JudikaturVwGH

Ra 2025/01/0099 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
05. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, über die Revision der Landespolizeidirektion Wien gegen das am 10. Februar 2025 mündlich verkündete und am 20. Februar 2025 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW 102/076/13821/2024 23, betreffend Betretungs und Annäherungsverbot nach § 38a SPG (mitbeteiligte Partei: Mag. S S, vertreten durch Mag. Niki Zaar, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Babenbergerstraße 9/8), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) der Maßnahmenbeschwerde der Mitbeteiligten Folge und erklärte das gegenüber dieser „am 09.09.2024, um 08:30 Uhr, ausgesprochene Betretungs und Annäherungsverbot gemäß § 38a SPG durch ein Organ der Landespolizeidirektion Wien“ für rechtswidrig (Spruchpunkt 1.), verpflichtete den Bund zu näher bezeichnetem Aufwandersatz (Spruchpunkt 2.) und sprach aus, dass eine Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).

2 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorzubringenden Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe nach § 28 Abs. 3 VwGG wird insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) darstellen oder wie im vorliegenden Fall das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinne der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. etwa VwGH 19.3.2025, Ra 2025/01/0052, Rn. 5, mwN).

7 Abgesehen davon, dass sich die Amtsrevision bereits aus diesem Grund als unzulässig erweist, sei soweit das Zulässigkeitsvorbringen in detaillierten Ausführungen zunächst die konkreten Umstände des vorliegenden Falles thematisiert Folgendes bemerkt:

8 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalls vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. im Zusammenhang mit einem Betretungs und Annäherungsverbot nach § 38a SPG erneut VwGH 19.3.2025, Ra 2025/01/0052, Rn. 7, mwN).

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Betretungsverbot (mit dem seit der SPG Novelle BGBl. I Nr. 105/2019 auch ein Annäherungsverbot verbunden ist) an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen (Vorfälle) anzunehmen ist, ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person stehe bevor. Welche Tatsachen als solche im Sinne des § 38a SPG in Frage kommen, sagt das Gesetz nicht (ausdrücklich). Diese Tatsachen müssen (auf Grund bekannter Vorfälle) die Annahme rechtfertigen, dass plausibel und nachvollziehbar bestimmte künftige Verhaltensweisen zu erwarten sein werden. Auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch die gefährdende Person bevorstehe. Dabei (bei dieser Prognose) ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen.

Das Verwaltungsgericht hat somit die Rechtmäßigkeit eines gemäß § 38a SPG angeordneten Betretungs und Annäherungsverbots im Sinne einer objektiven ex ante Betrachtung aus dem Blickwinkel der eingeschrittenen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zum Zeitpunkt ihres Einschreitens zu prüfen. Dabei hat es zu beurteilen, ob die eingeschrittenen Organe entsprechend der dargelegten Grundsätze vertretbar annehmen konnten, dass ein von der gefährdenden Person ausgehender gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht (vgl. erneut zum Ganzen etwa VwGH 19.3.2025, Ra 2025/01/0052, Rn. 8, mwN).

10 Soweit die belangte Behörde im Zulässigkeitsvorbringen ihrer Amtsrevision umfassend auf die tatsächlichen Umstände des vorliegenden Einzelfalls Bezug nimmt, ist sie darauf zu verweisen, dass die Thematisierung von „konkreten Umständen“ des Einzelfalls in derartigen Konstellationen abgesehen von einer krassen bzw. unvertretbaren Fehlbeurteilung des Einzelfalls nicht revisibel ist (vgl. abermals VwGH 19.3.2025, Ra 2025/01/0052, Rn. 9, mwN).

11 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. Mai 2025

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