Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätinnen Dr. Wiesinger und Dr. in Oswald als Richter und Richterinnen, über die Revision des M R B, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Dr. Thomas Lechner, Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das am 27. Juni 2024 mündlich verkündete und mit 30. September 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, G306 2283329 1/18E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein 1979 geborener deutscher Staatsangehöriger, hält sich seit Juni 2022 in Österreich auf. Im Oktober 2022 wurde ihm bezogen auf seine erwerbstätige deutsche Ehefrau eine Anmeldebescheinigung als Familienangehöriger ausgestellt. Er wohnt mit seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen minderjährigen Kindern (geboren 2010, 2016 und 2023), die ebenfalls deutsche Staatsangehörige sind, im gemeinsamen Haushalt. Der Revisionswerber war nur im Oktober 2023 für vier Tage als Arbeiter berufstätig; danach bezog er Kinderbetreuungsgeld.
2 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 22. August 2023 wurde der Revisionswerber wegen gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 148 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt nachgesehen, verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, der Revisionswerber habe gemeinsam mit seiner Ehefrau im Zeitraum von 3. November 2022 bis 5. Mai 2023 unter wahrheitswidriger Vorgabe ihrer Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit sowie unter Benützung falscher Lohn und Gehaltsabrechnungen und falscher Screenshots über bereits erfolgte Anzahlungen bzw. falscher Überweisungsbestätigungen einerseits Mitarbeiter von Banken zur Auszahlung von Darlehen in der Höhe von € 20.299,-- sowie von € 91.992,-- im Hinblick auf den Ankauf zweier PKW und andererseits Inhaber von Autohäusern zur Überlassung dieser beiden PKW sowie zur Überlassung eines weiteren PKW im Wert von € 43.980,-- verleitet. Der Revisionswerber wurde deshalb am 5. Mai 2023 festgenommen und es wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Aus dem Vollzug des unbedingten Strafteils wurde er am 5. September 2023 bedingt entlassen.
3 Das Landesgericht Innsbruck verhängte über den Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil vom 24. April 2024 dann noch eine bedingt nachgesehene Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten wegen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB. Dem lag der Tatvorwurf zugrunde, der Revisionswerber habe gemeinsam mit seiner Ehefrau am 8. Mai 2023, sohin während er sich bereits in Untersuchungshaft befand, Verantwortliche einer Bank durch die wahrheitswidrige Vorgabe ihrer Rückzahlungswilligkeit und Rückzahlungsfähigkeit zur Auszahlung eines Darlehens zur Finanzierung eines Leasingvertrages betreffend einen PKW verleitet, wodurch der Bank ein Vermögensschaden in Höhe von € 45.098,07 entstanden sei. Bei der Strafbemessung wurde (unter anderem) „die Fortsetzung der strafbaren Handlungen trotz behängenden Strafverfahrens“ als erschwerend gewertet.
4 Mit Bescheid vom 16. November 2023 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot und erteilte ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat. Mit Bescheid vom selben Tag wurde auch gegen die Ehefrau des Revisionswerbers ein ebenfalls auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Folge mit Erkenntnis vom 12. August 2024 nicht statt (siehe dazu den die dagegen erhobene außerordentliche Revision zurückweisenden Beschluss VwGH 27.2.2025, Ra 2024/21/0175).
5 Die gegen den Bescheid des BFA vom 16. November 2023 erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das BVwG mit dem angefochtenen, in der mündlichen Verhandlung am 27. Juni 2024 verkündeten und mit 30. September 2024 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 In dieser Hinsicht wendet sich der Revisionswerber gegen die vom BVwG vorgenommene Gefährdungsprognose sowie gegen die durchgeführte Interessenabwägung. Dazu wird zusammengefasst vorgebracht, das BVwG sei zu Unrecht von zwei Verurteilungen des Revisionswerbers und einem einschlägigen Rückfall ausgegangen, sei mit dem zweiten Urteil doch lediglich eine Zusatzstrafe verhängt worden. Außerdem habe das BVwG das reumütige Geständnis des Revisionswerbers, dessen teilweise Schadensgutmachung und das erstmalige Verspüren des „Haftübels“ sowie die zur Gänze bedingte Nachsicht der über ihn verhängten Zusatzstrafe nicht berücksichtigt. Bei der Interessenabwägung habe sich das BVwG nicht hinreichend mit dem Wohl der minderjährigen Kinder des Revisionswerbers insbesondere im Hinblick auf das älteste, im Jahr 2010 geborene Kind, in dessen Alter sich ein Herausreißen aus dem gewohnten Umfeld massiv nachteilig auswirken könne auseinandergesetzt.
10 Mit diesem Vorbringen wird aber nicht aufgezeigt, dass dem Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Gefährdungsprognose nach dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Maßstab des § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG (tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt) oder in Bezug auf die gemäß § 9 BFA VG durchgeführte Interessenabwägung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender, für das Ergebnis der Entscheidung relevanter Fehler unterlaufen wäre.
11 So ging das BVwG im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 22.2.2024, Ra 2022/21/0060, Rn. 14, mwN) zunächst zu Recht davon aus, dass im Rahmen der Gefährdungsprognose das Fehlverhalten eines Fremden und die daraus abzuleitende Gefährlichkeit ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts, also unabhängig von gerichtlichen Erwägungen über bedingte Strafnachsichten oder eine bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug, zu beurteilen ist. Das BVwG durfte entgegen dem Revisionsvorbringen bei der Gefährdungsprognose auch einen „einschlägigen Rückfall“ des Revisionswerbers insofern ins Kalkül ziehen, als es im Sinne des auch vom Strafgericht herangezogenen Erschwerungsgrundes nachteilig berücksichtigte, dass die Tatbegehung trotz Wissens von dem gegen ihn (und seine Ehefrau) geführten Strafverfahren (plangemäß) fortgesetzt wurde.
12 In der Revision wird im Zusammenhang mit der Gefährdungsprognose noch ins Treffen geführt, dass die vom BVwG ergänzend auch angesprochenen neuerlichen Eintragungen im kriminalpolizeilichen Aktenindex nach der Entlassung des Revisionswerbers aus der Strafhaft „offensichtlich keine neuen Sachverhalte“, sondern Anzeigen im Zusammenhang mit den dem Urteil vom 24. April 2024 (siehe oben Rn. 3) zugrundeliegenden Taten betreffen würden. Dieses Vorbringen zeigt aber schon deswegen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil dieses zusätzliche Argument des BVwG keinen tragenden Begründungsteil darstellt und überdies nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich nach dem Vollzug einer Haftstrafe in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. erneut VwGH 22.2.2024, Ra 2022/21/0060, nunmehr Rn. 15, mwN). Schon angesichts der vom BVwG festgestellten und vom Revisionswerber nicht bestrittenen, von hoher krimineller Energie gekennzeichneten Tatumstände (wiederholte Täuschung von Banken und Autohäusern unter Verwendung verfälschter Lohn und Gehaltsabrechnungen sowie falscher Screenshots und Bestätigungen über angeblich erfolgte Überweisungen zur Überwindung von „Geldnot“) war nach diesem Maßstab ein Wohlverhaltenszeitraum ab der (bedingten) Entlassung des Revisionswerbers aus der Strafhaft am 5. September 2023 bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses am 27. Juni 2024 jedenfalls nicht als ausreichend anzusehen, um einen Wegfall oder auch nur eine maßgebliche Minderung der Gefährdung annehmen zu dürfen.
13 Was die vom Revisionswerber gerügte mangelnde Berücksichtigung des Kindeswohls bei der nach § 9 BFA VG durchgeführte Interessenabwägung betrifft, so ist zu erwidern, dass das BVwG auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen hat. Angesichts des auch gegen die Kindesmutter rechtskräftig erlassenen Aufenthaltsverbotes (siehe dazu den schon erwähnten Beschluss VwGH 27.2.2025, Ra 2024/21/0175) durfte es davon ausgehen, dass keine Trennung der Kinder von den Eltern zu befürchten sei. Auch die Beurteilung des BVwG, dass den beiden älteren Kindern als deutsche Staatsangehörige vor dem Hintergrund der bloß kurzen Aufenthaltsdauer von nur zwei Jahren in Österreich ein erneuter Besuch einer Schule in Deutschland zumutbar sei, ist jedenfalls nicht zu beanstanden. Durch einen Schulwechsel allenfalls bewirkte Nachteile sind im großen öffentlichen Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen die Eltern hinzunehmen.
14 Soweit in der Revision mit näherer Begründung noch gerügt wird, die vom BVwG durchgeführte mündliche Verhandlung habe zu Unrecht in Abwesenheit des Revisionswerbers und ohne zeugenschaftliche Einvernahme seiner Ehefrau stattgefunden, genügt es darauf hinzuweisen, dass es darauf nicht entscheidungswesentlich ankommt. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Verhandlung und damit auch die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausnahmsweise dann entfallen, wenn ein eindeutiger Fall vorliegt (vgl. etwa VwGH 8.11.2022, Ra 2022/21/0105, Rn. 17, mwN). Nach diesem Maßstab wäre fallbezogen angesichts der festgestellten strafrechtlichen Delinquenz des Revisionswerbers, seiner kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich sowie des Umstandes, dass es durch das erlassene Aufenthaltsverbot zu keiner Trennung von Familienangehörigen kommt, sogar der ausnahmsweise Entfall einer mündlichen Verhandlung in Betracht gekommen. In Bezug auf die vermisste Zeugeneinvernahme der Ehefrau des Revisionswerbers die im Übrigen beide im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 7. Mai 2024 vor dem BVwG im Verfahren der Ehefrau bereits befragt wurden fehlt in der Revision außerdem die gebotene Darstellung eines konkreten, fallbezogen relevanten Beweisthemas.
15 Die Revision war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2025