JudikaturVwGH

Ra 2024/13/0107 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. Februar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr. in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic Marinkovic, über die Revision des V Vereins in G, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 9. August 2024, Zl. LVwG 363 8/2023 R10, betreffend Tourismusbeitrag für das Jahr 2023 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Bregenz; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Bregenz hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

1 Mit Eingabe vom 14. Mai 2023 nahm die revisionswerbende Partei (ein Verein) eine Selbstbemessung des Tourismusbeitrags für das Jahr 2023 vor. Als Erwerbsausübung wurde „Verpächter, Vermieter, EA“, Abgabegruppe 6 angeführt. Ausgehend vom (im Verfahren unstrittigen) Umsatz ergebe sich ein Tourismusbeitrag in Höhe von 19,49 €.

2 Mit Bescheid vom 13. Juli 2023 setzte der Bürgermeister den Tourismusbeitrag für das Jahr 2023 mit 175,41 € fest. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 23. März 2023 sei die Einreihung des Revisionswerbers als „Privatzimmervermieter“ in die Abgabegruppe 1 laut Abgabegruppenverordnung bestätigt worden, sodass 90% des abgabepflichtigen Umsatzes Bemessungsgrundlage sei. Dessen ungeachtet habe der Revisionswerber in der Erklärung über die Selbstbemessung die Abgabegruppe 6 angeführt (Bemessungsgrundlage: 10% des abgabepflichtigen Umsatzes). Als Privatzimmervermieter sei der Verein aber in die Abgabegruppe 1 einzuordnen. Auch eine Einreihung des Vereins als „Vermieter von Ferienwohnungen“ würde eine derartige Einordnung zur Folge haben.

3 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte geltend, es sei kein Sachverhalt festgestellt worden, der ein Abweichen von der Erklärung des Revisionswerbers rechtfertigen würde.

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 2. Oktober 2023 wies der Bürgermeister die Beschwerde als unbegründet ab.

5 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

7 Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber vermiete an einer näher genannten Anschrift Zimmer bzw. Wohnungen an Arbeiter aus dem Ausland, welche im Rahmen der Arbeitskräfteüberlassung einige Tage bis Wochen dort wohnten. Im vorliegenden Verfahren sei die Frage zu klären, ob die Vermietung von Unterkünften an Unternehmer in der Baubranche zur Unterbringung von Arbeitern und Monteuren der Abgabegruppe 1 („Privatzimmervermieter“) oder der Abgabegruppe 6 („Verpächter, Vermieter“) zuzuordnen sei. Der Erwerbszweig „Verpächter, Vermieter“ sei als Auffangtatbestand zu verstehen; die spezielle Regelung (spezielle Vermietungstätigkeit) gehe der allgemeinen Regelung vor. Unter den Begriff der Privatzimmervermietung falle auch die Vermietung an berufstätige Personen. Die Tätigkeit des Revisionswerbers sei daher als Privatzimmervermieter in die Abgabegruppe 1 einzuordnen.

8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision. Zur Zulässigkeit der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, die eine Einstufung in die „Abgabenklassen“ ermöglichen würden.

9 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist zulässig und begründet.

12 Gemäß § 6 Vorarlberger Gesetz über die Förderung und den Schutz des Tourismus (Tourismusgesetz), LGBl. Nr. 86/1997, sind Gemeinden, die sich gemäß § 2 leg. cit. zu Tourismusgemeinden erklärt haben, ermächtigt, zur Deckung ihres Aufwandes für tourismusfördernde Maßnahmen und Einrichtungen Tourismusbeiträge einzuheben.

13 Nach § 7 Abs. 1 Tourismusgesetz sind alle Personen, die von einem in der Gemeinde gelegenen Standort aus eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, abgabepflichtig.

14 Gemäß § 8 Abs. 1 Tourismusgesetz ergibt sich die Höhe des Tourismusbeitrages aus der Vervielfachung der Bemessungsgrundlage mit dem Hebesatz.

15 Nach § 8 Abs. 2 Tourismusgesetz richtet sich die Bemessungsgrundlage des Abgabenschuldners danach, in welche Abgabegruppe er aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem bestimmten Erwerbszweig (und der Einreihung der Gemeinde in eine von drei Ortsklassen) fällt. Für Abgabenschuldner der Abgabegruppe 1 beträgt die Bemessungsgrundlage 90 v.H. des abgabepflichtigen Umsatzes des zweitvorangegangenen Kalenderjahres, für Abgabenschuldner der Abgabegruppe 6 hingegen 10 v.H. dieses Umsatzes.

16 Nach § 9 Abs. 1 Tourismusgesetz sind die Erwerbszweige durch Verordnung der Landesregierung in sieben Abgabegruppen einzuteilen.

17 Die (bereits zum Fremdenverkehrsgesetz, LGBl. Nr. 9/1978 ergangene) Abgabegruppenverordnung (LGBl. Nr. 1/1992) sieht u.a. folgende Abgabegruppen vor: „Privatzimmervermieter“ (Abgabegruppe 1); „Verpächter, Vermieter“ (Abgabegruppe 6).

18 Zutreffend ist, dass der in der Verordnung genannte speziellere Begriff den allgemeineren verdrängt (vgl. VwGH 29.6.2022, Ra 2021/13/0161, mwN). Der Erwerbszweig als „Verpächter, Vermieter“ ist daher dann nicht anzunehmen, wenn der speziellere Erwerbszweig des „Privatzimmervermieters“ vorliegt.

19 Das Verwaltungsgericht geht insoweit in Übereinstimmung mit der Abgabenbehörde davon aus, dass der Erwerbszweig der Privatzimmervermietung vorliegt. Eine Definition dieses Begriffes enthält weder das Tourismusgesetz noch die Abgabegruppenverordnung.

20 Gemäß Art. III Bundes Verfassungsgesetznovelle 1974 gehört die Angelegenheit der „Privatzimmervermietung, das ist die durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes als häusliche Nebenbeschäftigung ausgeübte Vermietung von nicht mehr als zehn Fremdenbetten“ nicht zu den Angelegenheiten des Gewerbes. Der Verfassungsgerichtshof behandelte als Privatzimmervermietung die Vermietung von möblierten Wohnräumen an eine geringe Anzahl von Personen, die nicht zum Haushalt des Vermieters gehören und in der Wohnung des Vermieters gegen Entgelt vorübergehend Aufenthalt nehmen (VfGH 26.5.1973, K II 2/72).

21 Der Begriff der Privatzimmervermietung wird auch in anderen (Vorarlberger) Landesgesetzen verwendet. So gelten nach § 16 Abs. 2 Vorarlberger Raumplanungsgesetz (LGBl. Nr. 15/1973) Wohnungen und Wohnräume, die u.a. Zwecken der Privatzimmervermietung dienen, nicht als Ferienwohnung. Diese Bestimmung wurde im wesentlichen wortgleich, damals als § 14 Abs. 13 Raumplanungsgesetz mit LGBl. Nr. 27/1993 eingefügt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (Beilage 17/1993, Seite 4) wurde dazu u.a. ausgeführt, als Privatzimmervermietung gelte die durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes als häusliche Nebenbeschäftigung ausgeübte Vermietung von nicht mehr als zehn Fremdenbetten.

22 Auch das Zweitwohnungsabgabegesetz (LGBl. Nr. 59/2023) verwendet den Begriff der Privatzimmervermietung. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (Beilage 118/2023, Seite 10) wurde ausgeführt, als Privatzimmervermietung gelte die durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Haushalts als häusliche Nebenbeschäftigung ausgeübte kurzfristige Vermietung von nicht mehr als zehn Fremdenbetten. Unter Hinweis auf Judikatur aus dem Jahr 1967 (VwGH 8.11.1967, 0073/67) wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Privatzimmervermietung um eine häusliche Nebenbeschäftigung handle, die nur im Rahmen des eigenen Hausstandes, im Besonderen der eigenen Wohnung ausgeübt werde; daher sei die Privatzimmervermietung in einer Zweitwohnung nicht möglich. Im verwiesenen Erkenntnis bezog sich der Verwaltungsgerichtshof auf eine „häusliche, d.i. eine im Rahmen des eigenen Hausstandes, im besonderen der eigenen Wohnung des Beschwerdeführers gelegene Beschäftigung“.

23 Es ist davon auszugehen, dass der Begriff der Privatzimmervermietung auch nach der Abgabegruppenverordnung in diesem (vom Gesetzgeber über einen langen Zeitraum hinweg in gleicher Weise angenommenen) Sinne zu verstehen ist. Schon mangels konkreter Feststellungen des Verwaltungsgerichts ist nicht erkennbar, ob die Voraussetzungen einer Privatzimmervermietung, insbesondere eine Vermietung im Rahmen des eigenen Hausstandes, oder allenfalls eines anderen Erwerbszweiges (etwa eines Beherbergungsbetriebs oder einer Vermietung von Ferienwohnungen) erfüllt sind.

24 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren (zusätzliche Umsatzsteuer) findet in diesen Vorschriften keine Deckung (vgl. z.B. VwGH 21.11.2018, Ra 2018/13/0064).

Wien, am 19. Februar 2025

Rückverweise