Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des H S, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Senefeldergasse 11/1E, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Jänner 2024, L504 2274283 1/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden, stellte am 16. März 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er im Wesentlichen vor, aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit diskriminiert worden zu sein. Er sei Mitglied der HDP, deswegen sei seine Wohnung mehrmals von der Polizei gestürmt und durchsucht worden. Die AK Partei habe auf ihn Druck ausgeübt, weil er Mitglied der kurdischen Partei und nicht der AK Partei sei.
2 Mit Bescheid vom 23. Mai 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionwerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Mit Beschluss vom 12. März 2024, E 585/2024 5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
5 Daraufhin erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe nicht ausreichend und umfassend ermittelt. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den aktuellen Geschehnissen in der Türkei rund um die Schließung der HDP, deren Mitglied der Revisionswerber sei, auseinandergesetzt.
10 Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 22.2.2024, Ra 2023/19/0239, mwN). Mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen, das BVwG verkenne den Umfang seiner Ermittlungspflicht, gelingt es der Revision vor dem Hintergrund des oben Gesagten nicht, eine grob fehlerhafte Beurteilung durch das BVwG aufzuzeigen.
11 Werden Verfahrensmängel wie hier Ermittlungsmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss deren Relevanz, weshalb also bei deren Vermeidung in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 30.1.2023, Ra 2023/19/0017, mwN). Diesen Anforderungen kommt die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen nicht nach.
12 Weiters wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision gerügt, dass das BVwG die vorgelegten Dokumente nicht für echt gehalten habe, ohne dies näher begründet zu haben.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht hinsichtlich der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG festgehalten, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in der Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. VwGH 29.8.2023, Ra 2021/19/0229 , mwN).
14 Das BVwG erachtete die vorgelegten Dokumente aufgrund von Widersprüchen zum Fluchtvorbringen des Revisionswerbers für nicht glaubhaft. Mit der pauschalen Behauptung, das BVwG habe nicht näher begründet, warum es die vorgelegten Urkunden für nicht echt befunden habe, gelingt es der Revision weder einen relevanten Begründungsmangel aufzuzeigen, noch den beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG Stichhaltiges entgegenzuhalten (zum im Revisionsverfahren für die Überprüfung der Beweiswürdigung anzulegenden diesbezüglichen Maßstab vgl. VwGH 25.3.2024, Ra 2024/20/0090, mwN).
15 Schließlich richtet sich die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA VG und bringt vor, das BVwG habe nicht berücksichtigt, dass die persönlichen Interessen des Revisionswerbers die öffentlichen Interessen überwiegen würden und die innerhalb der Frist von zwei Jahren erlangte Integration des Revisionswerbers außergewöhnlich sei.
16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt wird und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel (vgl. VwGH 12.9.2023, Ra 2022/19/0051, mwN).
17 Die Revision zeigt mit ihrem pauschalen Vorbringen nicht auf, dass die Interessenabwägung des BVwG unvertretbar wäre. Die geltend gemachten Aspekte wurden vom BVwG ohnedies berücksichtigt.
18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 6. Juni 2024