Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Schartner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. November 2024, L508 2282491 1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: H A, vertreten durch Mag. Hilal Kafkas, Rechtsanwältin in Salzburg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Am 5. September 2022 stellte der Mitbeteiligte, ein Staatenloser palästinensischer Herkunft, einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit Bescheid vom 18. Oktober 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Palästinensischen Autonomiegebiete zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte es mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt und erkannte ihm (ipso facto) den Status eines Asylberechtigten zu. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4 Das BVwG stellte in den Entscheidungsgründen zusammengefasst fest, dass der Mitbeteiligte bis zu seiner Ausreise aus dem Westjordanland im dortigen Flüchtlingslager Al-Arroub gelebt habe. Er habe vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) Unterstützung in Form der Unterbringung im Flüchtlingslager, durch Strom- und Wasserversorgung sowie durch medizinische Hilfe erhalten. Er sei beim UNRWA im Westjordanland als Flüchtling registriert und unterliege damit dem Anwendungsbereich des Art. 1 Abschnitt D GFK. Unter Bezugnahme auf die „UNHCR Richtlinien zum internationalen Schutz Nr. 13: Die Anwendbarkeit von Art. 1 Abschnitt D GFK“ und mit näherer Begründung führte das BVwG weiters aus, dass der Schutz des UNRWA aufgrund der Vorfälle nach dem 7. Oktober 2023 im Westjordanland ob der aktuell bedenklichen Sicherheitslage, der willkürlichen Gewalt und der hohen Chance eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen, als vom Mitbeteiligten unverschuldet weggefallen anzusehen sei. Gegenwärtig könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das UNRWA im Westjordanland dem Mitbeteiligten physischen Schutz und/oder tatsächliche Unterstützung gewährleisten könne. Dem Mitbeteiligten sei daher ipso facto Asyl zu gewähren.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des BFA, zu der der Verwaltungsgerichtshof, nach Vorlage der verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Akten, ein Vorverfahren durchführte, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Amtsrevision stützt sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit auf eine behauptete Verletzung näher bezeichneter Rechtsprechung zur Begründungspflicht durch das BVwG, weil es trotz der Angaben des Mitbeteiligten in seiner Einvernahme vom 20. September 2023 vor dem BFA, er habe seit 2018 keine Unterstützung durch das UNRWA mehr erhalten bzw. diese nicht benötigt und zumindest die letzten sechs Monate vor der Ausreise nicht mehr im Flüchtlingslager Al Arroub gewohnt, davon ausgegangen sei, dass der Mitbeteiligte Unterstützungsleistungen bezogen habe, die aufgrund der Verschlechterung der Sicherheitslage im Westjordanland seit Oktober 2023 bzw. der Unterfinanzierung des UNRWA unverschuldet als weggefallen anzusehen seien. Es sei dadurch, ohne die Vornahme weiterer Ermittlungen bzw. ohne dies in der Entscheidung entsprechend zu würdigen, von der Argumentation des BFA abgegangen.
10 Mit diesem Vorbringen wendet sich die Amtsrevision zunächst erkennbar gegen die Beweiswürdigung des BVwG zur Frage der Inanspruchnahme von Leistungen des UNRWA durch den Mitbeteiligten vor seiner Ausreise, zeigt damit aber nicht auf, dass die diesbezüglichen Erwägungen des BVwG in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wären (vgl. zum diesbezüglichen Maßstab für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung etwa VwGH 31.10.2024, Ra 2024/14/0564, mwN).
11 Wenn die Amtsrevision in der Begründung ihrer Zulässigkeit zur Frage des Prüfungszeitpunkts des Wegfalls des Schutzes vom UNRWA weiters davon ausgeht, dass es sich dabei nur um den Zeitpunkt der Ausreise des Mitbeteiligten aus dem Gebiet vom UNRWA handeln könne, gleicht der vorlegende Fall in allen wesentlichen Umständen hinsichtlich Rechtslage und Sachverhalt dem zu Ra 2024/14/0884 entschiedenen Fall. Bezüglich der anzuwendenden Rechtslage, der Zulässigkeit der Revision und der Begründung der Entscheidung kann daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom heutigen Tag, Ra 2024/14/0884, verwiesen werden, mit dem die zu Ra 2024/14/0884 protokollierte Revision mangels Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen wurde.
12 In der Amtsrevision werden somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
13 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 47 Abs. 3 iVm § 51 VwGG, iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 14. Oktober 2025