Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin sowie den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des A S, vertreten durch Mag. a Dr. in Jasmine Senk, Rechtsanwältin in Linz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2025, L517 2307210 1/15E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Linz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 38 iVm § 10 AlVG aus, dass der Revisionswerber ab dem 29. Oktober 2024 für „24 Bezugstage“ seinen Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe.
2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber seit Mai 2009 abgesehen von kurzen UnterbrechungenNotstandshilfe beziehe. In den Jahren 2017 bis 2024 seien mehrfach Ausschlussfristen nach § 10 AlVG gegen den Revisionswerber verhängt worden. Am 6. Juni 2024 habe das AMS dem Revisionswerber eine Vollzeitbeschäftigung verbindlich angeboten. Die Bewerbung habe laut Vermittlungsvorschlag an eine näher bezeichnete E Mail Adresse oder telefonisch unter der am Vermittlungsvorschlag angegebenen Nummer zu erfolgen gehabt. Das Stellenangebot sei dem Revisionswerber am 10. Juni 2024 nachweislich zugestellt worden. Am 14. Juni 2024 habe die potentielle Dienstgeberin dem AMS mitgeteilt, dass sich der Revisionswerber noch nicht beworben habe und auch nicht erreichbar gewesen sei, woraufhin eine E Mail an den Revisionswerber gesendet worden sei. Der Revisionswerber habe am 14. Juni 2024 einen Lebenslauf an die E Mail Adresse des Geschäftsführers der potentiellen Dienstgeberin übermittelt. Die Leiterin der Recruiting Abteilung habe diesen Lebenslauf am 25. Juni 2024 erhalten. Die E Mail des Revisionswerbers an den Geschäftsführer enthalte weder einen Betreff noch einen sonstigen Hinweis auf das Stellenangebot des AMS vom 6. Juni 2024. Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht zustande gekommen. An die potentielle Dienstgeberin gerichtete Bewerbungsunterlagen bezüglich des Stellenangebots vom 6. Juni 2024 seien vom Revisionswerber im Verfahren nicht vorgelegt worden.
3 Beweiswürdigend hielt das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst fest, aus dem Umstand, dass der Revisionswerber erst nach Aufforderung der potentiellen Dienstgeberin den Lebenslauf übermittelt und diesen nicht an die im Stellenangebot ausgewiesene E Mail Adresse gerichtet habe, ergebe sich, dass der Revisionswerber keinerlei Interesse an der ausgeschriebenen Stelle habe. Er habe seine Energie vielmehr dafür eingesetzt, die E Mail Adresse des Geschäftsführers ausfindig zu machen, um an diesen seinen Lebenslauf ohne entsprechendes Begleitschreiben oder Bezugnahme auf die angebotene Stelle zu übermitteln. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Geschäftsführer, der nicht in das Aufnahmeverfahren involviert sei, für das es im Betrieb eine eigene Abteilung gebe, der falsche Adressat sei. Der Revisionswerber verfolge offensichtlich die Absicht, bewusst den Bewerbungsprozess zu verschleppen, und wolle gleichzeitig den Eindruck erwecken, sich ordnungsgemäß beworben zu haben.
4 In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgerichtnach Wiedergabe der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Tatbestand der Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG aus, das vom AMS vorgeschlagene Stellenprofil weise keine Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit der Stelle auf und habe den Kenntnissen und Fähigkeiten des Revisionswerbers entsprochen. Der Revisionswerber habe mehrere Vereitelungshandlungen gesetzt, indem er nach Erhalt des Stellenangebots am 10. Juni 2024 seinen Lebenslauf erst am 14. Juni 2024 nach Aufforderung durch die potentielle Dienstgeberin am 12. Juni 2024 kommentarlos an eine E Mail Adresse übermittelt habe, die er über das Internet ausfindig gemacht habe, obwohl im Stellenangebot explizit angegeben gewesen sei, dass die Bewerbung per E Mail an eine näher bezeichnete Adresse zu richten sei. Diese Adresse sei dem Revisionswerber auch auf Grund der Nachricht der Leiterin der Recruiting Abteilung vom 12. Juni 2024 bekannt gewesen. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne eine erst vier Tage nach Erhalt des Stellenangebots erfolgte Übermittlung eines Lebenslaufs, der letztlich erst am 25. Juni 2024 bei der zuständigen Stelle eingelangt sei, nicht als unverzügliche Handlung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes qualifiziert werden. Die Vorgangsweise des Revisionswerbers zeige deutlich, dass es sich um einen Versuch handle, den Anschein einer ordnungsgemäßen Bewerbung zu erwecken. Eine solche sei jedoch nicht erfolgt.
5 Auf Grund der langjährigen Erfahrung des Revisionswerbers bei der Arbeitssuche hätte für ihn klar sein müssen, dass die Bewerbung an die im Stellenangebot angegebene E Mail Adresse, durch welche er auch am 12. Juni 2024 zur Übermittlung seines Lebenslaufs aufgefordert worden sei, zu richten gewesen sei. Das Vorgehen des Revisionswerbers erwecke den Eindruck, er habe nicht irrtümlich, sondern bewusst eine andere E Mail Adresse ausgewählt und auch bewusst keine konkreten Daten in Bezug auf das Stellenangebot übermittelt, damit die E Mail nicht zugeordnet werden könne. Dies sei auch der Fall gewesen, weil die E Mail erst am 25. Juni 2024 an die zuständige Person gelangt sei. Statt bei der am 12. Juni 2024 erhaltenen E Mail auf „Antworten“ zu klicken und die erforderlichen Unterlagen zu übermitteln, habe sich der Revisionswerber die Mühe gemacht, im Internet die Homepage des Unternehmens aufzurufen, um von dort eine E Mail Adresse des Geschäftsführers zu übernehmen. Aus dem Akt gehe nicht hervor, dass sich der Revisionswerber nach Übermittlung der E Mail nach dem Stand des Bewerbungsverfahrens erkundigt habe, obwohl im Stellenangebot auch eine Telefonnummer angegeben gewesen sei. Dies lasse auf ein völliges Desinteresse hinsichtlich der Aufnahme der angebotenen Beschäftigung schließen. Demnach sei zu keinem Zeitpunkt eine ordnungsgemäße Bewerbung des Revisionswerbers für die vom AMS angebotene Stelle vorgelegen. Die Übermittlung eines Lebenslaufs an eine nicht für Bewerbungen zuständige Person, unter Missachtung der im Stellenangebot angegebenen E Mail Adresse und ohne Anschreiben oder konkrete Bezeichnung der Stelle sei keine ordnungsgemäße Bewerbung (Hinweis auf VwGH 10.4.2013, 2012/08/0135). Das Verhalten des Revisionswerbers sei einem Unterlassen jeglicher Bewerbungsschritte gleichzuhalten.
6Dem Revisionswerber sei bedingter Vorsatz vorzuwerfen, weil er durch die verspätete und kommentarlose Übermittlung des Lebenslaufs an eine unzuständige Person in Kauf genommen habe, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht zustande komme. Es liege daher der für den Ausspruch des Verlusts der Notstandshilfe erforderliche Vorsatz vor. Aus dem Gesamtverhalten des Revisionswerbers ergebe sich, dass es ihm an einem entsprechenden Willen und der Bereitschaft fehle, eine ihm zugewiesene, zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Das Verhalten des Revisionswerbers sei nicht nur dazu geeignet, sondern auch ursächlich dafür gewesen, das Zustandekommen der konkreten Beschäftigung zu verhindern. Der Revisionswerber habe durch sein Verhalten mehrfach den Tatbestand der Vereitelung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verwirklicht.
7 Von der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sah das Bundesverwaltungsgericht ab, weil der maßgebliche Sachverhalt durch die Aktenlage hinreichend geklärt sei.
8Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Der Revisionswerber macht unter diesem Gesichtspunkt geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe dem in der Beschwerde vom 21. November 2024 und im vorbereitenden Schriftsatz vom 31. März 2025 (gemeint wohl: 3. April 2025) gestellten Beweisantrag auf Einvernahme seiner Person nicht entsprochen. Eine solche Beweisaufnahme sei erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob der Revisionswerber eine vorsätzliche Vereitelungshandlung gesetzt habe. Die Annahme, der Revisionswerber habe den Lebenslauf bewusst an den Geschäftsführer gesendet, damit die Bewerbung nicht zugeordnet werden könne, und dadurch die Absicht verfolgt, das Bewerbungsverfahren zu verschleppen, hätte das Bundesverwaltungsgericht nicht treffen dürfen, ohne den Revisionswerber dazu zu befragen und sich einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen. Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts stehe im Widerspruch zum Prozessvorbringen des Revisionswerbers, er habe irrtümlich die falsche E Mail Adresse verwendet. Wäre der Revisionswerber einvernommen worden, hätte sich ergeben, dass er nur den Lebenslauf übermittelt habe, weil andere Unterlagen von der Mitarbeiterin nicht gefordert worden seien. Im Zuge der Einvernahme hätte er auch vorgebracht, dass auf der Website der potentiellen Dienstgeberin, die er aus Interesse am Unternehmen aufgerufen habe, die Kontaktadressen mehrerer Personen, darunter auch jene des Geschäftsführers, angeführt gewesen seien und der Revisionswerber seinen Lebenslauf deshalb an diese Adresse gesandt habe. Die Handlung des Revisionswerbers hätte in Kontext gesetzt werden können und wäre nicht als Vereitelung eingestuft worden. Die Voraussetzungen für das Absehen von der beantragten Beschwerdeverhandlung seien im Hinblick auf die zu klärenden Tatfragen nicht vorgelegen.
13 Der Revisionswerber hat aber im gesamten Verfahren nicht bestritten, dass er nach Erhalt des Stellenangebots am 10. Juni 2024 und (erst) nach Nachfrage durch den potentiellen Dienstgeber am 12. Juni 2024 seinen Lebenslauf am 14. Juni 2024 an die E Mail Adresse des Geschäftsführers des potentiellen Dienstgebers statt an die im Vermittlungsvorschlag angeführte und auch bei der Nachfrage verwendete E Mail Adresse übermittelt hat und dass diese Übermittlung weder einen Begleittext noch irgendeine Bezugnahme auf die angebotene Stelle enthalten hat.
14Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung eine Vereitelung im Sinn des § 10 AlVG bereits darin erkannt, dass eine arbeitslose Person die im Stellenangebot vom potentiellen Dienstgeber geforderte Form der Bewerbung nicht eingehalten hat (vgl. VwGH 18.6.2014, 2012/08/0187; vgl. auch VwGH 7.12.2022, Ra 2019/08/0075) oder nicht sämtliche im Stellenangebot angeführten Bewerbungsunterlagen in der vorgeschriebenen Übermittlungsart an den potentiellen Dienstgeber gerichtet hat (vgl. VwGH 10.4.2013, 2012/08/0135). Ebenso wurde eine Vereitelung darin gesehen, dass eine arbeitslose Person die bloß allgemein gehaltene und nicht auf die konkret angebotene Stelle bezugnehmende Bewerbung an die Muttergesellschaft der potentiellen Dienstgeberin somit ein anderes Unternehmengerichtet hatte, weil sich damit die Chancen auf das Zustandekommen der Beschäftigung zumindest verringerten (vgl. VwGH 5.6.2025, Ra 2025/08/0054). Im Zusammenhang mit Aussagen, die den Eindruck erweckten, die arbeitslose Person sei an der Aufnahme der angebotenen Stelle nicht interessiert, betonte der Gerichtshof außerdem, dass die arbeitslose Person die Verpflichtung trifft, sich um die zugewiesene Stelle auf eine solche Art zu bewerben, welche einen potentiellen Dienstgeber nicht von vornherein von der Einstellung abhält (vgl. VwGH 16.2.1999, 97/08/0572; 26.1.2000, 98/08/0266).
15 Mit Blick auf diese Rechtsprechung vermögen die oben genannten unstrittigen Umstände Bewerbung an die falsche E Mail Adresse trotz Nachfrage von der laut Angebot zu verwendenden E Mail Adresse sowie Fehlen nicht nur eines Anschreibens, sondern jeder Bezugnahme auf das Stellenangebot schon für sich genommen die Schlussfolgerung zu tragen, der Revisionswerber habe eine Vereitelungshandlung gesetzt, indem er das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses auf Grund seines Verhaltens zumindest im Sinn eines bedingten Vorsatzes in Kauf genommen habe. Eine „Absicht“, das Bewerbungsverfahren zu verschleppen, konnte aus den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zwar nicht ohne weiteres abgeleitet werden, ist aber für die Bejahung einer Vereitelung auch nicht erforderlich.
16Vor diesem Hintergrund gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass die Annahme eines geklärten (entscheidungserheblichen) Sachverhalts im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG und das darauf gegründete Absehen von der Beschwerdeverhandlung samt Einvernahme des Revisionswerbers durch das Bundesverwaltungsgericht unvertretbar waren.
17 Soweit die Revision noch vorbringt, das angefochtene Erkenntnis enthalte lediglich dislozierte Feststellungen hinsichtlich des dem Revisionswerber zur Last gelegten Vorsatzes, wird ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt. Dem angefochtenen Erkenntnis ist nämlich auch hinsichtlich der subjektiven Komponente mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, von welchem Sachverhalt das Bundesverwaltungsgericht aufgrund welcher beweiswürdigenden Erwägungen ausgeht und auf Grund welcher Feststellungen es zur Ansicht gelangt ist, der Revisionswerber habe das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses vereitelt.
18 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 25. August 2025