Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr. in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision der V m.b.H. in F, vertreten durch Mag. Dr. Michael Brandauer, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Marktplatz 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 15. Oktober 2024, Zl. LVwG 328 7/2023 R12, betreffend Anschlussbeitrag gemäß Vorarlberger Kanalisationsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Marktgemeinde Rankweil; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Marktgemeinde Rankweil hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Die Revisionswerberin betreibt einen Spitalskomplex.
2 Mit Bescheid vom 6. Juni 2023 setzte die Bürgermeisterin einen Anschlussbeitrag gemäß § 14 Vorarlberger Kanalisationsgesetz fest. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit Baubewilligungs- und Kanalanschlussbescheid vom April 2021 sei die erste von fünf Bauetappen betreffend Umbau und Erweiterung eines Krankenhauses bewilligt worden (Neubau für die Einrichtung E). Die Bauausführung sei von 2021 bis 2025 geplant. Der Abgabenanspruch der Anschlussgebühr entstehe mit der Rechtskraft der Entscheidung über den Anschluss; jener Bescheid sei rechtskräftig. Laut beigeschlossenem Berechnungsblatt ergebe sich der Anschlussbeitrag (ausschließlich) aufgrund der Geschoßfläche von 9.869 m² (keine Ansätze betreffend bebaute Fläche und angeschlossene befestigte Fläche).
3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte geltend, für die Einrichtung E sei bereits früher eine Kanalanschlussgebühr vorgeschrieben und bezahlt worden; dies wäre bei der nunmehrigen Vorschreibung jedenfalls zu berücksichtigen gewesen und hätte die Beitragsvorschreibung reduziert werden müssen. Der öffentliche Abwassersammelkanal bzw. ein Anschluss daran für den Spitalskomplex existiere bereits seit vielen Jahrzehnten. Über dieses Kanalsystem seien auch bereits bisher die Abwässer der bestehenden Einrichtung E abgeführt worden. Das gegenständliche Projekt sei ein Neubau (allerdings verbunden mit dem bestehenden Altbau) samt dazugehörigem anschließenden Abbruch der bestehenden Einrichtung E. Neubau und Abbruch seien Teil eines Gesamtprojekts. Eine nochmalige Vorschreibung der Anschlussgebühr sei nicht vorgesehen. Es käme grundsätzlich nur ein Ergänzungsbeitrag in Frage. Die nach den gesetzlichen Parametern ermittelten Bewertungseinheiten für die Bemessung des Anschlussbeitrages würden durch das Gesamtprojekt (Neubau und Abriss der bestehenden Einrichtung) nicht wesentlich verändert; es falle daher auch kein Ergänzungsbeitrag an. Ein Anspruch auf Ergänzungsbeitrag entstehe weiters erst mit der Vollendung des Vorhabens (frühestens 2025). Allenfalls liege ein Wiederaufbau vor.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 17. Juli 2023 wies die Bürgermeisterin die Beschwerde als unbegründet ab.
5 Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde keine Folge. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
7 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe mit Bescheid vom April 2021 die Baubewilligung für die Errichtung der Einrichtung E auf näher genannten Liegenschaften erhalten. Mit demselben Bescheid sei ausgesprochen worden, dass sämtliche Schmutzwässer über einen näher bezeichneten Schacht in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage einzuleiten seien. In der Begründung sei ausgeführt worden, dass die Gesamtbauzeit aller Bauetappen (wobei im Bescheid nur die erste von fünf Bauetappen bewilligt worden sei) mit ca. 15 Jahren veranschlagt sei. Begonnen werde mit dem Neubau der Einrichtung E. Anschließend werde die alte Einrichtung E abgerissen. Für diesen Abschnitt allein seien vier Jahre veranschlagt.
8 Der Neubau solle im derzeit unbebauten südlichen Teil des Krankenhausareals erfolgen. Das neu zu errichtende Gebäude sei mit einem Kollektorgang mit anderen Gebäuden verbunden; dieser Kollektorgang verlaufe unterirdisch auf Höhe des ersten Untergeschoßes. Ebenso bestehe ein oberirdischer Verbindungsgang (eingeschoßig auf Höhe des Erdgeschoßes des Neubaus). Eine konstruktive Einheit mit anderen Bauwerken bestehe nicht. Das Gebäude, in dem die Einrichtung E bisher untergebracht sei und welches an anderer Stelle situiert sei, sei noch nicht abgebrochen worden. An Stelle jenes Gebäudes sei laut Masterplan ein anderes Gebäude geplant, für dessen Errichtung jedoch noch keine Baubewilligung vorliege.
9 Beantragte Beweise seien nicht aufzunehmen gewesen, da es auf die vorgebrachten Beweisthemen (wie näher dargelegt wird) nicht ankomme.
10 Da es sich um keine wesentliche Änderung einer bereits bestehenden Bewertungseinheit handle, sondern um den Anschluss eines neuen selbständigen Bauwerkes, welches eine eigene Bewertungseinheit darstelle, scheide die bloße Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrags (wie von der Revisionswerberin geltend gemacht) aus. Es handle sich auch nicht um einen Wiederaufbau; um einen Wiederaufbau könne es sich nur handeln, wenn ein Bauwerk bereits abgebrochen sei. Da die alte Einrichtung E noch stehe, handle es sich um keinen Wiederaufbau. Dass bereits vorher am Gebäudekomplex eine Einrichtung E etabliert gewesen sei, die nun in das neu zu errichtende Bauwerk verlagert werde, sei rechtlich unerheblich. Wenn - wie im Masterplan vorgesehen - in der Folge die alte Einrichtung E abgerissen und statt dessen ein neues Gebäude errichtet werde, werde bei dessen Kanalanschluss zu prüfen sein, ob es sich um einen Wiederaufbau handle.
11 Ausgehend vom Ausmaß der Geschoßflächen und dem für das Jahr 2021 gültigen Beitragssatz ergebe sich der von der belangten Behörde festgesetzte Betrag.
12 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision. Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, die Frage, ob der Begriff „Wiederaufbau“ iSd § 16 Vorarlberger Kanalisationsgesetzes funktionell und mit Blick auf ihren Zweck auszulegen sei, sei bisher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeklärt. Weiters liege ein Begründungsmangel dazu vor, ob der Abgabenanspruch bereits entstanden sei.
13 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung eingebracht; die weitere Partei (Landesregierung) hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Revision ist zulässig und begründet.
16 Das Vorarlberger Gesetz über öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen (KanalG) in der Fassung LGBl. Nr. 33/2024 lautet auszugsweise:
„§ 5 Anschlussbescheid
(1) Die Behörde hat dem Eigentümer des Bauwerks oder der befestigten Fläche (Anschlussnehmer) den Anschluss an die Abwasserbeseitigungsanlage und die Einleitung der Abwässer mit Bescheid vorzuschreiben.
[...]
(3) In den Anschlussbescheid sind die erforderlichen Bestimmungen aufzunehmen über
a) den Zeitpunkt des Anschlusses,
[...]
(4) Die Entscheidung über den Anschluss ist zu ändern oder neu zu erlassen, wenn neue Bestimmungen im Sinne des Abs. 3 notwendig sind
a) aufgrund von Änderungen auf dem angeschlossenen Grundstück,
[...]
4. Abschnitt Kanalisationsbeiträge
§ 11 Allgemeines
(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, durch Verordnung der Gemeindevertretung im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes zur Deckung der ihnen durch die Errichtung der Abwasserbeseitigungsanlage erwachsenden Kosten Kanalisationsbeiträge zu erheben.
[...]
(3) Kanalisationsbeiträge sind der Erschließungsbeitrag, der Anschlussbeitrag, der Ergänzungsbeitrag und der Nachtragsbeitrag.
[...]
(6) Das Beitragsausmaß ergibt sich aus dem mit der Bewertungseinheit vervielfachten Beitragssatz.
[...]
§ 13 Erschließungsbeitrag
(1) Für die Erschließung innerhalb des Einzugsbereiches eines Sammelkanales gelegener Grundstücke, die in einem Flächenwidmungsplan als Bauflächen oder als bebaubare Sondergebiete gewidmet sind, kann ein Erschließungsbeitrag erhoben werden, wenn in den Sammelkanal Schmutzwässer nicht nur vorläufig eingeleitet werden dürfen.
(2) Die Gemeindevertretung hat die Bewertungseinheit mit Verordnung festzulegen. Diese darf 5 v.H. der in den Einzugsbereich fallenden Grundstücksfläche (m²) nicht übersteigen.
[...]
§ 14 Anschlussbeitrag
(1) Für den Anschluss von Bauwerken und befestigten Flächen an einen Sammelkanal kann ein Anschlussbeitrag erhoben werden.
(2) Die Bewertungseinheit hat sich aus folgenden, nach Quadratmetern zu berechnenden Teileinheiten zusammenzusetzen:
a) 29 v.H. der Geschoßfläche von Gebäuden oder der Grundfläche sonstiger Bauwerke,
b) 20 v.H. der bebauten Fläche,
c) 10 v.H. der angeschlossenen befestigten Fläche.
[...]
(8) Der Abgabenanspruch entsteht mit der Rechtskraft der Entscheidung über den Anschluss, frühestens jedoch mit dem in der Entscheidung festgesetzten Zeitpunkt des Anschlusses.
(9) Der § 13 wird durch diese Bestimmungen nicht berührt.
§ 15 Ergänzungsbeitrag
(1) Wenn sich die Bewertungseinheit für die Bemessung des Anschlussbeitrages wesentlich ändert, kann ein Ergänzungsbeitrag zum Anschlussbeitrag erhoben werden.
(2) Die erstmalige Umwidmung einer Wohnung in eine Ferienwohnung stellt jedenfalls eine wesentliche Änderung der Bewertungseinheit im Sinne des Abs. 1 dar.
(3) Die Höhe des Ergänzungsbeitrages errechnet sich aus dem zusätzlich zu leistenden Unterschiedsbetrag zwischen dem neuen und dem bereits geleisteten Anschlussbeitrag, wobei der bereits geleistete Anschlussbeitrag unter Anwendung des geltenden Beitragssatzes rechnerisch neu festzusetzen ist. Für die Ermittlung des neuen Anschlussbeitrages sind bei der Berechnung der Teileinheit nach § 14 Abs. 2 lit. a die Außenwände insoweit zu berücksichtigen, als sie schon bei der Ermittlung des bereits geleisteten Anschlussbeitrages berücksichtigt wurden.
(4) Der Abgabenanspruch entsteht mit der Vollendung des Vorhabens, das eine wesentliche Änderung nach Abs. 1 bewirkt.
§ 16 Wiederaufbau
(1) Beim Wiederaufbau von abgebrochenen oder zerstörten Bauwerken sind geleistete Kanalisationsbeiträge verhältnismäßig anzurechnen. Die Bestimmungen des § 15 Abs. 3 gelten sinngemäß.
(2) Wiederaufbau im Sinne des Abs. 1 ist jede Neuerrichtung anstelle eines zerstörten oder abgebrochenen Bauwerks auf demselben Baugrundstück innerhalb von sieben Jahren nach dessen Zerstörung oder Abbruch. Der Verwendungszweck sowie die Größe des wiedererrichteten Bauwerks sind unbeachtlich.“
17 Die zitierten Bestimmungen stimmen (soweit hier relevant; abgesehen von § 16 Abs. 2 leg. cit.) im Wesentlichen mit jenen der Stammfassung (Kanalisationsgesetz, LGBl. Nr. 33/1976, Neukundmachung mit Verordnung der Landesregierung LGBl. Nr. 5/1989) überein. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (12 BlgLT 22. GP 47 f) wurde dazu u.a. ausgeführt:
„Zu § 14:
Der Anschlußbeitrag ist eine Abgabe, die einmalig zu leisten ist. Eine nachträgliche Leistung kann nur gefordert werden, wenn der Tatbestand des Ergänzungsbeitrages (§ 15) oder des Nachtragsbeitrages (§ 17) erfüllt ist. [...]
Bei der Bemessung der Kanalisationsbeiträge wird aus verwaltungstechnischen Gründen nicht auf den Abwasseranfall und die tatsächliche Inanspruchnahme der Abwasserbeseitigungsanlage abgestellt, sondern ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab herangezogen. Die Bewertungseinheit des Abs. 2 knüpft an bisher gebräuchliche Maßstäbe an. Während sich die Teileinheit in der lit. a auf die Abwassermenge und die Teileinheit in der lit. c auf die Niederschlagsmenge bezieht, wird die bebaute Fläche einerseits im Hinblick auf die wie bei befestigten Flächen anfallende Niederschlagsmenge in die Bewertungseinheit mit einbezogen, andererseits soll dadurch neben dem für die Grundstücksfläche zu entrichtenden Erschließungsbeitrag ein gewisser Ausgleich zwischen Einfamilienhäusern und mehrgeschossigen Gebäuden geschaffen werden. [...]
Zu § 15:
Bei einer nachträglichen wesentlichen Änderung der Bewertungseinheit (z. B. durch Um- oder Zubauten an Bauwerken, Erweiterung von befestigten Flächen usw.) ist der (alte) Anschlußbeitrag rechnerisch neu festzusetzen und der Differenzbetrag zwischen alter und neuer Beitragsleistung als Ergänzungsbeitrag einzuheben. Aus verwaltungsökonomischen Gründen soll jedoch nicht jede geringfügige Änderung zur Neufestsetzung führen. Wesentlich wird eine Änderung z. B. dann sein, wenn ein Gebäude aufgestockt wird. [...]
Zu § 16:
Da der Kanalisationsbeitrag grundsätzlich eine einmalige Abgabe darstellt, soll beim Wiederaufbau von abgebrochenen oder zerstörten Bauwerken nicht neuerlich eine Pflicht zur Leistung eines Kanalisationsbeitrages in vollem Umfange entstehen.“
18 Die Bestimmung des § 16 Abs. 2 leg. cit. wurde hingegen erst mit LGBl. Nr. 33/2024 eingefügt. In den Erläuterungen zum Selbständigen Antrag (12 BlgLT 31. GP 3 f) wurde dazu ausgeführt:
„Der Anschlussbeitrag stellt seinem Grundgedanken nach eine einmalige Abgabe dar (vgl. ErläutRV 12 BlgVlbgLT 22. GP 48). Im Fall des Wiederaufbaus sollen die bereits geleisteten Kanalisationsbeiträge daher verhältnismäßig angerechnet werden (keinesfalls kann es dabei zu einer Rückzahlungsverpflichtung der Gemeinde kommen). Der Begriff des Wiederaufbaus wurde im Kanalisationsgesetz bislang nicht näher definiert. In der Judikatur des VwGH wurde zuletzt die Ansicht vertreten, dass aus dem Begriff des Wiederaufbaus zwar nicht abzuleiten sei, dass das anstelle des alten Gebäudes wiederaufgebaute Gebäude eine ganz exakte Kopie des früheren zu sein habe, diesem jedoch immanent sei, dass es weitgehend ähnlich zu sein habe (vgl. VwGH 10.10.2011, 2011/17/0240).
Entsprechend dem Auftrag im Arbeitsprogramm der Landesregierung für die Jahre 2019 bis 2024 (Unser Vorarlberg – Chancengleich und nachhaltig, Seite 37) soll in Zukunft die verdichtete Bauweise forciert werden. Insbesondere auch vor diesem Hintergrund erscheint die restriktive Auslegung des Begriffs des Wiederaufbaus nicht mehr zweckmäßig. Es soll daher eine Definition des Begriffs des Wiederaufbaus in Abs. 2 aufgenommen werden, um klarzustellen, dass dieser weit auszulegen ist und eine weitgehende Ähnlichkeit mit dem abgebrochenen bzw. zerstörten Bauwerk nicht (mehr) erforderlich ist. In Zukunft soll daher jede Neuerrichtung anstelle eines abgebrochenen oder zerstörten Bauwerks zu einer Anrechnung bereits geleisteter Kanalisationsbeiträge führen, solange diese in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem abgebrochenen oder zerstörten Bauwerk steht. Um in den Genuss der Anrechnung zu kommen, muss der Wiederaufbau auf demselben Baugrundstück und innerhalb von sieben Jahren nach Abbruch bzw. Zerstörung erfolgen. Auf die Größe und die gleiche Situierung innerhalb des Baugrundstückes soll es ebenso wenig ankommen wie auf den Verwendungszweck. Wird das Baugrundstück, auf dem das abgebrochene oder zerstörte Bauwerk situiert war, geteilt und die Teilflächen veräußert, sodass nunmehr verschiedene Grundeigentümer hinsichtlich dieser Teilflächen vorhanden sind, so darf selbstverständlich nur eine Anrechnung erfolgen. Die Anrechnung wird daher bei jenem Anschlussnehmer erfolgen, der als erstes ein Bauwerk auf der seinerzeitigen Bauparzelle wiedererrichtet. Wird das Baugrundstück, auf dem das abgebrochene oder zerstörte Bauwerk situiert war, mit einem anderen Grundstück vereinigt, so ist von einem Wiederaufbau nur dann auszugehen, wenn das wiedererrichtete Bauwerk auf jenem Teil der Liegenschaft gebaut wird, der der seinerzeitigen Bauparzelle (vor Vereinigung) entspricht. Für die Einschränkung des zeitlichen Zusammenhangs erfolgt eine Orientierung an § 58 Abs. 4 des Raumplanungsgesetzes. Nach Ablauf von sieben Jahren ab Abbruch oder Zerstörung des ursprünglichen Bauwerks liegt daher ein (begünstigter) Wiederaufbau nicht mehr vor. Diese Frist beginnt mit dem tatsächlichen Abbruch bzw. der tatsächlichen Zerstörung des Bauwerks. Um das Privileg der Anrechnung in Anspruch nehmen zu können, muss die rechtskräftige Baubewilligung bzw die Berechtigung nach dem Baugesetz für den Wiederaufbau spätestens sieben Jahre nach dem Abbruch bzw. der Zerstörung des Bauwerks vorliegen.
Ein Wiederaufbau im Sinne dieser Bestimmung liegt nur dann vor, wenn das gesamte Bauwerk (vgl. § 2 Abs. 1 lit. f Baugesetz) abgebrochen bzw. zerstört und wiederaufgebaut wird. Dazu ist jeweils zu beurteilen, ob es sich um ein selbständiges Bauwerk handelt. Für diese Frage kann die Judikatur zum Baugesetz, insbesondere jene zur Abgrenzung des Nebengebäudes vom Zubau, herangezogen werden (vgl. VwGH 09.12.1982, 81/06/0033; 27.11.2007, 2006/06/0313; 17.08.2010, 2009/06/0071; 13.12.2011, 2008/05/0158; 30.09.2015, Ro 2014/06/0031). Demnach handelt es sich dann um ein selbständiges Bauwerk, wenn keine konstruktive Verbindung zu einem anderen Bauwerk besteht und dieses eine entsprechende bauliche Selbständigkeit aufweist. Außerdem darf zwischen ihm und dem anderen Bauwerk kein solcher bautechnischer und funktioneller Zusammenhang vorliegen, dass beide als eine Einheit betrachtet werden müssen. Das bedeutet, dass bei Abbruch und Wiederaufbau eines unselbständigen Teiles eines Bauwerks nicht die Bestimmung des § 16 Abs. 1, sondern jene des § 15 Abs. 1 anzuwenden ist. Ist der abgebrochene bzw. zerstörte und wiederaufgebaute Teil jedoch als selbständiges Bauwerk zu qualifizieren (z.B. Garage), so kommen die Bestimmungen über den Wiederaufbau zur Anwendung. In einem solchen Fall wäre jedoch nur jener Teil anzurechnen, welcher dem abgebrochenen bzw. zerstörten und wiederaufgebauten entspricht.“
19 Während ein Erschließungsbeitrag (§ 13 leg. cit.) für die Erschließung eines Grundstückes erhoben werden kann, kann der Anschlussbeitrag (§ 14 Abs. 1 leg. cit.) für den Anschluss von Bauwerken und befestigten Flächen erhoben werden. Der Abgabenanspruch betreffend Anschlussbeitrag entsteht mit der Rechtskraft der Entscheidung über den Anschluss, frühestens mit dem in der Entscheidung festgesetzten Zeitpunkt des Anschlusses.
20 Voraussetzung für die Festsetzung des Anschlussbeitrags ist demnach der in § 5 leg. cit. geregelte Anschlussbescheid. Nach § 5 Abs. 1 leg. cit. hat die Behörde dem Eigentümer des Bauwerks oder der befestigten Fläche den Anschluss an die Abwasserbeseitigungsanlage und die Einleitung der Abwässer mit Bescheid vorzuschreiben. In den Anschlussbescheid sind u.a. auch die erforderlichen Bestimmungen über den Zeitpunkt des Anschlusses aufzunehmen (§ 5 Abs. 3 lit. a leg. cit.).
21 Der Anschlussbescheid bezieht sich somit - in gleicher Weise wie der Anschlussbeitrag - auf ein Bauwerk oder eine befestigte Fläche. Es ist damit bei Errichtung eines weiteren Gebäudes auf demselben Grundstück (im Einzugsbereich des Sammelkanals; vgl. § 3 Abs. 3 leg. cit.) ein neuer oder geänderter Anschlussbescheid zu erlassen (§ 5 Abs. 4 lit. a leg. cit.). Auf Basis dieses Anschlussbescheides ist ein Anschlussbeitrag festzusetzen.
22 Bei einer bloßen (wesentlichen) Änderung der „Bewertungseinheit“ (dabei handelt es sich - wie aus den zitierten Gesetzesmaterialien hervorgeht - im Wesentlichen um Um- und Zubauten zu angeschlossenen Bauwerken oder die Erweiterung von angeschlossenen befestigten Flächen) ist hingegen ein Ergänzungsbeitrag festzusetzen.
23 Ein „Wiederaufbau“ setzt (nach der Rechtslage vor LGBl. Nr. 33/2024) nach seinem Wortsinn die Wiedererrichtung des bestandenen Gebäudes voraus. Daraus ist zwar nicht abzuleiten, dass das an Stelle des alten Gebäudes wiederaufgebaute Gebäude eine ganz exakte Kopie des früheren zu sein hat, doch ist dem Begriff „Wiederaufbau“ immanent, dass es weitgehend ähnlich zu sein hat (vgl. VwGH 10.10.2011, 2011/17/0240, mwN). Auch impliziert der Begriff „Wiederaufbau“, dass zuvor ein Bauwerk abgebrochen oder sonst zerstört wurde (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 7 Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001, 45. BlgLT 27. GP 48). Mit LGBl. Nr. 33/2024 wurde zwar der Begriff „Wiederaufbau“ (wie auch aus den zitierten Gesetzesmaterialien hervorgeht) in weniger restriktiver Weise definiert. An dem Umstand, dass ein Wiederaufbau eine Neuerrichtung anstelle eines abgebrochenen oder zerstörten Bauwerks voraussetzt, hat sich aber nichts geändert; insoweit wurde die Rechtslage verdeutlicht („Neuerrichtung ... nach dessen Zerstörung oder Abbruch“). Gerade auf den von der Revisionswerberin hervorgehobenen Verwendungszweck (Unterbringung der Einrichtung E) soll es aber nach der nunmehrigen Definition nicht ankommen.
24 Dass es dem Zweck der Regelung entsprechen solle, entgegen dem eindeutigen Wortlaut auch die Errichtung eines neuen Gebäudes mit einem erst sodann folgenden Abbruch eines anderen Gebäudes als „Wiederaufbau“ zu bezeichnen, ist nicht erkennbar. Die Begünstigung des „Wiederaufbaus“ betreffend den Anschlussbeitrag erfolgt im Hinblick darauf, dass der Kanalisationsbeitrag grundsätzlich eine einmalige Abgabe darstellt. Die Errichtung eines weiteren Gebäudes vor Abbruch eines bereits bestehenden Gebäudes kann aber nach dem für die Bemessung der Kanalisationsbeiträge heranzuziehenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Inanspruchnahme der Abwasserbeseitigungsanlage nicht dem Abbruch und anschließenden Wiederaufbau gleichgesetzt werden.
25 Es ist daher dem Verwaltungsgericht (unabhängig davon, ob die Gesetzesänderung im vorliegenden Fall bereits zu berücksichtigen ist; vgl. zur Frage der zeitlichen Anwendbarkeit von Rechtsnormen z.B. VwGH 23.6.2021, Ra 2019/13/0111, mwN) nicht entgegenzutreten, wenn es im Fall einer Errichtung eines Gebäudes, in dem eine bestimmte Einrichtung untergebracht werden soll, und dem erst darauf folgenden Abbruch jenes (an einer anderen Stelle im Bereich des Krankenhausareals errichteten) Gebäudes, in welchem sich diese Einrichtung bisher befindet, nicht von einem Wiederaufbau ausgeht.
26 Da weiters keine bloße (wesentliche) Änderung der Bewertungseinheit (etwa Um- oder Zubau an einem bestehenden Gebäude) erfolgte, sondern eine weitere Bewertungseinheit (Bauwerk) geschaffen wurde, war ein Anschlussbeitrag iSd § 14 leg. cit. festzusetzen.
27 Wie die Revision aber zutreffend aufzeigt, kann aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht abgeleitet werden, ob dieser Abgabenanspruch bereits entstanden ist (auf diesen Zeitpunkt ist im Allgemeinen auch betreffend die Frage der zeitlichen Anwendbarkeit von Normen des materiellen Abgabenrechts abzustellen; vgl. neuerlich VwGH 23.6.2021, Ra 2019/13/0111, mwN). Dieser entsteht zwar an sich mit der (unstrittig bereits eingetretenen) Rechtskraft der Entscheidung über den Anschluss (worauf sich die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides gestützt hatte; auch in der Revisionsbeantwortung verweist sie lediglich auf diesen Umstand). Frühestens entsteht dieser Anspruch aber mit dem in der Entscheidung über den Anschluss festgesetzten Zeitpunkt des Anschlusses. Aus dem Akteninhalt geht insoweit in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Revisionswerberin hervor, dass nach dem Anschlussbescheid der Kanalanschluss gleichzeitig mit dem Wasseranschluss (Fertigstellung der Hausanschlussleitung) herzustellen ist. Ob dieser Zeitpunkt bereits verstrichen ist, geht aus den Feststellungen nicht hervor. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher nicht beurteilen, ob der Abgabenanspruch bereits entstanden ist.
28 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
29 Von der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
30 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am 26. März 2025