Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des A M M (alias A M), vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert Sattler Gasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 2023, W103 2269394 1/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte am 7. November 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er mit der Angst vor der Al Shabaab Miliz und der Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan begründete.
2 Mit Bescheid vom 1. März 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somalia zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 13. Dezember 2023, E 3020/2023 12, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Der Revisionswerber brachte daraufhin die vorliegende Revision ein.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird dem in § 28 Abs. 3 VwGG normierten Erfordernis, dass die Revision gesondert die Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet, Genüge getan (vgl. etwa VwGH 22.5.2020, Ra 2020/19/0127, mwN). Dem Gebot der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision wird sohin insbesondere dann nicht entsprochen, wenn die zur Zulässigkeit der Revision erstatteten Ausführungen der Sache nach Revisionsgründe darstellen oder das Vorbringen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision mit Ausführungen, die inhaltlich (bloß) Revisionsgründe darstellen, in einer Weise vermengt ist, dass keine gesonderte Darstellung der Zulässigkeitsgründe im Sinn der Anordnung des § 28 Abs. 3 VwGG vorliegt (vgl. VwGH 12.12.2023, Ra 2023/19/0307, mwN).
10 Die vorliegende Revision enthält unter der Überschrift „C. Gründe für die Zulässigkeit entgegen dem Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes“ Ausführungen, mit denen in weiten Teilen ihrem Inhalt nach Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG), dargelegt werden. Eine davon getrennte Darstellung von Revisionsgründen enthält die Revision nicht.
11 Mit einer solchen Vorgangsweise, bei der das gesamte Revisionsvorbringen ausschließlich als Zulässigkeitsvorbringen unterbreitet wird und sich letztlich als Vermengung der Darlegung von Zulässigkeitsgründen und Revisionsgründen erweist, wird dem Erfordernis nach § 28 Abs. 3 VwGG, die Gründe, aus denen die Revision für zulässig erachtet wird, gesondert darzulegen, nicht entsprochen (vgl. erneut VwGH Ra 2023/19/0307, mwN). Die Revision ist schon aus diesem Grund nicht gesetzmäßig ausgeführt.
12 Soweit in der Revision ein Verstoß des BVwG gegen die Verhandlungspflicht geltend macht wird, ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt ist, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, sowie aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 14.12.2023, Ra 2023/19/0453, mwN).
13 Die Revision, die sich in diesem Punkt mit ihren pauschalen Ausführungen im Wesentlichen darauf beschränkt, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers zu wiederholen, vermag nicht darzulegen, inwiefern das BVwG von den in dieser Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre.
14 Soweit die Revision rügt, das BVwG hätte weitere Erhebungen zur Lage im Herkunftsstaat einholen müssen, macht sie einen Verfahrensmangel geltend, ohne dessen Relevanz in konkreter Weise darzulegen (zum Erfordernis der Relevanzdarlegung vgl. etwa VwGH 24.8.2023, Ra 2023/19/0123, mwN).
15 Im Übrigen zeigt die Revision mit ihren Ausführungen betreffend die Verletzung des Rechts auf Privatleben auch inhaltlich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf. Diesbezüglich ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt wird und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 19.10.2023, Ra 2021/19/0213, mwN).
16 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 29.9.2023, Ra 2023/19/0217, mwN).
17 Im vorliegenden Fall führte das BVwG eine Interessenabwägung durch, in deren Rahmen es die für den konkreten Einzelfall relevanten Umstände berücksichtigte. Inwiefern das BVwG dabei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, vermag die Revision, welche keine Umstände nennt, die nicht ohnehin vom BVwG bereits in die Interessenabwägung einbezogen wurden, nicht darzulegen.
18 In der Revision, die im Übrigen auch keine tauglichen Revisionspunkte enthält, werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
19 Vor dem Hintergrund, dass die Revision zurückzuweisen war, konnte die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages (im Hinblick auf den Revisionspunkt) unterbleiben (§ 34 Abs. 2 VwGG).
Wien, am 12. März 2024
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