JudikaturVwGH

Ro 2024/22/0006 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 31. Mai 2024, VGW 151/088/10726/2023 21, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: L T, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Die Mitbeteiligte, eine georgische Staatsangehörige, verfügte vom 7. Juni 2021 bis zum 7. Juni 2022 über eine „Aufenthaltsberechtigung“ sowie vom 8. Juni 2022 bis zum 8. Juni 2023 über eine „Rot Weiß Rot Karte plus“ nach § 41a Abs. 9 Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz (NAG).

2 Am 20. April 2023 stellte die Mitbeteiligte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Verlängerung dieses Aufenthaltstitels, welcher ihr mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde, Revisionswerber) vom 30. Juni 2023 mit einjähriger Gültigkeitsdauer (bis 9. Juni 2024) erteilt wurde.

3 Der lediglich wegen der einjährigen Gültigkeitsdauer des erteilten Aufenthaltstitels erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien mit dem, am 20. März 2024 mündlich verkündeten und am 31. Mai 2024 schriftlich ausgefertigten, angefochtenen Erkenntnis gemäß § 20 Abs. 1a NAG mit der Maßgabe statt, „dass der aktuelle Aufenthaltstitel [‚Rot Weiß Rot Karte plus‘] der Beschwerdeführerin [Mitbeteiligten] von 9.6.2023 bis 9.6.2026 gültig“ sei. Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.

4 Dem legte das Verwaltungsgericht zusammengefasst zu Grunde, dass die Mitbeteiligte, die von der Erfüllung der Integrationsvereinbarung befreit gewesen sei, in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei. Beim Aufenthalt der Mitbeteiligten aufgrund der „Aufenthaltsberechtigung“ gemäß § 55 AsylG 2005 handle es sich um eine Niederlassung im Sinn des NAG. Die Voraussetzungen gemäß § 20 Abs. 1a NAG seien im vorliegenden Fall erfüllt; es sei daher der Beschwerde Folge zu geben gewesen.

5 Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob eine Niederlassung im Sinn des § 20 Abs. 1a Z 2 NAG auch Zeiten eines humanitären Aufenthaltstitels nach dem AsylG 2005 umfasse.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision.

7 Das Verwaltungsgericht hat nach Durchführung des Vorverfahrens die Revision sowie den Verfahrensakt einschließlich der von der Mitbeteiligten erstatteten Revisionsbeantwortung dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

11 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, wenn er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa VwGH 24.6.2020, Ro 2020/22/0006, Rn. 6, mwN).

12 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nach Einbringung der Revision bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 20.9.2022, Ra 2022/03/0191, Rn. 9, mwN).

13 Hiervon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat mittlerweile in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 2024, Ro 2021/22/0005, auf das gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, mit näherer Begründung klargestellt, dass der Aufenthalt eines Fremden aufgrund eines nach § 55 AsylG 2005 erteilten Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (dort einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005) als Niederlassung im Sinn des § 2 Abs. 2 NAG gilt und folglich auch in die Berechnung für die Dauer der Niederlassung einzubeziehen ist.

14 Somit zeigt die Amtsrevision hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass (auch) der rechtmäßige Aufenthalt der Mitbeteiligten vom 7. Juni 2021 bis zum 7. Juni 2022 aufgrund des Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 als Niederlassung im Sinn des § 2 Abs. 2 NAG gelte, demnach die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1a NAG vorgelegen seien und der beantragte Aufenthaltstitel für die Dauer von drei Jahren zu erteilen gewesen sei, keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG auf.

15 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

16 Auch die bloß in den Revisionsgründen enthaltenen zusätzlichen Ausführungen (Hinweis auf die Überschreitung der Gültigkeitsdauer des Reisepasses der Mitbeteiligten) vermögen daran nichts zu ändern, weil für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein ihre Zulässigkeitsbegründung maßgeblich ist (vgl. etwa VwGH 13.4.2023, Ro 2021/05/0030, Rn. 16, mwN).

17 Die Revision war daher bereits aus diesen Gründen gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, ohne dass darauf eingegangen werden müsste, ob das Schreiben des Revisionswerbers vom 26. März 2024 als Revisionsverzicht zu werten ist.

18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 3. März 2025

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