Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic Marinkovic, über die Revision des Ing. F in T, Slowakei, vertreten durch die Althuber Spornberger Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Doblhoffgasse 9, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 10. Oktober 2024, Zl. RV/2100418/2024, betreffend Abweisung eines Antrags auf Wiedereinsetzung (Haftung gemäß § 9 BAO), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheiden vom 29. April 2013 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer der L s.r.o. für die Jahre 2009 und 2010 fest.
2 Die L s.r.o. erhob gegen diese Bescheide (vertreten durch die X Steuerberatungs GmbH) Berufung. Mit Eingabe vom 18. Februar 2015 teilte die X Steuerberatungs GmbH dem Finanzamt mit, dass die L s.r.o. im Jänner 2015 auf Antrag der slowakischen Finanzbehörden liquidiert worden sei; die X Steuerberatungs GmbH lege mit heutigem Tag die steuerliche Vertretungsvollmacht zurück.
3 Mit Vorhalt vom 20. Dezember 2016 forderte das Finanzamt den Revisionswerber auf, Fragen im Zusammenhang mit einer möglichen Heranziehung zur Haftung für Abgabenrückstände der L s.r.o. (in Höhe von ca. 600.000 €) zu beantworten.
4 Mit Eingabe vom 9. März 2017 beantragte der Revisionswerber (vertreten durch die D GmbH, Rechtsanwaltsgesellschaft; auf die erteilte Vollmacht wurde verwiesen), die Frist für die Erstattung der Stellungnahme zu verlängern; verwiesen wurde darauf, dass nur mehr mit der D GmbH korrespondiert werden solle. Mit weiterer Eingabe vom 11. April 2017 erstattete der Revisionswerber (wiederum vertreten durch die D GmbH) eine Stellungnahme zum Haftungsvorhalt.
5 Mit Bescheid vom 6. November 2019 wurde der Revisionswerber als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der L s.r.o. in Anspruch genommen. Der Bescheid wurde an den Revisionswerber zu Handen der D GmbH gerichtet und am 21. November 2019 der D GmbH zugestellt.
6 Mit Eingabe vom 22. November 2019 retournierte die D GmbH den Haftungsbescheid und teilte mit, die Vollmacht sei nicht mehr aufrecht.
7 Mit Bescheid vom 21. April 2021 nahm das Finanzamt den Revisionswerber (neuerlich) als Haftungspflichtigen für die (selben wie im Bescheid vom 6. November 2019) aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der L s.r.o. in Anspruch.
8 Mit Eingabe vom 30. Jänner 2024 erhob der Revisionswerber (nunmehr vertreten durch die A GmbH, ebenfalls eine Rechtsanwaltsgesellschaft) Beschwerde gegen den Haftungsbescheid. Darin führte er u.a. aus, ein an ihn adressierter Haftungsbescheid vom 21. April 2021 sei ihm am 27. Mai 2021 zugestellt worden. Die Beschwerdefrist sei aufgrund der gestellten Fristverlängerungsanträge noch offen.
9 Mit Vorhalt vom 8. Februar 2024 ersuchte das Finanzamt den Revisionswerber unter Hinweis darauf, dass bereits am 6. November 2019 ein (gleichlautender) Haftungsbescheid ergangen und dem damaligen Vertreter am 21. November 2019 zugestellt worden sei, um Nachweise betreffend Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses.
10 Mit Eingabe vom 6. Mai 2024 beantragte der Revisionswerber (vertreten durch die A GmbH) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Beschwerdefrist gegen den Haftungsbescheid vom 6. November 2019. Der Revisionswerber führte aus, ihm sei erstmals mit Schreiben des Finanzamts vom 8. Februar 2024 zur Kenntnis gebracht worden, dass es einen früheren gleichlautenden Haftungsbescheid (datiert mit 6. November 2019) gebe, der an die Adresse seines ehemaligen Vertreters (D GmbH) zugestellt worden wäre. Zu diesem Zeitpunkt habe die D GmbH keine Vertretungsbefugnis für den Revisionswerber mehr gehabt. Die D GmbH habe den Haftungsbescheid vom 6. November 2019 daher an das Finanzamt mit entsprechendem Hinweis der nicht mehr aufrechten Vollmacht retourniert und den Revisionswerber auch nicht über diesen Bescheid in Kenntnis gesetzt. Auch das Finanzamt erachte den ersten Haftungsbescheid vom 6. November 2019 offensichtlich für nicht wirksam zugestellt. Lediglich aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht werde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Beschwerdefrist gegen den Haftungsbescheid vom 6. November 2019 beantragt. Die Einhaltung der Beschwerdefrist sei dem Revisionswerber nicht möglich gewesen, da er erst mit Schreiben vom 8. Februar 2024 erstmals über die Existenz des Haftungsbescheides vom 6. November 2019 in Kenntnis gesetzt worden sei. Die Zustellung des Bescheides an einen Vertreter, dessen Vollmacht bereits entzogen gewesen sei, habe der Revisionswerber auch unter Bedachtnahme auf die ihm persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten können. An der Fristversäumung treffe den Revisionswerber kein Verschulden. Die allenfalls versäumte Handlung (Einbringen einer Bescheidbeschwerde) sei bereits am 30. Jänner 2024 nachgeholt worden; das darin enthaltene Vorbringen und die Anträge würden vollinhaltlich aufrechterhalten und bezögen sich in diesem Fall auf den Haftungsbescheid vom 6. November 2019. Da der Haftungsbescheid vom 6. November 2019 aber nicht wirksam zugestellt worden sei, werde dieser Antrag mangels tatsächlicher Fristversäumnis nach Ansicht des Revisionswerbers zurückzuweisen sein.
11 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27. Mai 2024 hob das Finanzamt den Bescheid vom 21. April 2021 auf. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, bereits mit Zustellung des Bescheides vom 6. November 2019 am 21. November 2019 sei die Haftungsinanspruchnahme des Revisionswerbers für dieselben Abgabenschulden derselben Primärschuldnerin wie im nunmehr bekämpften Haftungsbescheid vom 21. April 2021 erfolgt. Die Erlassung eines neuen Bescheides in derselben Sache sei rechtswidrig.
12 Mit Bescheid vom 28. Mai 2024 wies das Finanzamt den Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Beschwerdefrist zum Haftungsbescheid vom 6. November 2019 ab. In der Begründung wurde nach Schilderung des Verfahrensgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, der Revisionswerber habe nicht glaubhaft gemacht, dass die Abgabenbehörde bereits vor Zustellung des Haftungsbescheides vom 6. November 2019 Kenntnis von der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses gehabt habe. Da die Zustellvollmacht gegenüber der Behörde nicht rechtzeitig widerrufen worden sei, habe der Revisionswerber damit rechnen müssen, dass Schriftstücke weiterhin der ausgewiesenen Vertreterin zugestellt würden. Es liege daher kein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis vor. Darüber hinaus habe der Revisionswerber die versäumte Handlung (Einbringung einer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom 6. November 2019) nicht nachgeholt.
13 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
14 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19. Juni 2024 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
15 Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
16 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision nicht zulässig sei.
17 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe im Haftungsverfahren die D GmbH mit seiner Vertretung beauftragt und ausdrücklich die Zustellung von Schriftstücken an die Vertreterin beantragt. Ein Widerruf der Vollmacht sei nicht aktenkundig. Die behauptete Bekanntgabe der Beendigung des Vollmachtsverhältnisses gegenüber dem Finanzamt sei trotz Aufforderung (sowohl durch das Finanzamt als auch das Bundesfinanzgericht) nicht vorgelegt worden. Das Finanzamt habe den Haftungsbescheid vom 6. November 2019 daher rechtskonform und rechtswirksam zu Handen der D GmbH zugestellt. Ob der Sachbearbeiterin des Haftungsbescheides vom 6. November 2019 im Zuge eines Telefonates zwei Tage nach Zustellung des Bescheides von einem Mitarbeiter der D GmbH mitgeteilt worden sei, das Vollmachtsverhältnis mit dem Revisionswerber sei aufgelöst und dies sei dem Finanzamt bereits bekannt gegeben worden, ändere nichts an der rechtswirksamen Zustellung des Bescheides, weil die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses dem Finanzamt bis zur Erlassung des Haftungsbescheides vom 6. November 2019 nicht zur Kenntnis gelangt sei. Der zu diesem Punkt gestellte Antrag auf Einvernahme dieser Sachbearbeiterin sei daher abzuweisen gewesen.
18 A habe bekannt gegeben, in der D GmbH der Ansprechpartner des Revisionswerbers gewesen zu sein. Da A Ende Februar 2018 die D GmbH verlassen habe, habe er mit dem Revisionswerber Ende 2017 telefonisch vereinbart, das Mandatsverhältnis zur D GmbH zu beenden. Falls ein Fortgang des Verfahrens erfolge, werde eine Neumandatierung der neuen Kanzlei des A (die A GmbH) erfolgen.
19 Es könne nicht festgestellt werden, ob bzw. wann genau das Vollmachtsverhältnis beendet worden sei und welche Vorkehrungen hinsichtlich der Bekanntgabe der Bevollmächtigung bzw. deren Beendigung im Hinblick auf eine Information des Finanzamtes von wem getroffen habe werden müssen oder getroffen worden sei. Sei nämlich das Bevollmächtigungsverhältnis bereits beendet worden, hätte zumindest eine Abrechnung über die erbrachten Leistungen der Bevollmächtigten erstellt werden müssen. Trotz Aufforderung sei aber weder ein schriftlicher Nachweis der Auflösung noch ein darüber erstellter Aktenvermerk noch eine Abrechnung oder ähnliches vorgelegt worden.
20 Die Beendigung einer Vollmacht werde gegenüber der Behörde (dem Verwaltungsgericht) erst wirksam, wenn dies der Behörde (dem Verwaltungsgericht) mitgeteilt werde. Der Zurücksendung des Haftungsbescheides (wenn auch auf Vorschlag des Finanzamtes) hätte eine genaue Prüfung der Sachlage durch den sachkundigen Vertreter vorangehen müssen. Eine solche sei augenscheinlich nicht erfolgt. Der Vertreter des Revisionswerbers (A) habe sich vor der Rücksendung des Haftungsbescheides vom 6. November 2019 an das Finanzamt nicht versichert, dass (ob) die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses dem Finanzamt bereits bekannt gegeben worden sei. Er habe lediglich einer Mitarbeiterin der D GmbH mitgeteilt, die Vollmacht sei nicht mehr aufrecht, der Haftungsbescheid sei daher an das Finanzamt zu retournieren. Auch die D GmbH habe vor Ausfertigung des Schreibens vom 22. November 2019 nicht geprüft, ob die Beendigung des Vollmachtsverhältnisses dem Finanzamt angezeigt worden sei (andernfalls wäre die diesbezügliche schriftliche Bekanntgabe bzw. deren Postaufgabe greifbar und dem Finanzamt als Nachweis übermittelt worden), weshalb die Zustellung des Haftungsbescheides an die D GmbH rechtswirksam erfolgt sei.
21 Dem Antrag auf Einvernahme der Zeugin J fehle die erforderliche Konkretisierung. Aus welchen Gründen zu erwarten sei, dass J konkrete Nachweise zur Beendigung des Vollmachtsverhältnisses und der in diesem Zusammenhang mit dem Revisionswerber getroffenen Vereinbarungen geben könne, sei nicht näher ausgeführt worden. Dass sie an der Vorhaltsbeantwortung im Haftungsverfahren mitgewirkt habe und über die damaligen Vorgänge, „allenfalls“ auch über die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses Auskunft geben könne, sei als Antrag auf Aufnahme eines Erkundungsbeweises anzusehen. Das Vorbringen, J könne als Zeugin jedenfalls aussagen, dass Vollmachtsbeendigungen immer dem Finanzamt bekannt gegeben worden seien, sei nicht zielführend, weil im vorliegenden Fall eben keine Verständigung des Finanzamtes erfolgt sei.
22 Eine Vollmachtserteilung begründe eine Treuepflicht des Bevollmächtigten gegenüber dem Vollmachtgeber nicht nur während des Mandats, sondern auch über die Beendigung des Mandats hinaus. Der Vertreter habe die Interessen des von ihm vertretenen Mandanten im Hinblick auf einen in Zukunft drohenden Vermögensnachteil zu wahren. Der Vertreter des Revisionswerbers wäre daher nicht nur verpflichtet gewesen, dem Finanzamt die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt zu geben, sondern auch, den Revisionswerber über die Zustellung des Haftungsbescheides vom 6. November 2019 zu informieren und abzuklären, ob die Zustellung rechtswirksam erfolgt sei.
23 Das Verhalten des Vertreters des Revisionswerbers sei als ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden zu werten. Die Rücksendung eines Bescheides an das Finanzamt ohne Prüfung, ob die Zustellvollmacht noch aufrecht sei, sei im Hinblick auf die einem Anwalt auferlegte Pflicht zur genauen Erfassung und Überwachung von Fristen und Terminen als grob fahrlässig anzusehen. Das Verschulden des Vertreters sei dem Verschulden der Partei gleichzusetzen. Komme der beauftragte Vertreter seinen (auch nach Beendigung der Bevollmächtigung bestehenden) Fürsorgepflichten gegenüber dem Vertretenen nicht nach, seien daraus resultierende Rechtsnachteile der Partei zuzurechnen.
24 Dem Vorbringen, der Revisionswerber sei rechtsunkundig und steuerlich unvertreten, zudem nicht in Österreich ansässig gewesen, für ihn sei Deutsch eine Fremdsprache, es könne daher nicht erwartet werden, dass ihm die „Zustellfiktion“ des § 9 Abs. 3 ZustG bekannt sei, werde entgegengehalten, dass die L s.r.o. jahrelang auch in Österreich unternehmerisch tätig gewesen sei. Die Gesellschaft sei durch eine in Österreich ansässige Steuerberatungsgesellschaft steuerlich vertreten gewesen. Dieser seien an die L s.r.o. gerichtete Schriftstücke zugestellt worden. Dem Revisionswerber als Geschäftsführer der L s.r.o. sei sohin das Rechtsinstitut der Zustellbevollmächtigung bekannt gewesen.
25 Die D GmbH habe im Schreiben vom 9. März 2017 selbst um die Zustellung von Schriftstücken zu ihren Handen ersucht. Dem Revisionswerber sei bekannt gewesen, dass Schriftstücke des Finanzamtes bis zum Widerruf der Vollmacht an die D GmbH zugestellt würden. Habe sich der Revisionswerber daher nicht länger vertreten lassen und Schriftstücke wieder persönlich zugestellt erhalten wollen, hätte er dafür Sorge tragen müssen, dass dem Finanzamt die Auflösung des Bevollmächtigungsverhältnisses bekannt gegeben werde.
26 Nach den Ausführungen des Revisionswerbers sei zwischen dem Revisionswerber und seinem Vertreter keine explizite Vereinbarung darüber erfolgt, wer das Erlöschen des Vollmachtsverhältnisses gegenüber dem Finanzamt bekannt geben solle. Die Verständigung des Finanzamtes von der Auflösung einer Vollmacht müsse nicht zwingend vom Bevollmächtigten erfolgen. Die Nichtbekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses durch den Revisionswerber könne im Hinblick auf eine Inanspruchnahme als Haftender für Abgabenschuldigkeiten in der Höhe von fast 600.000 € nicht als minderer Grad des Versehens angesehen werden.
27 Sowohl der Revisionswerber als auch A seien sich darüber im Klaren gewesen, dass ein Fortgang des Verfahrens erfolgen könne, somit die Möglichkeit bestehe, dass das Finanzamt trotz Vorhaltsbeantwortung einen weiteren Vorhalt verfasse oder einen Haftungsbescheid erlasse. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass eine „vage“ Vereinbarung (sollte vom Finanzamt noch etwas kommen, solle sich der Revisionswerber an die neue GmbH des A wenden) getroffen werde, ohne Rücksprache mit dem Finanzamt zu halten und ohne das Finanzamt von der Auflösung eines Vollmachtsverhältnisses zu benachrichtigen (bzw. ohne die bisherige Vertreterin zu beauftragen, die Vollmachtsauflösung bekanntzugeben). Als ein in mehreren europäischen Ländern tätiger Geschäftsführer einer slowakischen Handelsfirma könne dem Revisionswerber angesichts dieser Vorgangsweise ein minderer Grad des Versehens nicht zugutegehalten werden.
28 Mit dem Wiedereinsetzungsantrag sei die versäumte Handlung nachzuholen. Das Bundesfinanzgericht teile die Rechtsansicht des Finanzamts, dass die Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid vom 6. November 2019 nicht durch den Verweis auf die Beschwerde gegen den gleichlautenden Haftungsbescheid vom 21. April 2021 ersetzt werden könne.
29 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision.
30 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
31 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
32 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
33 Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist u.a. gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
34 Nach § 308 Abs. 2 BAO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Behörde (Abgabenbehörde oder Verwaltungsgericht), bei der die Frist wahrzunehmen war, eingebracht werden. Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag die versäumte Handlung nachzuholen.
35 Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu prüfen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist abgesteckt wurde (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2019/15/0042; 29.9.2020, Ra 2020/16/0139, je mwN).
36 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst geltend gemacht, es liege Aktenwidrigkeit vor. Das Bundesfinanzgericht gehe augenscheinlich davon aus, dass der Revisionswerber vorgebracht hätte, es sei im Zuge der Rücksendung des Haftungsbescheides vom November 2019 mitgeteilt worden, dass das Vollmachtsverhältnis beendet worden sei; tatsächlich habe aber der Revisionswerber vorgebracht, die Mitteilung über die erfolgte Auflösung des Vollmachtsverhältnisses sei bereits vor der Übermittlung dieses ersten Haftungsbescheides erfolgt.
37 Diesem Revisionsvorbringen ist entgegenzuhalten, dass im angefochtenen Erkenntnis das jeweilige Vorbringen des Revisionswerbers ausführlich geschildert und weitgehend wörtlich zitiert wurde. Das Bundesfinanzgericht (und bereits zuvor das Finanzamt) haben sich auch eingehend mit der insoweit im Zulässigkeitsvorbringen angesprochenen Frage befasst, wann dem Finanzamt die Auflösung der Vollmacht mitgeteilt worden sei (Vorhalt des Finanzamts vom 8. Februar 2024; Vorhalt des Bundesfinanzgerichts vom 13. August 2024; Erörterung im Rahmen der Beschwerdeverhandlung). Eine Aktenwidrigkeit (vgl. z.B. VwGH 11.10.2024, Ra 2023/13/0013: Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat) ist insoweit schon deswegen nicht erkennbar.
38 Der Revisionswerber macht sodann geltend, die Vollmachtsauflösung bzw. die Anzeige der Vollmachtsauflösung stelle einen strittigen und klärungsbedürftigen Punkt dar; es sei nicht einzusehen, warum in der vorliegenden Konstellation (Zustellung von zwei Haftungsbescheiden; das Finanzamt sei offenbar selbst davon ausgegangen, dass der erste Haftungsbescheid nicht wirksam zugestellt worden sei) allein der Revisionswerber nachweispflichtig sein sollte. Der Revisionswerber habe dazu zwei Zeuginnen beantragt; diese Anträge seien vom Bundesfinanzgericht in vorgreifender Beweiswürdigung abgewiesen worden.
39 Zunächst ist festzuhalten, dass eine Kündigung einer (Zustell )Vollmacht der Behörde gegenüber erst dann wirksam wird, wenn sie ihr mitgeteilt wird (vgl. z.B. VwGH 29.6.1995, 94/15/0098, mwN; Ritz/Koran , BAO 7 , § 9 ZustG Tz 22).
40 Die Zeugin J wurde vom Revisionswerber in der Stellungnahme vom 19. August 2024 zum Nachweis des Vorbringens beantragt, dass A bei der Erstellung der Stellungnahme zum Haftungsvorhalt im April 2017 von dieser unterstützt worden sei; diese könne „über die damaligen Vorgänge allenfalls auch über die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses Auskunft geben.“ In einer Eingabe vom 9. September 2024 teilte der Revisionswerber ergänzend mit, die Zeugin könne aussagen, dass „Vollmachtsbeendigungen immer dem Finanzamt bekanntgegeben wurden (ob sie konkret Erinnerungen an diesen Fall hat, weiß ich nicht).“ Das Bundesfinanzgericht wies diesen Beweisantrag primär mit der Begründung ab, diesem Antrag fehle die „erforderliche Konkretisierung“. Es handle sich um einen Antrag auf Aufnahme eines Erkundungsbeweises, hiezu sei das Gericht aber nicht verpflichtet.
41 Der einzelfallbezogenen Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, das Beweisthema sei nicht hinreichend konkretisiert (vgl. VwGH 19.12.2014, Ra 2014/08/0058), ist im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht entgegenzutreten. Ein Beweisantrag hat Beweismittel und Beweisthema deutlich und bestimmt zu bezeichnen (vgl. RIS Justiz RS0099498). Strittiges (relevantes) Sachverhaltselement im vorliegenden Fall (zur Frage der Wirksamkeit der Zustellung des Haftungsbescheides im November 2019) war, ob die Beendigung der Vollmacht bereits vor der Zustellung an den früheren Vertreter im November 2019 der Behörde gegenüber bekannt gegeben worden war. Dieses Sachverhaltselement wurde aber in den Beweisanträgen des Revisionswerbers nicht deutlich und bestimmt als Beweisthema genannt, wenn lediglich ausgeführt wurde, die Zeugin könne „über die damaligen Vorgänge allenfalls auch über die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses Auskunft geben“. Dass wie in einer weiteren Eingabe ausgeführt wurde Vollmachtsbeendigungen „immer“ dem Finanzamt bekanntgegeben worden seien, behandelt nicht den hier relevanten Zeitpunkt der Bekanntgabe.
42 Die Zeugin G (Mitarbeiterin des Finanzamts) wurde zum Beweis des Vorbringens beantragt, A habe im November 2019 telefonisch mit dem Finanzamt (mutmaßlich mit G) Kontakt aufgenommen und mitgeteilt, dass das Vollmachtsverhältnis zur D GmbH schon lange beendet sei und dies auch dem Finanzamt bekannt sei; ihm sei sodann geraten worden, den Haftungsbescheid an das Finanzamt samt Vermerk, dass das Vollmachtsverhältnis beendet sei, zu retournieren; dies sei auch geschehen. In einer ergänzenden Eingabe machte der Revisionswerber geltend, im Zuge eines Telefonats nach Zustellung des ersten Haftungsbescheides sei „aber wohl jedenfalls darauf hingewiesen [worden], dass die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bereits dem Finanzamt bekannt gegeben wurde.“ Die Zeugin sei auch verpflichtet, einen Aktenvermerk über das Telefonat zu erstellen; das sei der Grund, warum sie als Zeugin genannt worden sei. Sollte das Finanzamt diesen Aktenvermerk vorlegen, reiche das auch.
43 Das Bundesfinanzgericht nahm dazu mit der beantragten Zeugin Kontakt auf. Die Zeugin teilte telefonisch mit, sie könne sich an kein Telefongespräch mit A erinnern; gewöhnlich fertige sie Aktenvermerke über Telefongespräche an, ein solcher liege nicht vor. Es sei von ihr lediglich ein Aktenvermerk nach der Rücksendung verfasst worden („Der HB kam mit dem Vermerk zurück, dass die Vollmacht der [D GmbH] nicht mehr besteht.“). In der Beschwerdeverhandlung wurde schließlich geltend gemacht, die Zeugin könne aussagen, dass A ihr gesagt habe, die Vollmacht sei bereits vor Zustellung des Bescheides gekündigt worden, nicht aber, dass die Vollmacht nicht mehr aufrecht sei (im Sinne einer ersten Bekanntgabe der Vollmachtsauflösung gegenüber dem Finanzamt).
44 Diesen Beweisantrag wies das Bundesfinanzgericht mit der Begründung ab, ob der Zeugin im Zuge eines Telefonats nach Zustellung des Bescheides von einem Mitarbeiter der D GmbH mitgeteilt worden sei, das Vollmachtsverhältnis mit dem Revisionswerber sei bereits aufgelöst und dies sei dem Finanzamt bereits bekannt gegeben worden, ändere nichts an der rechtswirksamen Zustellung des Bescheides, weil der Revisionswerber die Bekanntgabe der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses vor der Bescheidzustellung nicht nachgewiesen habe. Die Tatsache, dass der Vertreter des Revisionswerbers nach der Zustellung des Haftungsbescheides vom November 2019 dem Finanzamt telefonisch die bereits erfolgte (dem Finanzamt aber nicht vorliegende) Beendigung des Vollmachtsverhältnisses mitgeteilt habe, sei für die Erledigung der Beschwerde unerheblich.
45 Das Bundesfinanzgericht geht sohin hier davon aus, dass das genannte Beweisthema irrelevant sei. Dem ist vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision nicht entgegenzutreten: Auch dann, wenn wie geltend gemacht im Zuge des Telefonats von A behauptet wurde, dass die Beendigung der Vollmacht bereits zu einem früheren Zeitpunkt mitgeteilt worden sei, folgt daraus nicht (zwingend), dass eine derartige Mitteilung tatsächlich zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt sei.
46 Wenn betreffend Inhalt und Ergebnis der Erhebungsmaßnahmen des Bundesfinanzgerichts betreffend die Zeugin G auch die Verletzung des Parteiengehörs geltend gemacht wird, so wurde aber nach dem Inhalt der Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Verhandlung von der Vorsitzenden auf das Telefongespräch (samt E Mail Verkehr) mit der beantragten Zeugin verwiesen. Dass dieser Inhalt (wie in der Revision behauptet) „lediglich kursorisch“ mitgeteilt worden sei, ist daraus nicht erkennbar. Der Revisionswerber legt aber auch nicht dar, welches weitere Vorbringen er erstattet hätte, wäre dieser Inhalt nicht lediglich kursorisch mitgeteilt worden; damit wird die Relevanz eines (allfälligen) Verfahrensmangels nicht aufgezeigt.
47 Weiters macht der Revisionswerber geltend, das Bundesfinanzgericht habe den geltend gemachten Wiederaufnahmegrund verkannt. Nicht die vermeintlich nicht erfolgte Anzeige der Vollmachtsauflösung durch die D GmbH im Jahr 2017 sei das unabwendbare Ereignis gewesen, sondern die Unkenntnis einer gesetzmäßig bewirkten Zustellung. Damit gingen auch die Ausführungen des Bundesfinanzgerichts zum Verschulden an der Fristversäumnis ins Leere, da sie an einen falschen Bezugspunkt anknüpften. Zwar müsse sich der Vertretene das Verschulden des Vertreters zurechnen lassen; dies gelte aber nur während aufrechter Vertretung. Ein Fehlverhalten des ehemaligen Vertreters sei aber nicht zuzurechnen. Den Revisionswerber selbst treffe kein Verschulden an der Unkenntnis einer gesetzmäßig bewirkten Zustellung.
48 Dem Revisionswerber ist zunächst zuzustimmen, dass der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund darin besteht, dass er (wie er behauptet) ohne sein Verschulden von der Zustellung des Haftungsbescheides keine Kenntnis erlangt habe (ein Umstand, der z.B. in § 46 Abs. 1 VwGG und § 33 Abs. 1 VwGVG auch exemplarisch als Wiedereinsetzungsgrund genannt ist; vgl. dazu Müller in Köhler/Brandtner/Schmelz , VwGVG Kommentar, § 33 VwGVG Tz 1). Mit diesem Wiedereinsetzungsgrund hat sich aber entgegen dem Revisionsvorbringen das Bundesfinanzgericht auseinandergesetzt.
49 Dass dem Revisionswerber (persönlich; ohne auf die Frage einzugehen, ob die Kenntnis des ehemaligen Vertreters dem Revisionswerber zuzurechnen wäre) die Zustellung des Haftungsbescheides im November 2019 unbekannt blieb, ist im Revisionsverfahren unbestritten. Strittig ist aber, ob die Unkenntnis auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt (vgl. z.B. VwGH 13.10.2020, Ra 2020/15/0032, mwN).
50 Das Bundesfinanzgericht führte hiezu aus, dem Revisionswerber sei bekannt gewesen, dass Schriftstücke des Finanzamts bis zum Widerruf der Vollmacht an die D GmbH zugestellt würden. Hätte er gewollt, dass Schriftstücke wieder persönlich zugestellt würden, hätte er dafür Sorge tragen müssen, dass dem Finanzamt die Auflösung des Bevollmächtigungsverhältnisses bekannt gegeben werde. Es sei zwischen dem Revisionswerber und seinem Vertreter keine Vereinbarung darüber getroffen worden, wer das Erlöschen des Vollmachtsverhältnisses dem Finanzamt bekannt geben solle. Sowohl der Revisionswerber als auch sein Vertreter seien sich im Klaren darüber gewesen, dass ein Fortgang des Verfahrens erfolgen könne. Die Nichtbekanntgabe der Auflösung der Vollmacht durch den Revisionswerber sei im Hinblick auf die Höhe der Haftungsinanspruchnahme nicht als minderer Grad des Versehens anzusehen.
51 Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich somit das Bundesfinanzgericht nicht nur mit dem Verschulden des ehemaligen Vertreters (dessen Zurechnung in der Revision bestritten wird), sondern auch mit dem Verschulden des Revisionswerbers selbst auseinandergesetzt. Die Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts zu diesen Themen werden in der Revision nicht (konkret) bestritten. Die Revision kann nicht aufzeigen, dass ausgehend von diesen Sachverhaltsannahmen die Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, dass die Unkenntnis des Revisionswerbers von der Zustellung auf einem Verschulden beruht, das den minderen Grad des Versehens überschreitet, mit die Zulässigkeit der Revision begründenden Mängeln belastet wäre (vgl. dazu VwGH 22.11.2023, Ra 2023/13/0056, mwN).
52 Auf die weiters in der Revision geltend gemachte Frage, ob im Zuge des Antrags auf Wiedereinsetzung die versäumte Handlung dergestalt nachgeholt werden kann, dass explizit auf die Bescheidbeschwerde gegen den zweiten Haftungsbescheid verwiesen und mitgeteilt wird, dass die dort gestellten Anträge und das dortige Vorbringen sich nunmehr auf den ersten Haftungsbescheid beziehen mögen, kommt es damit nicht mehr an.
53 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 14. Februar 2025