Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Zettl, über die Revision des D K, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. Februar 2024, Zl. VGW 151/074/13570/2023 10, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens iA Aufenthaltskarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 19. September 2023 nahm der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) das betreffend einen Antrag des Revisionswerbers, eines nordmazedonischen Staatsangehörigen, vom 16. November 2017 auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte rechtskräftig positiv abgeschlossene Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder auf (Spruchpunkt I.). Weiters wies die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 iVm. Abs. 7 Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück und stellte gleichzeitig fest, dass der Revisionswerber nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes falle.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 23. Februar 2024 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Unter einem wurden dem Revisionswerber bestimmte Barauslagen zum Ersatz auferlegt. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 Wie bereits die belangte Behörde gelangte auch das Verwaltungsgericht aus näher dargestellten Gründen zusammengefasst zur Auffassung, dass es sich bei der zwischen dem Revisionswerber und einer bulgarischen Staatsangehörigen geschlossenen Ehe, auf die er sich anlässlich der Beantragung der gegenständlichen Aufenthaltskarte berufen habe, um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist:
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs liegt ein „Erschleichen“ im Sinn von § 69 Abs. 1 Z 1 AVG vor, wenn die betreffende Entscheidung in einer Art zustande gekommen ist, dass die Partei gegenüber der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat oder maßgebliche Angaben unterlassen hat und der so festgestellte Sachverhalt dann der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, sofern die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen ist und ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere Erhebungen durchzuführen. Von einem „Erschleichen“ kann daher nicht gesprochen werden, wenn die Behörde es verabsäumt hat, von den ihr ohne besondere Schwierigkeiten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Sachverhaltsermittlung Gebrauch zu machen. Dem betreffenden Verfahren darf also kein ein „Erschleichen“ ausschließender relevanter Ermittlungsmangel hinsichtlich des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe anhaften (vgl. etwa VwGH 24.3.2023, Ra 2022/22/0050, mwN).
9 Dass das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere ist auf Basis der Zulässigkeitsbegründung nicht ersichtlich, dass aufgrund von konkreten Versäumnissen der belangten Behörde während des Verfahrens, in dem dem Revisionswerber die in Rede stehende Aufenthaltskarte ausgestellt wurde, das Vorliegen eines relevanten, behördlichen Ermittlungsmangels anzunehmen wäre, der der amtswegigen Wiederaufnahme des rechtskräftig positiv abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 3 AVG rechtlich entgegenstünde.
10 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgehalten, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG im Zusammenhang mit der Überprüfung der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs, nicht aber um die konkrete Richtigkeit handelt, sowie wenn es darum geht, ob die in diesem Denkvorgang gewürdigten Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. anstatt vieler VwGH 24.2.2023, Ra 2023/22/0012, mwN).
11 Fallbezogen nahm das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine ausführliche Beweiswürdigung vor und gelangte auf Basis nicht als unschlüssig zu erkennender Überlegungen zum Ergebnis, dass es sich vorliegend um eine Aufenthaltsehe gehandelt habe. Dass sich die beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die sich auf eine Vielzahl von Aspekten stützten, insgesamt als unvertretbar erwiesen, zeigt die Revision nicht auf.
12 Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Frage, ob das Verwaltungsgericht in jeder Hinsicht seiner Begründungspflicht gerecht wurde, keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG darstellt. Die Frage, ob ein Verwaltungsgericht seiner Begründungspflicht in Ansehung der Tatfrage genügt, stellt nämlich eine einzelfallbezogene Frage des Verfahrensrechtes dar, welcher nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen kann, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen (vgl. VwGH 25.4.2024, Ra 2023/11/0124, mwN). Eine Verletzung tragender Verfahrensgrundsätze legt die Revision in Bezug auf die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses jedenfalls nicht dar.
13 Da die Revision sohin keine Rechtsfragen im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG aufwirft, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 28. August 2024
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