JudikaturVwGH

Ra 2024/13/0013 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. in Lachmayer als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der N GmbH in W, vertreten durch Mag. Gerald Gerstacker, Rechtsanwalt in 2340 Mödling, Schrannenplatz 3/I, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 24. Oktober 2023, Zl. LVwG AV 555/001 2023, betreffend Kanaleinmündungsabgabe für den Regenwasserkanal (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde P), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Niederösterreichischen Landesregierung auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

1 Mit Bescheid des Stadtamtes der Stadtgemeinde P vom Juni 2019 wurde nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts der Revisionswerberin die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Wohnhausanlage mit 20 Wohneinheiten erteilt. Mit einem Abgabenbescheid des Stadtamts der Stadtgemeinde P vom Mai 2022 wurde der Revisionswerberin eine Kanaleinmündungsabgabe im Betrag von 8.141,20 € zuzüglich Umsatzsteuer vorgeschrieben. Der Vorschreibung wurden ein Einheitssatz von € 10,36 sowie eine Berechnungsfläche von 785,83 m 2 zu Grunde gelegt.

2 Die Revisionswerberin erhob fristgerecht Berufung. Begründet wurde diese damit, dass die Berechnungsfläche nicht nachvollziehbar bzw. falsch ermittelt worden sei. Es handle sich nicht um ein Gebäude, sondern um zwei Gebäude. Diese seien statisch nicht miteinander verbunden. Der dazwischenliegende Garagenteil, der durch Schleusen von beiden Gebäuden getrennt sei, sei unterirdisch. Die Tiefgarage sei zudem ein Gebäudeteil, der zur unbebauten Fläche zu zählen sei.

3 Mit Berufungsbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde P wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und die Abgabe geringfügig reduziert. Die Revisionswerberin erhob dagegen fristgerecht Beschwerde.

4 Das Landesverwaltungsgericht änderte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verbindung mit einem Ortsaugenschein den Bescheid geringfügig ab. Es stellte fest, dass sich auf der revisionsgegenständlichen Liegenschaft eine neu errichtete Wohnhausanlage bestehend aus 2 Wohngebäuden und einem dazwischenliegenden eingeschoßigen Garagentrakt befinde. Von der Straße gelange man über die Einfahrt zum Haus 1 mit einer bebauten Fläche von 428,40 m 2 . Über die Einfahrt gelange man zur eingeschoßigen Garage. Für die Garage ergebe sich aus dem Bestandsplan eine bebaute Fläche von 564,60 m 2 . Im hinteren Bereich der Liegenschaft befinde sich hangseitig das Haus 2 mit einer bebauten Fläche von 389,62 m 2 . Das Haus 1 weise vier Geschoße auf, in jedem der vier Geschoße befänden sich Anschlüsse an den Regenwasserkanal und die öffentliche Wasserleitung. Das Regenwasser von Haus 1 werde in den öffentlichen Regenwasserkanal abgeleitet. Vom untersten Geschoß des Hauses 1 (Erdgeschoß, Ebene 0) gelange man vom Stiegenhaus über eine Schleuse mit zwei Brandschutztüren in die Garage. Die Garage sei zwischen den Baukörpern eingeschoßig ausgeführt bzw. befinde sich teilweise unterhalb des Hauses 2. Von der Garage gelange man über eine Schleuse mit zwei Brandschutztüren in das unterste Geschoß (Kellergeschoß, Ebene 0) des Hauses 2. Auf Ebene 0 befänden sich im Bereich des Hauses 1 Anschlüsse an Kanal und Wasserleitung, in der Garage und im Bereich des Hauses 2 nicht. Zwischen den Gebäuden sei die Garage eingeschoßig ausgeführt. Das Haus 2 weise fünf Geschoße auf, im untersten Geschoß (Ebene 0) befänden sich keine Anschlüsse, in jedem der vier darüber liegenden Geschoße befänden sich Anschlüsse an den Regenwasserkanal und die öffentliche Wasserleitung. Das Regenwasser vom Haus 2 werde in den öffentlichen Regenwasserkanal abgeleitet. Die beiden Baukörper seien durch die Tiefgarage miteinander verbunden. Der Garagentrakt sei zwischen den beiden Gebäuden eingeschoßig überwiegend unterirdisch angelegt. Die Dachkonstruktion der Garage umfasse auch die über dem angrenzenden Gelände gelegene Dachbegrünung. Auf diesem begrünten Dach der Garage befänden sich die Gärten der anliegenden Wohnungen. In diesen Gärten befänden sich teilweise raumbildend ausgeführte Flugdächer sowie oberirdische Lüftungsbauwerke. Für das Haus 2 bestehe auch über einen Steig ein gesonderter Hauseingang.

5 Rechtlich führte das Landesverwaltungsgericht aus, es sei das Bestehen einer Abgabenschuld der Revisionswerberin nicht dem Grunde nach, sondern ausschließlich der Höhe nach strittig. Aus den im Ermittlungsverfahren getroffenen Feststellungen ergebe sich, dass sowohl die Zahl der angeschlossenen Geschoße wie auch das Ausmaß der Geschoßflächen von der belangten Behörde in tatsächlicher Hinsicht richtig angenommen worden seien. Zutreffend sei das Vorliegen eines einheitlichen Gebäudes infolge der im Kellergeschoß durch die beidseitigen Durchgänge zum dazwischenliegenden eingeschoßigen Verbindungstrakt bestehenden Verbindungen angenommen worden. Auf Grund der Baupläne und der Ausführung in der Natur sei ersichtlich, dass zwischen den einzelnen Trakten (Tiefgarage und Häuser 1 und 2) Durchgänge und Verbindungen bestünden, sodass auch eine einheitliche wirtschaftliche Nutzung (v.a. über die Tiefgarage) im Sinne einer funktionalen Einheit erfolge. Die beiden Objekte seien über die gemeinsame Tiefgarage einheitlich nutzbar. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin lägen hier nicht zwei Gebäude, sondern vielmehr ein einheitliches Gebäude vor. Bei Vorliegen eines einheitlichen Gebäudes sei für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe nach § 3 NÖ Kanalgesetz 1977 ohne Bedeutung, ob die Fläche des jeweiligen Geschoßes nur einen Teil der verbauten Fläche des Gebäudes ausmache. Ebenso zutreffend sei die Fläche des Verbindungstraktes selbst, der das Vorliegen eines einheitlichen Gebäudes erst begründe und durch Garageneinfahrt, begrünte Dachkonstruktion und diverse Aufbauten auf der Dachkonstruktion (Flugdächer, Lüftungsbauwerke) die Geländeoberfläche wesentlich überrage, gemäß § 1a Z 1 NÖ Kanalgesetz 1977 bei Ermittlung der bebauten Fläche berücksichtigt worden.

6 Im gegenständlichen Objekt seien zudem keine Gebäudebereiche ersichtlich, welche den Kriterien des § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 (Gebäudeteil) entsprechen würden. Voraussetzung für das Vorliegen eines Gebäudeteils sei dessen Trennung vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand. Im konkreten Fall würden die zwischen den beiden Wohnhaus-Trakten im Garagenbereich vorhandenen Durchgänge bereits das Vorliegen eines Gebäudeteils im Verständnis des § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 ausschließen.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtete sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit folgendes vorbringt:

„Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat zutreffend ausgeführt, dass das Bestehen der Abgabenschuld der Höhe nach in Bezug auf die Ermittlung der zugrunde gelegten Berechnungsfläche strittig ist. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ist ebenso wie die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass einerseits fünf Geschoße, andererseits die Fläche des ‚Verbindungstraktes‘ zwischen den Häusern 1 und 2 einzubeziehen wären. Es bejaht das Vorliegen eines einheitlichen Gebäudes und die Einbeziehung der Fläche der Tiefgarage zwischen Haus 1 und Haus 2, wobei sich diese zum Teil unter Haus 2 befindet (Ebene 0 des Hauses 2). Die Tiefgarage ist von den auf der Ebene 0 des Hauses 2 befindlichen Kellerabteilen durch Brandschutzwände getrennt.

Die Revisionswerberin hingegen vertritt demgegenüber den Standpunkt, dass die Tiefgarage einen gesonderten Gebäudeteil, welcher weder einen Wasser noch einen Kanalanschluss aufweist, darstellt, sowie zum anderen, dass diese Tiefgarage als unterirdisches Bauwerk anzusehen ist. Diese grundlegend abweichende Rechtsauffassung der Revisionswerberin findet sowohl in den bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen als auch in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ihre Grundlage.

Die Rechtsfragen, ob und inwieweit im Konkreten eine Tiefgarage als unterirdisch gelegen, sowie als selbstständige Baulichkeit (Gebäudeteil) zu beurteilen ist, sind von grundsätzlicher Bedeutung. Die Entscheidung in der Sache ist nicht nur für die revisionswerbende Partei von besonderer Wichtigkeit, sondern ihre Klärung liegt auch im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen, auf zusätzliche Argumente gestützten Rechtsprechung. Diese Rechtsfragen sind für viele andere gleich oder ähnlich gelagerte Fälle von großer Bedeutung und sind durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht abschließend geklärt.“

8 Die niederösterreichische Landesregierung hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 In den Zulässigkeitsgründen einer außerordentlichen Revision ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen darzulegen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. für viele VwGH 17.12.2024, Ra 2024/15/0076 , mwN).

13 Dazu reicht es nicht, Verstöße gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in den Raum zu stellen, ohne fallbezogen darzulegen, worin genau die behaupteten Abweichungen von der Rechtsprechung nach Ansicht der Revision zu sehen seien.

14 Die Revision behauptet zwar eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nennt aber im Zulässigkeitsvorbringen kein einziges Judikat des Verwaltungsgerichtshofes, von dem das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts abweichen würde.

15 Das Landesverwaltungsgericht ist vom Vorliegen eines einheitlichen Gebäudes ausgegangen. Ein solches ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn die einzelnen Teile durch gemeinsame Wände verbunden sind, welche überdies Öffnungen aufweisen, wodurch eine funktionelle Einheit dieser Teile hergestellt wird (vgl. VwGH 24.1.2022, Ra 2021/13/0022; 25.6.2002, 2002/17/0048; jeweils mwN). Dass das Landesverwaltungsgericht bei seiner rechtlichen Beurteilung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

16 Das Landesverwaltungsgericht hat ferner das Vorliegen eines Gebäudeteiles im Sinne des § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 verneint, weil keine Trennung der Garage von den beiden Häusern durch eine bis zur obersten Decke durchgehende Wand vorlag. Auch dies entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 17.4.2000, 99/17/0262).

17 Das Landesverwaltungsgericht ist weiters davon ausgegangen, dass die Tiefgarage mit ihrer Einfahrt und der Dachkonstruktion die Geländeoberfläche wesentlich überragt, weshalb es gemäß § 1a Z 1 NÖ Kanalgesetz 1977 bei Ermittlung der bebauten Fläche zu berücksichtigen war. Die Revision kann in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzeigen, dass diese Beurteilung (ausgehend vom insoweit unbestrittenen Sachverhalt) unvertretbar wäre.

18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

19 Das Kostenbegehren der Niederösterreichischen Landesregierung war abzuweisen, weil gemäß § 58 Abs. 1 VwGG jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand selbst zu tragen hat, soweit die §§ 47 bis 56 leg. cit. nicht anderes bestimmen. Einen Anspruch auf Ersatz des Aufwandes, der mit der Einbringung der Revisionsbeantwortung verbunden war, sehen die §§ 47 bis 56 VwGG in Ansehung einer Partei nach § 21 Abs. 1 Z 3 VwGG aber nicht vor (vgl. VwGH 14.12.2020, Ra 2018/13/0090).

Wien, am 28. März 2025

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