Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Schartner, Bakk., als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, über die Revision 1. der A B, 2. der A D, 3. des N D und 4. der J D, alle in S und vertreten durch Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Blütenstraße 15/5/5.13, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. Juni 2024, 1. I403 2256895 3/4E, 2. I403 2256897 3/4E, 3. I403 2256901 3/4E und 4. I403 2256899 3/4E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der minderjährigen zweit bis viertrevisionswerbenden Parteien. Die Erst und Viertrevisionswerberin sind Staatsangehörige Marokkos. Die Zweitrevisionswerberin und der Drittrevisionswerber sind Staatsangehörige sowohl von Marokko als auch von Syrien.
2 Die revisionswerbenden Parteien stellten erstmals am 13. November 2021 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Sie brachten dazu soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren relevant im Wesentlichen vor, dass die Zweitrevisionswerberin und der Drittrevisionswerber die syrische Staatsbürgerschaft innehätten und deshalb nicht nach Marokko einreisen dürften. Die Erstrevisionswerberin habe für sie versucht bei der marokkanischen Botschaft Reisepässe zu erlangen. Dies sei aufgrund deren syrischen Staatsbürgerschaft jedoch sehr schwierig. Zudem sei dafür die Zustimmung des Vaters notwendig. Die Erstrevisionswerberin habe zu diesem, einem Staatsangehörigen Syriens, jedoch keinen Kontakt mehr und wisse auch nicht, wo er sich aufhalte.
3 Mit Bescheiden vom 14. Juni 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diese Anträge ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien jeweils keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte jeweils fest, dass ihre Abschiebung nach Marokko zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte es mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen fest.
4 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnissen vom 16. Februar 2023 als unbegründet ab. Es stellte darin insbesondere fest, dass den revisionswerbenden Parteien eine Rückkehr nach Marokko möglich sei. Kinder würden per Geburt die Staatsbürgerschaft der Mutter innehaben und die zweit bis viertrevisionswerbenden Parteien somit die marokkanische Staatsbürgerschaft besitzen.
5 Die gegen diese Erkenntnisse erhobene Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 2023, Ra 2023/14/0119 bis 0122, zurückgewiesen.
6 Am 2. Mai 2023 stellten die revisionswerbenden Parteien die gegenständlichen Folgeanträge auf internationalen Schutz. Soweit für das Revisionsverfahren relevant brachten sie vor, dass die Erstrevisionswerberin mit ihren Kindern (den zweit bis viertrevisionswerbenden Parteien) nicht nach Marokko einreisen könne, da diese syrische Staatsbürger wären. Es gebe ein Gesetz, nach welchem kein Syrer nach Marokko dürfe. Die Zweitrevisionswerberin und der Drittrevisionswerber könnten die marokkanische Staatsbürgerschaft nicht erhalten, da deren Vater dem zustimmen müsse. Zu diesem hätten sie jedoch keinen Kontakt.
7 Im Zuge des gegenständlichen Folgeverfahrens legten die revisionswerbenden Parteien erstmals eine Bestätigung der marokkanischen Botschaft vom 17. Februar 2023 vor, nach welcher die Zweitrevisionswerberin und der Drittrevisionswerber „Inhaber der syrischen Staatsangehörigkeit und eines syrischen Passes“ seien und „nicht beim marokkanischen Zivilstandsamt registriert sind und in das Aktenregister der Botschaft des Königreiches Marokko nicht als marokkanische Staatsbürger eingetragen sind“.
8 Mit Bescheiden vom 8. Mai 2024 wies das BFA die Folgeanträge sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien jeweils keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nach § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen (Spruchpunkt IV.) und stellte jeweils fest, dass ihre Abschiebung nach Marokko zulässig sei (Spruchpunkt V.). Unter einem erkannte es Beschwerden gegen diese Entscheidungen die aufschiebende Wirkung ab und legte keine Frist zur freiwilligen Ausreise fest (Spruchpunkte VI. und VII).
9 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das BVwG mit den nunmehr angefochtenen Erkenntnissen vom 21. Juni 2024 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung betreffend Spruchpunkte I. und II. jeweils mit der Maßgabe, dass es stattdessen zu lauten habe: „Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 02.05.2023 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.“ ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
10 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 16. September 2024, E 2505 2508/2024 7, ab.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision wenden sich die revisionswerbenden Parteien zunächst gegen die Auffassung des BVwG, wonach eine entschiedene Sache vorgelegen sei. Die personenbezogene Bestätigung der marokkanischen Botschaft vom 17. Februar 2023 stelle eine neue Tatsache dar und sei auch entscheidungsrelevant. Die Zweitrevisionswerberin und der Drittrevisionswerber würden mangels Registrierung im marokkanischen Zivilstandsamt keine marokkanischer Dokumente erhalten und hätten damit keinen Zugang zum Bildungs und Sozialsystem. Der alleinerziehenden Erstrevisionswerberin werde es nicht möglich sein, staatliche Unterstützungen zu erhalten. Aus diesen Gründen sei mit einer Gefährdung des Rechts auf Leben und von unmenschlicher Behandlung auszugehen, weshalb den revisionswerbenden Parteien zumindest der Status der subsidiär Schutzberechtigten hätte zuerkannt werden müssen.
15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 13.6.2024, Ra 2024/14/0310, mwN).
16 Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. erneut VwGH 13.6.2024, Ra 2024/14/0310, mwN).
17 Im vorliegenden Fall kam das BVwG mit näherer Begründung zu dem Ergebnis, dass sich die in den Personen der revisionswerbenden Parteien gelegenen Umstände nicht geändert hätten und sich weder aus deren Vorbringen noch aus den sonstigen Ermittlungsergebnissen ein wesentlich geänderter Sachverhalt ergebe. Bereits im Vorverfahren sei ein Email der marokkanischen Botschaft, wonach ein Kind eines ausländischen Vaters und einer marokkanischen Mutter die marokkanische Staatsangehörigkeit nur auf deren Antrag erhalte, berücksichtigt und für nicht geeignet befunden worden, diese durch (übersetzte) Gesetzestexte belegte Vermittlung der Staatsbürgerschaft durch Abstammung zu widerlegen. Daran ändere auch die im gegenständlichen Verfahren vorgelegte Bestätigung der marokkanischen Botschaft vom 17. Februar 2023 nichts. Der (dadurch belegte) Umstand, dass die Erstrevisionswerberin ihre Kinder nicht in Marokko registrieren lassen habe, vermöge die im Gesetz verankerte Erlangung der marokkanischen Staatsbürgerschaft durch Geburt nicht zu widerlegen. Soweit in der Beschwerde auf die Unmöglichkeit, marokkanische Reisepässe für die drei minderjährigen Kinder ohne Zustimmung des Vaters zu erlangen, verwiesen werde, entspreche dies aus näher dargestellten Gründen nicht der aktuellen Gesetzeslage im Königreich Marokko. Diesen Erwägungen setzen die revisionswerbenden Parteien nichts Stichhaltiges entgegen. Sie vermögen nicht aufzuzeigen, dass sich das BVwG von den dargestellten Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung des Vorliegens einer entschiedenen Sache entfernt hätte. Inwiefern sich aus der ins Treffen geführten Bestätigung der marokkanischen Botschaft vom 17. Februar 2024 welche im Übrigen keinen Schluss darüber zulässt, dass eine Registrierung der Zweitrevisionswerbenden und des Drittrevisionswerbers als marokkanische Staatsbürger nicht möglich wäre eine relevante Änderung des Sachverhaltes im Hinblick auf die Gewährung von internationalen Schutz ableiten lassen solle, ist nicht ersichtlich.
18 Auch soweit die revisionswerbenden Parteien in der Zulässigkeitsbegründung der Revision das Unterlassen der Einholung von Länderberichten rügen, zeigen sie damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der Unterlassung einer Beweisaufnahme dann kein Verfahrensmangel gelegen, wenn das von der Partei im Beweisantrag genannte Beweisthema unbestimmt ist. Beweisanträge dürfen weiters dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 27.3.2023, Ra 2023/18/0082, mwN).
20 Das BVwG begründete im Rahmen der Beweiswürdigung unter Nennung der entsprechenden Quelle, warum es davon ausgeht, dass die Zweitrevisionswerberin und der Drittrevisionswerber nicht die Zustimmung ihres Vaters benötigen um marokkanische Dokumente zu erhalten und warum es die Einholung weiterer Berichte zu dieser Frage als nicht notwendig erachtet. Mit ihrem bloß pauschalen Vorbringen dazu gelingt es den revisionswerbenden Parteien nicht aufzuzeigen, dass diese Beurteilung des BVwG grob fehlerhaft erfolgt wäre.
21 Dass das Verfahren wegen Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung fehlerhaft gewesen wäre, zeigen die revisionswerbenden Parteien ebenfalls nicht auf.
22 Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG der auch in nach dem BFA VG zu führenden Verfahren, insbesondere was die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG betrifft, anzuwenden ist kann die Verhandlung (u.a. dann) entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. In den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG liegt es im Ermessen des Verwaltungsgerichts, trotz Parteiantrages keine Verhandlung durchzuführen. Dieses Ermessen ist jedenfalls im Licht des Art. 6 EMRK zu handhaben. Dies gilt sinngemäß auch für Art. 47 GRC (vgl. VwGH 24.10.2024, Ra 2024/19/0400, mwN).
23 Zunächst ist anzumerken, dass sich die Revision mit der Bestimmung des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht auseinandersetzt, sondern lediglich pauschal einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 21 Abs. 7 BFA VG geltend macht. Dessen ungeachtet ist aber eine fehlerhafte Ausübung des durch § 24 Abs. 2 VwGVG eingeräumten Ermessens betreffend die Durchführung einer Verhandlung insgesamt nicht ersichtlich.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 17. März 2025
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