Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Marzi als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, über die Revision des J S (alias J I), vertreten durch Mag. Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstraße 15/5/5.13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. März 2025, W220 2285204 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 6. Juli 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er damit begründete, dass es in Afghanistan keine Arbeit und keine Weiterbildungsmöglichkeit für ihn gäbe.
2 Mit Bescheid vom 25. Oktober 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der Zulässigkeitsbegründung wendet sich die Revision zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG im Zusammenhang mit der Abweisung seines Antrags auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch festgehalten, dass die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. zB VwGH 7.5.2025, Ra 2025/01/0081, mwN).
10 Richtig ist zwar, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben hat, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. etwa VwGH 11.4.2024, Ra 2024/19/0136, mwN).
11 Das BVwG legte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte und diesen zu seinen Fluchtgründen näher befragte, in einer ausführlichen Beweiswürdigung im Einzelnen dar, aus welchen Erwägungen es zum Ergebnis gelangte, dass der Revisionswerber nicht glaubhaft habe machen können, in Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein bzw. dieser im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ausgesetzt zu sein. Das BVwG stützte sich in seiner Beweiswürdigung entgegen dem Revisionsvorbringen nicht bloß auf den Austausch der Fluchtgründe zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme des Revisionswerbers vor dem BFA, sondern darüber hinaus auf zahlreiche zusätzliche Erwägungen. Mit diesen Erwägungen setzt sich die Revision jedoch nicht auseinander.
12 Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG in ihrer Gesamtheit unvertretbar wären, vermag der Revisionswerber, der in erster Linie seine eigenen beweiswürdigenden Überlegungen an die Stelle des Bundesverwaltungsgerichtes gesetzt wissen möchte, mit seinen Ausführungen nicht darzutun.
13 Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bringt die Revision vor, das BVwG habe seine Ermittlungspflicht verletzt, indem es den Revisionswerber nicht zu den aktuellen Lebensumständen seiner Familie in Afghanistan befragt habe. Bei ordnungsgemäßer Ermittlung hätte das BVwG in Entsprechung der Richtlinien des UNHCR, denen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „Indizwirkung“ zukomme zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem Revisionswerber eine existenzbedrohende Situation drohe. Auch hätte das BVwG weitere Ermittlungen zu den familiären Verhältnissen des Revisionswerbers in Afghanistan und den Lebensumständen seiner Familie tätigen müssen.
14 Werden Verfahrensmängel hier: Ermittlungsfehler als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass in der gesonderten Begründung der Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 7.1.2025, Ra 2024/14/0844, mwN).
15 Diesen Anforderungen wird die Revision nicht gerecht. Zudem lässt sie außer Acht, dass sich das BVwG im Rahmen der Prüfung von subsidiärem Schutz mit der Lage in Afghanistan anhand näher genannter, im Entscheidungszeitpunkt aktueller Länderberichte aus verschiedenen Quellen auseinandergesetzt hat und vor diesem Hintergrund die Sicherheits- und Versorgungslage in Nangarhar beurteilt und auch die Situation der Familie des Revisionswerbers in Afghanistan sowie dessen individuelle Rückkehrsituation in seine Entscheidung miteinbezogen hat. Insbesondere zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen, das auf diese Erwägungen nicht eingeht, nicht auf, dass das BVwG weitere Ermittlungen hätte tätigen müssen.
16 Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht, eine im Revisionsverfahren aufzugreifende Fehlbeurteilung des BVwG zur Frage des subsidiären Schutzes darzutun.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 16. Juni 2025