JudikaturVwGH

Ra 2025/18/0238 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revision 1. des M A, 2. der E A, 3. des M A, 4. der N A, und 5. der R A, alle vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2025, 1. I407 2300910 1/16E, 2. I407 2300908 1/18E, 3. I407 2300912 1/16E, 4. I407 2300913 1/16E und 5. I407 2304474 1/12E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Erstrevisionswerber und die mit diesem verheiratete Zweitrevisionswerberin sind die Eltern der minderjährigen dritt- bis fünftrevisionswerbenden Parteien, allesamt Staatsangehörige der Türkei und Angehörige der Volksgruppe der Kurden. Die erst- bis viertrevisionswerbenden Parteien stellten am 24. April 2023 und die erst in Österreich geborene Fünftrevisionswerberin am 28. November 2024 Anträge auf internationalen Schutz.

2 Sie begründeten die Anträge im Wesentlichen damit, dass Kurden in der Türkei nicht sicher seien. Im Einzelnen genannte Verwandte der revisionswerbenden Parteien seien „politische Kämpfer in Syrien“ gewesen und mehrmals verhaftet bzw. zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. In den Jahren 2015 bzw. 2016 sei das Haus der revisionswerbenden Parteien wie andere kurdische Häuser im Zuge der Kämpfe zwischen der PKK und der Armee zerstört worden. Der Erstrevisionswerber sei Mitglied der HDP. Seit ca. drei Jahren habe die Polizei begonnen, bei den revisionswerbenden Parteien ca. zweimal pro Woche Hausdurchsuchungen durchzuführen. Schließlich sei von den türkischen Behörden gegen den Erstrevisionswerber wegen seiner HDP Mitgliedschaft und wegen der Veröffentlichung von „verdächtigen Inhalten“ auf einer Internetplattform ein Strafverfahren eingeleitet worden; im Fall der Rückkehr in die Türkei drohe dem Erstrevisionswerber die Inhaftierung bzw. bestehe die Gefahr von gewalttätigen Übergriffen gegen die revisionswerbenden Parteien.

3Mit Bescheiden vom 23. August 2024 bzw. 11. Dezember 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der revisionswerbenden Parteien zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise von 24 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen fest.

4 Die dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Frist zur freiwilligen Ausreise jeweils 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen betrage. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das BVwG für nicht zulässig.

5 Zur Begründung der Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten hielt das BVwG fest, es könne keine asylrelevante Verfolgung bzw. Bedrohung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit der revisionswerbenden Parteien festgestellt werden. Der Erstrevisionswerber sei in der Türkei keiner asylrelevanten Verfolgung durch staatliche Organe aufgrund politischen Engagements ausgesetzt. Gegen ihn werde dort zwar ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren geführt, er sei jedoch aus im Einzelnen angeführten Gründen keiner illegitimen Verfolgungshandlung im asylrechtlichen Sinn ausgesetzt; er sei auch nicht zur Fahndung ausgeschrieben.

6Zur Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz führte das BVwG aus, es könne nicht festgestellt werden, dass die revisionswerbenden Parteien im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Verletzung ihrer durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte ausgesetzt seien. Die Rückkehrentscheidungen begründete das BVwG mit dem Überwiegen der öffentlichen Interessen an einer Beendigung des Aufenthaltes der revisionswerbenden Parteien gegenüber ihren privaten Interessen an einem Verbleib.

7 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 6. Juni 2025, E 1315 1319/2025 5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

8 In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe das „Verbot der Umgehung des Auslieferungsverbots“ im Sinne des § 13 ARHG verkannt; es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu „dieser Fragestellung des § 13 ARHG“.

13 Dem ist zu entgegnen, dass es die genannte gesetzliche Bestimmung (nur) für den Fall, dass ein Auslieferungsverfahren gegen einen Ausländer anhängig ist oder dass hinreichende Gründe für die Einleitung eines solchen Verfahrens vorliegen, verbietet, ihn auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen außer Landes zu bringen. Dass ein Auslieferungsverfahren gegen den Erstrevisionswerber anhängig wäre oder hinreichende Gründe für die Einleitung eines solchen vorlägen (und dass daher die Revision von einer Frage der Auslegung dieser Bestimmung abhinge), legt die Revision in der Zulässigkeitsbegründung in keiner Weise dar.

14 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit außerdem vor, der Umstand, dass im vorliegenden Fall - noch vor dem (vom Verfassungsgerichtshof für den Ablauf des 30. Juni 2025 angeordneten) Inkrafttreten der Aufhebung von Teilen des BBU Errichtungsgesetzes durch das Erkenntnis VfGH 14.12.2023, G 328 335/2022 die BBU als Rechtsvertretung der revisionswerbenden Parteien die Beschwerden an das BVwG eingebracht habe, also weiterhin eine bereits „als rechtswidrig erkannte Institution“ tätig geworden sei, anstatt einen Rechtsanwalt zu beauftragen, verletze die revisionswerbenden Parteien in ihrem „Recht auf eine unionsrechtskonforme Vertretung“.

15 Mit diesem Vorbringen das in keiner Weise näher darlegt, gegen welche Anforderungen des Unionsrechts die vorläufige Weiteranwendung der vom Verfassungsgerichtshof unter Fristsetzung aufgehobenen Bestimmungen des BBU-Errichtungsgesetzes verstoßen sollwird nicht aufgezeigt, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. Es wird nicht konkret dargelegt, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich beantwortet hat oder dass dazu Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt (vgl. allgemein etwa VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0136, mwN).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 26. August 2025