JudikaturVwGH

Ra 2024/18/0265 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. August 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Gröger und Dr. in Sabetzer als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des I F in W, vertreten durch Dr. Christoph Lindinger als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Erich Gemeiner, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Apostelgasse 36/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2024, W218 2281721 1/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Syriens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe, stellte am 31. August 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass ihm in seinem Heimatland die Einberufung zum Militär als Reservist drohe. Er fürchte sich vor dem Tod und der mangelnden Sicherheit.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. Oktober 2023 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe seinen Wehrdienst in den Jahren 2000 bis 2002 „als einfacher Rekrut“ abgeleistet und keine Spezialkenntnisse erworben. Er habe „mit seinen 43 Jahren“ das wehrdienstpflichtige Alter bereits überschritten, weshalb für ihn nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr bestehe, im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland zum Militärdienst eingezogen zu werden. Zudem drohe dem Revisionswerber auch unter Beachtung des Umstandes, dass er aus einem ehemalig als oppositionell angesehenen Gebiet stamme in Syrien keine Verfolgung aufgrund einer ihm unterstellten politischen Gesinnung, da er weder Mitglied einer oppositionellen Gruppierung sei, noch in Syrien Straftaten begangen habe. Auch sonst habe der Revisionswerber keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können, sondern sei davon auszugehen, dass er sein Heimatland aufgrund der allgemein schlechten Sicherheitslage verlassen habe.

5 Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründete das BVwG unter Bezugnahme auf § 21 Abs. 7 BFA VG im Wesentlichen damit, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten habe lassen. Der Sachverhalt sei durch das BFA in einem ordnungsgemäßen Verfahren vollständig erhoben worden und weise die gebotene Aktualität auf. In der Beschwerde sei kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens des BFA entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet worden.

6 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit geltend macht, das BVwG habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, obwohl der Sachverhalt nicht geklärt gewesen und die Beweiswürdigung des BFA in „rechtswidriger Weise“ als schlüssig und nachvollziehbar übernommen worden sei. Der Revisionswerber habe über das Ergebnis „des (de facto nicht vorhandenen) behördlichen Ermittlungsverfahrens“ hinausgehend Sachverhalt vorgebracht, sodass schon alleine unter diesem Gesichtspunkt eine Verhandlung durchzuführen gewesen wäre. Zudem sei auf die besondere Bedeutung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanter Umstände im Zusammenhang mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen hinzuweisen.

7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Ein Absehen von der mündlichen Verhandlung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA VG dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, sowie aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 23.4.2024, Ra 2023/18/0477, mwN).

12 Die Revision vermag mit ihrem weitgehend aus allgemeinen Rechtsausführungen ohne konkreten Fallbezug bestehenden Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen, dass das BVwG von diesen Leitlinien abgewichen wäre und die maßgeblichen Kriterien für die Abstandnahme von der Verhandlung im vorliegenden Fall verletzt hätte, zumal sich aus dem Revisionsvorbringen nicht einmal ansatzweise ableiten lässt, aus welchen Gründen von einem nicht geklärten Sachverhalt auszugehen sei bzw. welchen über das behördliche Ermittlungsverfahren hinausgehenden Sachverhalt der Revisionswerber vorgebracht habe, der eine Verhandlung erfordert hätte. Ebenso wenig wird näher spezifiziert, welcher Beweiswürdigung des BFA „nicht substanzlos“ entgegengetreten worden sei. Auch der Vorwurf, die beweiswürdigenden Ausführungen des BFA seien vom BVwG in unzutreffender Weise übernommen worden, wird nicht präzisiert.

13 Soweit die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen die besondere Bedeutung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanter Umstände im Zusammenhang mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ins Treffen führt, lässt sie gänzlich außer Acht, dass dem Revisionswerber mit dem dem angefochtenen Erkenntnis zugrundeliegenden Bescheid des BFA der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 13. August 2024

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