Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revision des M I, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2024, L525 2269474 1/12E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 23. September 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte vor, dass er in Bangladesch niemanden mehr habe und deshalb im Jahr 2010 in die Ukraine gegangen sei, um dort zu studieren und zu leben. Im Jahr 2012 habe er „nur für die Papiere“ eine Ukrainerin geheiratet, mit der er nie zusammengelebt habe; die Ehe sei nie geschieden worden, da „das Scheidungspapier“, das er eingereicht habe, nie angekommen sei. Ein über seinen Antrag eingeleitetes Asylverfahren in der Ukraine sei immer noch anhängig. Er führe seit 2019 eine Lebensgemeinschaft mit einer (anderen) ukrainischen Staatsangehörigen. Nach Ausbruch des Krieges habe er mit seiner Lebensgefährtin die Ukraine verlassen müssen. Die Lebensgefährtin genieße nunmehr in Österreich Schutz nach der Verordnung der Bundesregierung über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene (VertriebenenVO), BGBl. II Nr. 92/2022 idF BGBl. II Nr. 27/2023.
2 Mit Bescheid vom 17. Februar 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, sprach aus, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig.
4 Im Rahmen der für das Revisionsverfahren allein relevanten Rückkehrentscheidung nahm das BVwG eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK vor. Der Revisionswerber halte sich seit etwa zweieinhalb Jahren im Bundesgebiet auf und lebe mit seiner Lebensgefährtin in einem gemeinsamen Haushalt, wobei die Lebensgemeinschaft bereits seit 2019 bestehe. Gegenständlich sei daher von dem Bestehen eines gemeinsamen Familienlebens auszugehen. Die Rückkehrentscheidung stelle somit einen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, sei aber gerechtfertigt. Zwischen den Partnern liege kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis vor, es gebe keine gemeinsamen Kinder, die Beziehung sei zu einem Zeitpunkt eingegangen worden, zu dem der Revisionswerber über kein dauerndes Aufenthaltsrecht in der Ukraine verfügt habe. Die Partner hätten auch die Möglichkeit, ihre Beziehung im Herkunftsstaat des Revisionswerbers fortzusetzen. Gleichzeitig bestehe ein näher dargestelltes starkes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung des Revisionswerbers.
5 Die Zulassung der Revision begründete das BVwG damit, dass es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe, ob unter § 2 VertriebenenVO auch Lebensgefährten fallen können, die bereits in der Ukraine zusammenlebten. Es erscheine gemäß einer weiten Auslegung des Familienbegriffs im Sinne der EMRK fraglich, ob unter Familienangehörige nicht auch „Lebensgefährten ab einer bestimmten Intensität“ fallen können.
6 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Dezember 2024, E 4508/2024 5, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 8. Jänner 2025, E 4508/2024 7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 Daraufhin wurde die vorliegende ordentliche Revision eingebracht.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
11 Zweck der Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG ist bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 26.1.2023, Ro 2022/05/0021, mwN). Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert dabei (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die konkrete Darlegung, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat. Ein pauschales bzw. nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung reicht jedenfalls nicht aus; es bedarf einer Verknüpfung zwischen der individualisierten Rechtsfrage, dem konkreten Sachverhalt und der darauf basierenden rechtlichen Beurteilung (vgl. etwa VwGH 10.2.2025, Ro 2022/06/0017, mwN).
12 Im Revisionsfall legt das BVwG mit seinen allgemeinen Ausführungen ohne jeglichen Fallbezug zur Zulassung der Revision nicht dar, welche konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage, die für das gegenständliche Verfahren von entscheidender Bedeutung wäre, der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die Revision (erstmals) zu lösen habe. Auch begründet der bloße Umstand, dass zu einer bestimmten Regelung keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht, für sich allein noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG.
13 Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung über die Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 28.1.2025, Ro 2023/02/0016, mwN).
14 Die Revision macht lediglich pauschal geltend, dass der (mit einer ukrainischen Staatsangehörigen verheiratete) Revisionswerber mit einer anderen ukrainischen Staatsangehörigen eine Lebensgemeinschaft geführt habe und auch in Österreich führe, weshalb er unter den Familienbegriff von Art. 8 EMRK falle. Selbst dies würde jedoch allein noch nicht dazu führen, dass die Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber, die vom BVwG für verhältnismäßig angesehen wurde, unzulässig wäre. Eine Unvertretbarkeit der diesbezüglichen (Abwägungs )Entscheidung zeigt die Revision nicht auf. Auch der Verfassungsgerichtshof hegte, wie sein Ablehnungsbeschluss in der gegenständlichen Angelegenheit zeigt, keine derartigen Bedenken. Abgesehen davon enthält die Revision kein substantiiertes Vorbringen, das ihre Zulässigkeit dartun würde.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. Juni 2025