Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision der X L, vertreten durch Dr. Eva Jana Messerschmidt, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Freyung 6/7/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2024, W233 2286908 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, stellte am 30. September 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte sie vor, von der chinesischen Regierung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der christlichen Religionsgemeinschaft „Eastern Lightning“ (auch „Kirche des Allmächtigen Gottes“) verfolgt zu werden. Sie sei am 5. März 2017 sowie am 5. Jänner 2018 jeweils nur knapp einer Festnahme entgangen und könne nicht mehr in ihrer Heimat leben.
2 Mit Bescheid vom 16. Jänner 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag der Revisionswerberin zur Gänze ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Volksrepublik China zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei. Begründend hielt das BVwG im Wesentlichen fest, dass das Fluchtvorbringen der Revisionswerberin, wonach sie der Glaubensgemeinschaft „Kirche des Allmächtigen Gottes“ angehöre und aus diesem Grund im Herkunftsstaat in das Blickfeld der chinesischen Behörden geraten sei, nicht glaubhaft sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Beschluss vom 11. Dezember 2024, E 3824/2024 7, abwies und begründend ausführte, das BVwG habe weder eine grundrechtswidrige Gesetzesauslegung vorgenommen noch seien ihm grobe Verfahrensfehler unterlaufen, die eine vom Verfassungsgerichtshof aufzugreifende Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würden.
5 Mit Beschluss vom 27. Dezember 2024, E 3824/2024 9, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die vorliegende Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe gegen die gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 vorgegebene amtswegige Ermittlungspflicht verstoßen. So hätte es das BVwG verabsäumt, jene Länderberichte in das Verfahren einzubringen, die die Situation der Revisionswerberin im Zeitpunkt ihrer Ausreise aus der Volksrepublik China im Jahr 2018 beleuchten würden. Aus näher genannten älteren Quellen ergäbe sich mitunter, dass Daten über Personen, nach denen gefahndet werde, zum damaligen Zeitpunkt nicht zwangsläufig von einer Behörde an die nächste weiteregegeben worden seien, weshalb aus der Reisepassausstellung und der Ausreise der Revisionswerberin aus der Volksrepublik China im Jahr 2018 nicht geschlossen werden könne, dass diese nicht verfolgt werde. Außerdem habe sich das BVwG nicht mit der gebotenen Sorgfalt mit den Besonderheiten der „Kirche des Allmächtigen Gottes“ sowie der Frage der inneren Überzeugung der Revisionswerberin auseinandergesetzt. Mangels eigenen Fachwissens hätte ein entsprechendes Gutachten eingeholt werden müssen. Schließlich sei auch die Begründung des BVwG bezüglich der (vermeintlichen) Widersprüche im Vorbringen der Revisionswerberin nicht tragfähig.
10 Soweit sich die Revision gegen das verwaltungsgerichtliche Ermittlungsverfahren wendet, ist auf die hg. Judikatur zu verweisen, wonach aus § 18 Abs. 1 AsylG 2005 deutlich hervorgeht, dass das BFA und das BVwG in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, die zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Diese Pflicht bedeutet aber nicht, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 16.4.2024, Ra 2024/19/0155, mwN).
Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 6.6.2024, Ra 2024/19/0231, mwN).
11 Das BVwG stützte sich in seinem Erkenntnis auf das im Entscheidungszeitpunkt aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu China mit Stand vom 13. April 2023 (Version 5). Dass sich im Verfahren konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass die Beurteilung des Ausmaßes der Überwachung in der Volksrepublik China im Jahr 2018 die Heranziehung einer älteren Quelle bedurft hätte, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht substantiiert behauptet. Weder gab es ein entsprechendes Vorbringen im Beschwerdeverfahren, noch lässt der konkret herangezogene Länderbericht darauf schließen, dass die Überwachung im Jahr 2018 mit nur geringer Intensität erfolgt sei. Insofern gelingt es der Revisionswerberin nicht darzulegen, dass das verwaltungsgerichtliche Ermittlungsverfahren zu den Überwachungsmaßnahmen der chinesischen Regierung grob fehlerhaft erfolgt wäre. Auch legt die Revision nicht dar, auf Grund welcher Anhaltspunkte das BVwG dazu verpflichtet gewesen wäre, noch weitere Ermittlungen hinsichtlich der „Kirche des Allmächtigen Gottes“ anzustellen und insbesondere ein Gutachten dazu einzuholen. So ist der „Kirche des Allmächtigen Gottes“ im konkret herangezogenen Länderbericht ein eigenes Unterkapitel gewidmet und wurde die Revisionswerberin in der Beschwerdeverhandlung ausführlich zu ihrer Religion befragt. Mit diesem Vorbringen vermag die Revision somit ebenfalls nicht aufzuzeigen, dass das BVwG sein Verfahren mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit belastet hätte.
12 Soweit die Revision schließlich Begründungsmängel im Zusammenhang mit (vermeintlichen) Widersprüchen im Vorbringen der Revisionswerberin ins Treffen führt und sich damit dem Inhalt nach (auch) gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie den detailreichen Erwägungen mit ihren in diesem Punkt pauschalen Ausführungen nichts Stichhaltiges entgegensetzt. Es gelingt ihr weder einen relevanten Begründungsmangel aufzuzeigen, noch den beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG substantiiert entgegenzutreten (zur Relevanzdarlegung von Verfahrensmängeln und zum Maßstab für die Überprüfung der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren vgl. VwGH 16.12.2024, Ra 2024/19/0531, mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
14 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 12. März 2025