JudikaturVwGH

Ra 2024/18/0672 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar sowie die Hofrätinnen Dr.in Gröger, Dr.in Sabetzer und Dr. Kronegger als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Hahn, LL.M., über die Revision des A G, vertreten durch Dr. Eva Jana Messerschmidt, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Freyung 6/7/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Jänner 2024, L523 2269554 1/50E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Armeniens, beantragte am 9. November 2022 internationalen Schutz, weil er im Herkunftsstaat wegen seiner Homosexualität verfolgt werde.

2 Mit Bescheid vom 2. März 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Armenien zulässig sei, und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis auch im zweiten Rechtsgang (zum ersten Rechtsgang vgl. VfGH 4.10.2023, E 2724/2023 11) als unbegründet ab, setzte eine (neue) Frist für die freiwillige Ausreise fest und erklärte die Revision für nicht zulässig.

4 Das BVwG sah es – zusammengefasst als erwiesen an, dass der Revisionswerber homosexuell sei und in seiner Heimat wegen seiner Homosexualität vereinzelt Übergriffen (u.a. während des Wehrdienstes, von dem er in der Folge befristet befreit worden sei) ausgesetzt gewesen sei, die er aber nicht zur Anzeige gebracht habe. Diese Diskriminierungen würden jedoch nicht die Intensität einer asylrechtlich relevanten Verfolgung erreichen oder Gefahren im Sinn des § 8 AsylG 2005 begründen. Der armenische Staat sei im Übrigen gegenüber dem Revisionswerber schutzfähig und willig; Gegenteiliges habe er nicht darlegen können. Es sei daher weder Asyl noch subsidiärer Schutz gerechtfertigt.

5 Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof lehnte dieser mit Beschluss vom 17. September 2024, E 602/2024-12, ab und trat sie in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Die nun vorliegende außerordentliche Revision macht zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend, das BVwG erwarte vom Revisionswerber entgegen der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der sich insofern auf Judikatur des EuGH beziehe, seine Homosexualität im Herkunftsstaat geheim zu halten, um eine Verfolgung zu vermeiden. Es habe außerdem verkannt, dass die erlittene Vorverfolgung (im Sinn des Art. 4 Abs. 4 Statusrichtlinie) einen ernsthaften Hinweis für die Begründetheit der Furcht des Revisionswerbers vor weiterer Verfolgung darstelle. Selbst wenn für Armenien von einer systematischen staatlichen Diskriminierung nicht berichtet werde, sei eine gesellschaftliche Diskriminierung jedenfalls und eine staatliche zumindest mittelbar - durch ein bewusstes Unterlassen des Schutzes für sexuelle Minderheiten - festzustellen. So sei die sexuelle Orientierung des Revisionswerbers von den Militärbehörden als Persönlichkeitsstörung qualifiziert worden. Schon diese „Fehldiagnose“ und die daraus folgende „Therapie“ mit Psychopharmaka sei als Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu werten. Im Zusammenhang mit der Frage der medizinischen Versorgung des Revisionswerbers sei schließlich festzuhalten, dass sich aus den herangezogenen Länderberichten nicht ergebe, ob die erforderliche, spezifische Behandlung dem Revisionswerber im Fall der Rückkehr tatsächlich „lege artis“ zur Verfügung stehen würde.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

10 Hat das Verwaltungsgericht wie im vorliegenden Fall im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

11 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

12 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person als „Verfolgung“ im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ra 2014/18/0118; aus jüngerer Zeit VwGH 12.12.2023, Ro 2023/14/0005, mwN).

13 Im gegenständlichen Fall hat das BVwG in der ausführlichen Begründung seiner Entscheidung dargelegt, weshalb es im Falle des Revisionswerbers zwar von erlittenen Diskriminierungen seiner Person im Herkunftsstaat wegen seiner homosexuellen Orientierung ausgehe, diese aber nicht ausreichten, um internationalen Schutz zu rechtfertigen.

14 Dem vermag die Revision nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Es trifft nicht zu, dass das BVwG vom Revisionswerber verlangt hat, seine homosexuelle Orientierung im Herkunftsstaat geheim zu halten. Im Gegenteil führte es aus, dass sich homosexuelle Menschen ungeachtet einzelner Diskriminierungen in Armenien nicht im Verborgenen aufhalten müssten. Die Revision entfernt sich auch von den Erwägungen des BVwG, wenn sie davon ausgeht, dass der Revisionswerber in der Vergangenheit bereits „Vorverfolgung“ im asylrechtlichen Sinne erlitten hätte und daraus (rechtliche) Schlussfolgerungen für seine zukünftige Bedrohung ziehen möchte. Insbesondere lässt sich den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis nicht entnehmen, dass der Revisionswerber, wie die Revision ohne hinreichenden Beleg behauptet, wegen seiner sexuellen Orientierung zwangstherapiert worden wäre oder ihm eine solche Behandlung in der Zukunft drohen würde. Schließlich übergeht die Revision begründungslos, dass das BVwG die aktuell stattfindende psychologische Behandlung des Revisionswerbers in Österreich (wegen psychischer Belastungszustände) in seine Überlegungen einbezogen und eine Fortsetzung dieser Behandlung auch im Herkunftsstaat nachvollziehbar für möglich befunden hat.

15 Die Revision wirft somit keine Rechtsfragen auf, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

16 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 22. Mai 2025

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