygiene und die Arbeitsbedingungen regeln, die gleiche Behandlung wie die Angehörigen des Landes, in dem der Beschäftigungsort liegt.

(2) Die Gastarbeitnehmer und ihre Arbeitgeber sind verpflichtet, die in Kraft stehenden Vorschriften der Sozialversicherung, einschließlich der Arbeitslosenversicherung, einzuhalten.

Artikel 8.

Art. 8

(1) Die Personen, die in den Genuß dieses Abkommens gelangen wollen, haben ihre Ansuchen an die Behörde zu richten, die in ihrem Lande mit der Sammlung der Ansuchen der Gastarbeitnehmer betraut ist. Sie haben gleichzeitig alle zur Prüfung ihres Ansuchens notwendigen Angaben zu machen.

(2) Die genannte Behörde hat zu prüfen, ob das Ansuchen unter Berücksichtigung des für das Jahr zur Verfügung stehenden Kontingents der entsprechenden Behörde des anderen Landes zu übermitteln ist.

(3) Die Ansuchen um Zulassung der belgischen Gastarbeitnehmeranwärter zu einer Gastarbeit in Österreich sind an das Arbeitsministerium in Brüssel, die Ansuchen der österreichischen Gastarbeitnehmeranwärter für Belgien an das Bundesministerium für soziale Verwaltung in Wien zu richten. Die beiden Verwaltungsbehörden leiten sich die Ansuchen, die sie ihrerseits angenommen haben, unmittelbar zu.

(4) Die zuständigen Behörden der beiden Länder werden ihr möglichstes tun, um die Behandlung der Ansuchen in kürzester Frist sicherzustellen.

(5) Sobald die zuständige Behörde die Zulassung des ihr übermittelten Ansuchens beschlossen hat, teilt sie dies der zuständigen Behörde des anderen Landes mit.

Artikel 9.

Art. 9

(1) Zur Erreichung des in dem vorliegenden Abkommen festgesetzten Zieles und um jenen Personen nach Möglichkeit zu helfen, die Gastarbeit wünschen, aber nicht in der Lage sind, mit eigenen Mitteln einen Arbeitgeber zu finden, verpflichten sich die beiden Länder, die notwendigen Maßnahmen zur Beschaffung geeigneter Beschäftigungen zu ergreifen.

(2) Zu diesem Zwecke haben sich die Personen, die Gastarbeit wünschen, an die zuständige Behörde ihres Landes zu wenden, welche die Aufgabe hat, ihre Ansuchen der zuständigen Behörde jenes Landes zu übermitteln, in dem der Gastarbeitnehmer seine Gastarbeit auszuüben wünscht.

(3) Alle Formalitäten zum Zwecke der Arbeitsvermittlung sind für den Gastarbeitnehmer kostenlos.

Artikel 10.

Art. 10

Die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens entbinden die Gastarbeitnehmer nicht von der Verpflichtung, die gesetzlichen Vorschriften der Länder über die Einreise, den Aufenthalt und die Ausreise von Ausländern zu erfüllen.

Artikel 11.

Art. 11

Alle Fragen, die sich bezüglich der Auslegung oder der Anwendung des vorliegenden Abkommens ergeben, sind durch unmittelbare Verhandlungen zu regeln.

Artikel 12.

Art. 12

(1) Dieses Abkommen tritt mit Beginn des zweiten Monats in Kraft, der dem Austausch der diesbezüglichen Noten folgt, und gilt bis zum Jahresende 1956.

(2) Das Abkommen gilt stillschweigend jeweils für ein weiteres Jahr verlängert, sofern es nicht von einem der beiden vertragschließenden Teile vor dem 1. Juli zum Jahresende gekündigt wird.

(3) Im Falle der Kündigung bleiben jedoch die auf Grund der vorliegenden Vereinbarungen erteilten Genehmigungen für die Dauer gültig, für die sie erteilt wurden.

(4) Die Zahl der Gastarbeitnehmer, die im Laufe des Jahres, in dem dieses Abkommen in Kraft tritt, in beiden Ländern zugelassen werden dürfen, hat der Zahl der Monate zu entsprechen, die zwischen dem Zeitpunkte des Inkrafttretens und dem Ende dieses Jahres verstreichen.

ÖSTERREICHISCHE BOTSCHAFT

Anl. 1

BRÜSSEL

Zl. 17.593-A/55

Brüssel, am 20. Jänner 1956.

Eure Exzellenz!

Ich beehre mich, Eurer Exzellenz zur Kenntnis zu bringen, daß die Österreichische Bundesregierung, von dem Bestreben geleitet, die Zusammenarbeit mit Belgien auf sozialem Gebiete zu vertiefen, und von der Überlegung ausgehend, daß es vorteilhaft ist, den Austausch von Gastarbeitnehmern zwischen den beiden Ländern zum Zwecke der sprachlichen und beruflichen Fortbildung zu fördern, bereit ist, unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit die nachstehenden Bestimmungen anzuwenden:

(Anm.: Es folgen die Artikel 1-12.)

(Übersetzung)

Anl. 1

Ministerium für Auswärtige

Angelegenheiten und Außenhandel

Brüssel, den 20. Jänner 1956.

Herr Botschafter!

Ich beehre mich, den Erhalt Ihrer Note vom 20. Jänner 1956, Zl. 17.593-A/55 zu bestätigen, mit welcher Eure Exzellenz die Güte hatten, mir die Bedingungen bekanntzugeben, unter denen die Österreichische Regierung bereit ist, unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit belgische Staatsangehörige, die sich zum Zwecke der sprachlichen und beruflichen Fortbildung in Österreich als Gastarbeitnehmer aufhalten wollen, zuzulassen.

Da die Belgische Regierung ebenfalls bestrebt ist, die Zusammenarbeit mit Österreich auf sozialem Gebiete zu vertiefen, und da sie der Ansicht ist, daß es vorteilhaft ist, den Austausch von Gastarbeitnehmern zwischen den beiden Ländern zu fördern, hat die Belgische Regierung mich beauftragt, Eurer Exzellenz mitzuteilen, daß sie damit einverstanden ist, ein Abkommen folgenden Inhaltes abzuschließen:

(Anm.: Es folgen die Artikel 1-12.)

Die oberwähnte Note Eurer Exzellenz vom 20. Jänner 1956 und die vorliegende Note, die ich an Sie zu richten die Ehre habe, stellen ein zwischen unseren beiden Regierungen abgeschlossenes Abkommen in der vorliegenden Materie dar.

Ich benütze diesen Anlaß, um Eurer Exzellenz die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern.

Der Minister für

Auswärtige Angelegenheiten:

Paul Henri Spaak

Anl. 1

Seiner Exzellenz

Herrn Martin Fuchs

Österreichischen Botschafter

in Brüssel.

Ich wäre Eurer Exzellenz dankbar, wenn Sie mir bekanntgeben würden, ob die Belgische Regierung damit einverstanden ist, ein Übereinkommen nach dem oben angeführten Wortlaut abzuschließen. Zutreffendenfalls werden diese Note und die Antwortnote, die mir Eure Exzellenz gütigst zukommen lassen werden, als ein Abkommen zwischen unseren Regierungen angesehen werden.

Genehmigen, Exzellenz, die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung.

Der Botschafter:

Fuchs

Anl. 1

Son Excellence

Monsieur Paul Henri Spaak

Ministre des Affaires Etrangeres

Bruxelles