Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des D S in W, vertreten durch Rast Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2024, G308 2285457 1/6E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen sowie eines Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30. November 2023 wurde dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen von Serbien sowie Bosnien-Herzegowina, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Unter einem wurde gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit seiner Abschiebung festgestellt. Weiters wurde keine Frist für seine freiwillige Ausreise eingeräumt, einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
2 Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers wurde zunächst die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 5. Februar 2024 aufgehoben.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das BVwG die Dauer des gegen den Revisionswerber verhängten Einreiseverbots auf achtzehn Monate herab und räumte ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise ein. Im Übrigen - also betreffend die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005, die Rückkehrentscheidung und die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers - wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab. Das BVwG sprach weiters aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend stellte das BVwG - soweit für den Revisionsfall relevant - fest, der Revisionswerber habe noch nie über einen Aufenthaltstitel in Österreich verfügt. Sein am 17. Dezember 2017 gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Student“ sei abgewiesen worden. Nachdem der Revisionswerber im Jahr 2019 freiwillig nach Bosnien-Herzegowina ausgereist sei, sei das zuvor eingeleitete Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vom BFA eingestellt worden sei. Am 21. März 2023 sei der Revisionswerber im Bundesgebiet bei der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung betreten worden. Zudem sei über ihn mit rechtskräftiger Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 4. April 2023 gemäß § 120 Abs. 1a FPG iVm. § 31 Abs. 1 und 1a FPG eine Geldstrafe in Höhe von € 500, wegen rechtswidrigen Aufenthalts verhängt worden. Daraufhin sei neuerlich ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme seitens des BFA eingeleitet worden. Der Revisionswerber sei jedoch in weiterer Folge am 6. April 2023 freiwillig nach Bosnien Herzegowina ausgereist, sodass das Verfahren am 11. April 2023 abermals eingestellt worden sei. Der Revisionswerber sei jedoch bereits im April 2023 wieder in das Bundesgebiet eingereist und halte sich seitdem mit mehreren Unterbrechungen in Österreich auf, wobei die visumfreie Aufenthaltsdauer überschritten worden sei. Der Revisionswerber sei seit 13. Mai 2023 mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet.
5 In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG aus, der Revisionswerber habe die visumfreie Aufenthaltsdauer im Schengen-Raum überschritten und sei bei der Ausübung einer unrechtmäßigen Erwerbstätigkeit betreten worden. Wegen rechtswidrigen Aufenthalts sei er rechtskräftig bestraft worden, weshalb der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 3 FPG erfüllt sei. Der Revisionswerber sei seit seiner letzten Einreise am 14. November 2023 bisher nicht mehr aus dem Bundesgebiet ausgereist und setze damit seinen rechtswidrigen Aufenthalt auch weiterhin fort. Auch die beiden vorangehenden, infolge der freiwilligen Ausreisen des Revisionswerbers eingestellten Verfahren über die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme hätten keine Änderung im Verhalten des Beschwerdeführers bewirkt und er habe seit 2018 auch nicht mehr versucht, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet durch die Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu legalisieren; insbesondere auch nicht, seit er mit einer österreichischen Staatsangehörigen im Mai 2023 die Ehe geschlossen habe. Angesichts des „absichtlichen und qualifiziert andauernden rechtswidrigen Aufenthalts im Bundesgebiet bereits vor der Eheschließung“ des Revisionswerbers sei diese „in erheblichem Ausmaß zu relativieren“. Der Revisionswerber sei erst seit kurzem verheiratet und es sei beiden Ehepartnern bewusst gewesen, dass der Revisionswerber über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfüge, zumal er Meldeverpflichtungen verletzt habe. Dem Revisionswerber bleibe es unbenommen, vom Ausland aus einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu stellen und somit seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu legalisieren. Seine Ehefrau habe er auch in der Vergangenheit schon in Bosnien-Herzegowina getroffen, sodass der Kontakt über Besuche der Ehefrau in Bosnien sowie moderne Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden könne.
6 Zur Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes führte das BVwG aus, unter Berücksichtigung dessen, dass der Revisionswerber inzwischen mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei, erweise sich ein Einreiseverbot in der Dauer von achtzehn Monaten als ausreichend.
7 Eine Herabsetzung oder ein Entfall des Einreiseverbotes käme selbst bei einem vom Revisionswerber beim BVwG hinterlassenen positiven Eindruck nicht in Betracht, sodass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG unterbleiben habe können; auch sei der Sachverhalt geklärt.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 9.3.2023, Ra 2023/17/0035, mwN).
13 Zu ihrer Zulässigkeit macht die Revision eine Verletzung der Verhandlungspflicht durch das BVwG geltend und bringt vor, dass eine Trennung von einem österreichischen Ehepartner nur dann gerechtfertigt sei, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme sehr großes Gewicht beizumessen sei.
14 Aus § 21 Abs. 7 BFA VG ergibt sich, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen relevanten, zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist; dieser ist in der Revision dazutun (vgl. VwGH 9.3.2023, Ra 2023/17/0035, mwN).
15 Weiters ist in Bezug auf die Rückkehrentscheidung eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. VwGH 13.7.2022, Ra 2022/17/0035, mwN). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und für die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbotes (vgl. dazu etwa VwGH 1.8.2023, Ra 2023/17/0097, mwN).
16 Das BVwG hat ausreichende Feststellungen zur erst seit kurzem bestehenden Beziehung des Revisionswerbers zu seiner österreichischen Ehefrau getroffen und diese in seine Interessenabwägung eingebunden. Insbesondere ist es nachvollziehbar zur Auffassung gelangt, dass die Ehefrau den Revisionswerber in Bosnien-Herzegowina besuchen könne. Zudem hat das BVwG den privaten Interessen des Revisionswerbers ohnehin durch Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes ausreichend Rechnung getragen. Soweit der Revisionswerber nunmehr geltend macht, dass seine Ehefrau ein Kind von ihm erwarte, liegt eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung vor (vgl. VwGH 10.1.2023, Ra 2022/18/0312, mwN, wonach Änderungen der Sach- und Rechtslage, die sich nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses ereignet haben und daher vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt werden konnten, einer Prüfung im Revisionsverfahren jedenfalls entzogen sind).
17 Vor dem Hintergrund des Gesagten durfte das BVwG angesichts des vorliegenden eindeutigen Falls von einem geklärten Sachverhalt ausgehen und daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG von der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung absehen.
18 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. Juni 2024