Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Doblinger sowie den Hofrat Mag. Feiel und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, in der Revisionssache der Disziplinarkommission für Gemeindebeamtinnen und Gemeindebeamte beim Amt der Burgenländischen Landesregierung, vertreten durch die hba Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 21. Jänner 2025, E 226/08/2024.004/006, betreffend Suspendierung (weitere Partei: Burgenländische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Dr. in Simone Metz, LL.M., Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Das Land Burgenland hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Die Disziplinarkommission für Gemeindebeamtinnen und Gemeindebeamte beim Amt der Burgenländischen Landesregierung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht; nunmehr: revisionswerbende Partei) sprach mit dem am 18. Juli 2024 beschlossenen Bescheid die Suspendierung des Mitbeteiligten nach § 128 Abs. 3 Burgenländisches Landesbeamten-Dienstrechtsgesetz 1997 (LBDG 1997) aus.
2 Mit Erkenntnis vom 21. Jänner 2025 gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland der vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde Folge; es behob diesen Bescheid und sprach aus, dass der Mitbeteiligte nicht suspendiert werde.
Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte es für nicht zulässig.
3 Gegen dieses Erkenntnis brachten die rechtsanwaltlichen Revisionsvertreter eine außerordentliche Revision namens der revisionswerbenden Partei ein.
4 In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung, in der vor einem Eingehen in die Sache die Rechtzeitigkeit der Revision und deren wirksame Erhebung bestritten wurden. Letzteres zusammengefasst mit dem Vorbringen, dass zwischen der Zustellung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und der Revisionserhebung keine Sitzung der revisionswerbenden Partei stattgefunden habe, die als Kollegialbehörde eine Beauftragung und Bevollmächtigung einer Rechtsanwaltskanzlei vorab zu beschließen habe.
5 Über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes, die wirksame Bevollmächtigung und Beauftragung, Beschlussfassung über die Revisionserhebung durch die revisionswerbende Partei nachzuweisen, gegebenenfalls bekanntzugeben, aus welchen Erwägungen eine wirksame Revisionserhebung ohne Senatsbeschluss für rechtlich zulässig erachtet werde, wurden zunächst zwei E-Mails der Vorsitzenden der revisionswerbenden Disziplinarkommission an die vertretende Rechtsanwaltskanzlei vorgelegt.
6 Die E-Mails vom 20. Februar 2025 bzw. 14. März 2025 haben (auszugsweise) folgenden Inhalt (ohne die im Original vorgenommenen Hervorhebungen; Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
„...
Bezugnehmend auf unser Gespräch vom 14. D 2025 in der Disziplinarangelegenheit [Mitbeteiligter] und auf die in dieser Angelegenheit ergangene Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland, Zl: ..., vom 21.01.2025, betreffend die Suspendierung vom Dienst des [Mitbeteiligten] soll eine außerordentliche Revision erhoben werden.
Diesbezüglich darf ich, als Senatsvorsitzende der Disziplinarkommission für die Gemeindebeamtinnen und Gemeindebeamten beim Amt der Burgenländischen Landesregierung, Ihre Rechtsanwaltskanzlei mit der Erstellung einer Revision beauftragen.
...“
„...
Vielen Dank für den gegenständlichen Entwurf der außerordentlichen Revision samt Antrag auf aufschiebende Wirkung!
Von unserer Seite wird der Entwurf zustimmend zur Kenntnis genommen und um rechtzeitige Weiterleitung ersucht.
...“
7 Darüber hinaus brachte die revisionswerbende Partei unter Vorlage des Beratungsprotokolls vom 18. E 2024 vor, dass eine weitere schriftliche Beschlussfassung der Disziplinarkommission über die Revisionserhebung nicht erforderlich gewesen sei, weil sie in ihrer Sitzung vom 18. E 2024 einstimmig die Suspendierung des Mitbeteiligten beschlossen habe. Die Einbringung der Revision sei in unmittelbarem Zusammenhang mit der Umsetzung dieser einhelligen Beschlussfassung zu sehen. Die Revisionserhebung diene der Umsetzung des ursprünglichen Beschlusses und sei daher von diesem gedeckt. Der Wille zur Weiterverfolgung der Maßnahme sei bereits mit dem ursprünglichen Beschluss klar erkennbar gewesen.
8 Dieses Vorgehen entspreche zudem der bisherigen Praxis der revisionswerbenden Partei. In vergleichbaren Verfahren sei in der Vergangenheit regelmäßig so vorgegangen worden, dass die Vorsitzende nach außen hin tätig geworden sei und die Erhebung von Rechtsmitteln veranlasst habe, ohne dass ein (weiterer) Senatsbeschluss zur Revisionserhebung gefasst worden sei. Diese Vorgangsweise sei von der revisionswerbenden Partei bisher ausdrücklich mitgetragen und akzeptiert worden. In der Beschlussfassung über die Suspendierung sei daher auch eine entsprechende Bevollmächtigung der Vorsitzenden zu erblicken.
9 Darüber hinaus bestünden keine Verfahrensvorschriften, die in einem solchen Fall eine gesonderte Beschlussfassung über eine Revisionserhebung verlangten. Die maßgeblichen Regelungen (§ 18 Gemeindebedienstetengesetz 1971 und §§ 116 ff LBDG 1997 iVm § 3 Abs. 1 Gemeindebedienstetengesetz 1971) sähen keine zusätzliche formale Voraussetzung vor, wenn die Revisionserhebung lediglich der Durchsetzung einer bereits beschlossenen Maßnahme diene. Die bisherige Handhabung stehe damit auch im Einklang mit den geltenden Bestimmungen.
10 Die Revision erweist sich als unzulässig:
11 Das Gemeindebedienstetengesetz 1971, LGBl. für das Burgenland Nr. 13/1972 in der hier noch maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 34/2024 lautete (auszugsweise):
„§ 3
Anwendung anderer landesgesetzlicher Vorschriften
(1) Soweit dieser Teil des Gesetzes nicht anderes bestimmt, sind auf die Gemeindebeamtinnen und Gemeindebeamten die für das Dienstrecht, einschließlich des Besoldungs- und Pensionsrechtes der Landesbeamtinnen und Landesbeamten maßgebenden Gesetze in der jeweils geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden.
[...]
§ 18
Disziplinarkommission für Gemeindebeamtinnen und Gemeindebeamte
(1) Zur Durchführung des Disziplinarverfahrens gegen Gemeindebeamtinnen und Gemeindebeamte wird beim Amt der Landesregierung eine Disziplinarkommission eingesetzt. Diese besteht aus
1. der oder dem Vorsitzenden oder deren oder dessen Stellvertreterin oder Stellvertreter,
2. der Leiterin oder dem Leiter der Bezirkshauptmannschaft, in deren Amtsbereich sich der Dienstort der oder des Beschuldigten befindet, oder deren oder dessen Stellvertreterin oder Stellvertreter,
3. zwei Bürgermeisterinnen oder Bürgermeistern,
4. zwei Gemeindebeamtinnen oder Gemeindebeamten, die Leiterinnen oder Leiter von Gemeindeämtern sind.
[...]“
12 § 116 Burgenländisches Landesbeamten-Dienstrechtsgesetz 1997 (LBDG 1997), LGBl. Nr. 17/1998 in der noch maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 39/2012 lautete (auszugsweise):
„§ 116
Disziplinarkommission
[...]
(2) Die Disziplinarkommission entscheidet in Senaten. [...]
[...]“
13 Nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B VG kann die belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts Revision wegen Rechtswidrigkeit erheben.
14 Die hier revisionswerbende Disziplinarkommission ist ein Kollegialorgan, das nach § 3 Abs. 1 Gemeindebedienstetengesetz 1971 in Verbindung mit § 116 Abs. 2 erster Satz LBDG 1997 in Senaten entscheidet. Eine davon abweichende Vorschrift, wonach der Vorsitzenden des Senates eine Revisionserhebung nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B VG obliegen würde, besteht nicht.
15 Nach der auch im Revisionsverfahren relevanten ständigen Rechtsprechung sowohl des Verwaltungsgerichtshofes als auch des Verfassungsgerichtshofes hat ein Kollegialorgan die Beschwerdeerhebung innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist zu beschließen und kann sich nicht auf eine Beschlussfassung vor Zustellung der angefochtenen Entscheidung oder nach Ablauf der Beschwerdefrist berufen (vgl. VwGH 13.12.1979, 3226/78, VwSlg. 9989 A; VfGH 7.6.2006, B 226/05, VfSlg. 17.834, jeweils mwN; siehe ferner VwGH 31.7.2014, Ro 2014/02/0058, u.a., zum Revisionsverfahren).
16 Die von der revisionswerbenden Partei vorgetragene Argumentation, dass im vorliegenden Fall der Beschluss über die Revisionserhebung bereits in dem vom Senat über die Suspendierung gefassten Beschluss gelegen wäre, verfängt daher nicht. Derartiges ist auch weder dem Beschluss selbst noch dem dazu vorgelegten Beratungsprotokoll zu entnehmen (vgl. ein solches Vorbringen verwerfend auch VfGH 29.9.2008, B 1363/08, VfSlg. 18.565).
17 Abgesehen davon, dass eine von den Vorschriften abweichende „gelebte Praxis“ eine rechtlich gebotene Beschlussfassung durch den Senat nicht zu ersetzen vermag, lässt sich dem vorgelegten Beratungsprotokoll gerade nicht entnehmen, dass diese Vorgangsweise von der revisionswerbenden Partei „mitgetragen“ worden wäre. So wurde im Protokoll zu einer von der revisionswerbenden Partei in einem anderen Verfahren erhobenen Revision festgehalten, dass die einschreitende Rechtsanwaltskanzlei von der Disziplinaranwältin umgehend darüber informiert werden solle, dass die Revisionswerberin richtigerweise „die Disziplinaranwältin“ zu lauten habe.
18 Die nicht durch eine kollegiale Beschlussfassung der Disziplinarkommission für Gemeindebeamtinnen und Gemeindebeamte beim Amt der Burgenländischen Landesregierung gedeckte Revision war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen.
19 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 47 Abs. 3 und § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Juli 2025