Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revision des E Ö, vertreten durch DDr. Rainer Lukits, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf Dietrich Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 2024, L524 2272336 1/22E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Türkei, stellte am 18. August 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er wegen seiner Konversion zum Christentum Probleme mit seiner in Ankara ansässigen Familie gehabt habe; insbesondere sei er von Mitgliedern seiner Familie geschlagen und verbal attackiert sowie mit dem Tode bedroht worden. Auch sei er von Angehörigen der Familien mit ihm befreundeter Personen öffentlich beschimpft und geschlagen worden, da diese geglaubt hätten, er habe „die Söhne bekehrt“.
2 Mit Bescheid vom 30. März 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im ersten Rechtsgang mit Erkenntnis vom 28. Dezember 2023 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab.
4 Dieses Erkenntnis des BVwG hob der Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 8. August 2024, Ra 2024/19/0049, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil das BVwG die Verhandlungspflicht missachtet hatte.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des BFA vom 30. März 2023 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erneut als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
6 In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ging das BVwG davon aus, dass dem Revisionswerber ungeachtet seiner Konversion zum Christentum protestantischer Ausrichtung in der Türkei nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung drohe. Sollte für den Revisionswerber eine Rückkehr nach Ankara, wo seine Familie lebe, „nicht in Betracht“ kommen, bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Großstadt Istanbul. Der Revisionswerber könne in der Türkei seine grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse befriedigen, ohne in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation zu geraten, weshalb ihm kein subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen sei. Die Rückkehrentscheidung sei angesichts des Überwiegens der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers an seinem Verbleib in Österreich zu Recht ergangen.
7 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Februar 2025, E 4827/2024 7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
8 In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend, das BVwG habe hinsichtlich der für die Asylrelevanz geforderten Intensität eines Eingriffs in die zu schützende persönliche Sphäre einen falschen Maßstab herangezogen und sei ausgehend von den eigenen Länderfeststellungen, wonach Bedrohungen und auch Gewalt gegen Angehörige christlicher Minderheiten, wenn auch nicht in verbreitetem Ausmaß, so doch regelmäßig stattfänden, zu Unrecht von einer nur „entfernten Möglichkeit“, dass der zum Protestantismus konvertierte Revisionswerber bei einer Rückkehr in die Türkei Opfer eines religiös motivierten Übergriffs werden würde, ausgegangen.
13 Dem ist zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Verfolgung ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur etwa solche Maßnahmen, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. etwa VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).
14 Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 3.7.2023, Ra 2023/14/0182, mwN).
15 Dass sich das BVwG von diesen (einheitlichen) höchstgerichtlichen Leitlinien entfernt hätte, legt die Revision in der Zulassungsbegründung nicht dar. Das BVwG hat umfangreiche Feststellungen zur Situation von Angehörigen christlicher Minderheiten in der Türkei sowie zu den vom Revisionswerber behaupteter Weise persönlich erlittenen Übergriffen und Bedrohungen, insbesondere durch Angehörige seiner in Ankara ansässigen Familie, getroffen. Auf Basis dieser Feststellungen kam das BVwG vertretbar zu dem Ergebnis, dass die Eingriffsintensität der drohenden Verfolgungshandlungen durch Private nicht die Schwelle einer asylrelevanten Verfolgung erreiche und eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit von asylrelevanten Verfolgungshandlungen nicht vorliege. Hilfsweise wies das BVwG auf die innerstaatliche Fluchtalternative in der Großstadt Istanbul hin.
16 Mit dem Vorbringen, das BVwG habe sich mehrfach auf „Internetquellen“ gestützt, die dem Revisionswerber vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses nicht zur Stellungnahme übermittelt worden seien, und damit das Recht des Revisionswerbers auf Parteiengehör verletzt, sowie mit dem Vorbringen, das BVwG habe relevante Länderberichte nicht berücksichtigt, macht die Revision Verfahrensfehler geltend, deren Relevanz in konkreter Weise darzulegen wäre (vgl. etwa VwGH 18.12.2023, Ra 2023/18/0131, mwN). Mit der (bloßen) Wiedergabe von Auszügen aus behaupteter Maßen vom BVwG nicht bzw. ungenügend gewürdigten Länderberichten gelingt es der Revision jedoch nicht, eine die Schwelle der Asylrelevanz überschreitende Verfolgung von (wie der Revisionswerber) zum Christentum protestantischer Ausrichtung Konvertierten in der Türkei, insbesondere in Istanbul als innerstaatlicher Fluchtalternative, darzulegen.
17 Soweit sich die Revision gegen die Rückkehrentscheidung wendet und dabei die mangelnde Berücksichtigung der Lebensverhältnisse im Herkunftsstaat sowie des Umstandes, dass der Revisionswerber am 29. Oktober 2024 eine legale Beschäftigung aufgenommen habe, rügt, ist ihr entgegenzuhalten, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 14.9.2020, Ra 2020/18/0357, mwN). Liegt wie im gegenständlichen Fall eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig vorausgesetzt, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (vgl. etwa VwGH 4.1.2021, Ra 2020/18/0495, mwN). Dass eine derartige außergewöhnliche Integration im vorliegenden Fall gegeben wäre, wird von der Revision nicht dargetan.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 6. Mai 2025
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