Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Schartner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Theresa Stüger, über die Revision des A A, vertreten durch Mag. Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in Linz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2025, W220 2285507 1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 1. Juni 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen damit begründete, dass sein Vater von den Taliban bedroht werde, weshalb die ganze Familie in Gefahr sei.
2 Mit Bescheid vom 27. Dezember 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nach § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte es mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision mit näheren Ausführungen gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG im Zusammenhang mit der Abweisung seines Antrags auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten. Das BVwG habe den Ergebnissen der Erstbefragung vor dem BFA ein unverhältnismäßig hohes Gewicht beigemessen und sei zu Unrecht von einer Steigerung des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers ausgegangen. Es habe zudem verkannt, dass die Familie des Revisionswerbers im Iran lebe und er deshalb über kein familiäres Netzwerk in Afghanistan verfüge.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch festgehalten, dass die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. VwGH 16.6.2025, Ra 2025/14/0124, mwN).
9 Richtig ist zwar, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben hat, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. erneut VwGH 16.6.2025, Ra 2025/14/0124, mwN).
10 Das BVwG verschaffte sich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck des Revisionswerbers und setzte sich ausführlich mit dessen Fluchtvorbringen auseinander. Es stützte sich in seiner Beweiswürdigung nicht bloß auf unterschiedliche Angaben des Revisionswerbers zwischen der Erstbefragung und den folgenden Vernehmungen, sondern darüber hinaus auf zahlreiche zusätzliche Erwägungen. So bezog es die in der Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Aspekte in die Beweiswürdigung ebenso mit ein wie auch die aktuellen Länderberichte, setzte sich mit den teils vagen Ausführungen des Revisionswerbers auseinander und zeigte zahlreiche nicht nur die Ergebnisse der Erstbefragung betreffende Widersprüche in seinem Vorbringen auf.
11 Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG in ihrer Gesamtheit unvertretbar wären, vermag der Revisionswerber, der in erster Linie seine eigenen beweiswürdigenden Überlegungen an die Stelle des BVwG gesetzt wissen möchte, nicht darzutun, zumal es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf ankommt, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 19.2.2025, Ra 2025/14/0010, mwN).
12 Entgegen der Zulässigkeitsbegründung des Revisionswerbers erweist sich auch die Beweiswürdigung des BVwG hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als vertretbar. Anders als in der Revision insinuiert, stellte das BVwG fest, dass die Kernfamilie des Revisionswerbers derzeit im Iran lebe, ging aber aufgrund der in Afghanistan lebenden Onkeln und Tanten (sowie deren Familien) sowie der dort lebenden Großmutter des Revisionswerbers vertretbar vom Bestehen eines familiären Netzwerkes in Afghanistan aus. Zudem verfüge die gut situierte Kernfamilie noch über ihr Eigentumshaus und mehrere bewirtschaftete Grundstücke im Heimatdorf des Revisionswerbers in der Provinz Baghlan und habe der Revisionswerber Zugang zu diesen. Soweit in der Revision im Übrigen ohne konkreten Fallbezug aus Länderberichten zitiert wird, gelingt es ihr nicht, eine im Revisionsverfahren aufzugreifende Fehlbeurteilung des BVwG zur Frage des subsidiären Schutzes darzutun.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 31. Juli 2025