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Einführung in Körperverletzungsdelikte

In wie fern spielen der Verletzungserfolg und Vorsatz eine Rolle? 🤔

Sijin Sun

Legal & Marketing

Jus-Studium

Willkommen zu unserer einfachen Einführung in die Körperverletzungsdelikte des Strafgesetzbuchs (StGB).


Übersicht

Im Strafgesetzbuch (StGB) gibt es viele Körperverletzungsdelikte:

Welcher dieser Paragrafen zur Anwendung kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Vor allem dem Verletzungserfolg und Vorsatz.

Verletzungserfolg

Was ist eine Körperverletzung?

Eine Körperverletzung ist eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung der körperlichen Integrität. Das sind zum Beispiel Schnittwunden, Prellungen und Knochenbrüche.

Jedoch sind Bagatellen nicht von den Körperverletzungsdelikten erfasst, wie zum Beispiel minimale Hautabschürfungen und schnell vorübergehende Hautrötungen. Diese können unter Umsänden unter §115 Strafgesetzbuch (StGB) fallen.

Wann liegt eine an sich schwere Körperverletzung vor?

Ob eine an sich schwere Körperverletzung vorliegt ist meistens eine Einzelfallentscheidung. Bei einer schweren Körperverletzung kommt es auf die Wichtigkeit des betroffenen Organs, die Gefährlichkeit der Verletzung, und viele weitere Faktoren an.

Eine an sich schwere Körperverletzung liegt zum Beispiel bei Bauchstichen, den meisten Knochenbrüchen, Gehirnerschütterungen verbunden mit Bewusstlosigkeit oder Gedächtnisverlust, und der Verlust von Schneidezähnen vor.

Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit

Bei einer Gesundheitsschädigung muss es zu einer seelischen oder körperlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommen. Die Gesundheitsschädigung muss Krankheitswert im medizinischen Sinn aufweisen, beispielsweise HIV-Infektionen, Vergiftungen, lebensgefährliche Fieberzustände oder Lungenentzündungen.

Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die verletzte Person nicht in der Lage ist, den wesentlichen Anforderungen des Berufs nachzukommen, ohne den Heilungsverlauf zu gefährden.

Die Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit müssen sich über 24 Tage erstrecken, wobei der Tag der Verletzung nicht mitgezählt wird, um zum Beispiel durch §84 Strafgesetzbuch (StGB) erfasst zu sein.

Schwere Dauerfolgen

Die schweren Dauerfolgen folgen aus einer Körperverletzung oder einer Gesundheitsschädigung. Fahrlässig herbeigeführte schwere Dauerfolgen wirken “qualifizierend”, sprich der Strafrahmen erhöht sich bei Vorliegen solcher. Das ist im §85 Strafgesetzbuch (StGB) und §87 Abs 2 Strafgesetzbuch (StGB) relevant. Schwere Dauerfolgen halten für immer oder für eine lange Zeit an. Nach Rechtsprechung liegt beispielsweise bei 3 Jahren Krankenstand keine lange Zeit vor.

Vorsatz

Fahrlässigkeit

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter die andere Person gar nicht verletzen wollte. Zum Beispiel fährt A auf der Straße und passt einen Moment nicht auf und fährt B an. A hatte keinerlei Vorsatz B zu verletzen.

Die Fahrlässigkeit basiert auf objektiver Sorgfaltswidrigkeit, sprich es handelt sich um

  • einen Verstoß gegen eine Verkehrsnorm (z.B. Schiregeln) oder

  • einen negativen Vergleich mit einer Maßfigur (wenn sich die Maßfigur nicht so verhalten hätte).

Grobe Fahrlässigkeit

Grob fahrlässig handelt gemäß §6 Abs 3 Strafgesetzbuch (StGB) wer

“ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhalts als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war”.

Es muss also zu einer extremen Abweichung von der gebotenen Sorgfalt kommen oder zu einer wesentlichen Überschreitung des erlaubten Risikos. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Täter mit dem Auto auf Höchstgeschwindigkeit in einem Ortsgebiet um die Wette fährt und jemanden dabei verletzt. Weiters gilt auch die Mosaiktheorie, welche durch das Summieren mehrerer kleineren Sorgfaltswidrigkeiten auf eine grobe Fahrlässigkeit schließen lässt.

Misshandlungs- und Verletzungsvorsatz

Ein Misshandlungsvorsatz ist der Vorsatz einer anderen Person unter Einwirkung physischer Kraft dessen körperliches Wohlbefinden nicht ganz unerheblich zu beeinträchtigen. Das wären zum Beispiel Ohrfeigen, Stöße oder Beinstellen.

Der Verletzungsvorsatz unterscheidet sich dadurch, dass der Vorsatz darauf gerichtet ist der anderen Person eine einfache Körperverletzung zuzufügen. Es handelt sich also um einen Misshandlungsvorsatz übersteigenden Willen.

Eventualvorsatz

Der Eventualvorsatz ist im §5 Abs 1 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und besagt, dass der Täter die Verwirklichung für ernstlich möglich hält und sich damit abfindet. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Täter sich denkt “Wenn ich X jetzt die Treppe runterstoße, wird sich X wahrscheinlich verletzen, aber das ist mir egal.”

Absichtlichkeit

Gemäß §5 Abs 2 Strafgesetzbuch (StGB) handelt der Täter absichtlich, wenn es ihm genau auf einen Erfolg, z.B. einer schweren Körperverletzung, ankommt. Absicht wird nur in wenigen Straftatbeständen verlangt, wie zum Beispiel §87 Abs 1 Strafgesetzbuch (StGB), §299 Strafgesetzbuch (StGB), §131 Strafgesetzbuch (StGB) und §107 Strafgesetzbuch (StGB).

Kombinationen

Der Vorsatz bezieht sich immer auf den Erfolg, jedoch muss nicht der gewollte Erfolg eintreten. Zum Beispiel hat A die Absicht darauf B mit einem Messer in den Bauch zu stechen und dadurch eine an sich schwere Körperverletzung zuzufügen. Selbst wenn dies A jedoch nicht gelingt, weil er B mit dem Messer verfehlt, ist A wegen versuchter absichtlichen Körperverletzung nach §87 Abs 1 Strafgesetzbuch (StGB) zu verurteilen.

Um diese komplexe Materie anschaulicher darzustellen, haben wir dir ein paar vereinfachte Formeln aufgestellt:

Misshandlungsvorsatz + schwerer Erfolg = §84 Abs 1 StGB

Verletzungsvorsatz + schwerer Erfolg = §84 Abs 4 StGB

Misshandlungsvorsatz + schwerer Erfolg + fahrlässig herbeigeführte schwere Dauerfolge = §85 Abs 1 StGB

Verletzungsvorsatz + schwerer Erfolg + fahrlässig herbeigeführte schwere Dauerfolge = §85 Abs 2 StGB

Fahrlässigkeit + schwerer Erfolg + fahrlässig herbeigeführte schwere Dauerfolge = §88 Abs 4 StGB

Absicht + schwerer Erfolg = §87 Abs 1 StGB

Absicht + schwerer Erfolg + fahrlässig herbeigeführte schwere Dauerfolge = §87 Abs 2 StGB

Misshandlungsvorsatz + fahrlässig herbeigeführter Tod = §86 Abs 1 StGB

Verletzungsvorsatz + fahrlässig herbeigeführter Tod = §86 Abs 2 StGB


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