JudikaturVwGH

Ra 2024/08/0108 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin sowie den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision der N P in G, vertreten durch Mag. Peter Petz, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wohllebengasse 16/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 2024, W229 2280000 1/12E, betreffend Beitragszuschlag nach § 113 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde die Revisionswerberin verpflichtet, gemäß § 113 Abs. 1 und 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von € 1.000, zu entrichten. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, die Revisionswerberin sei gemeinsam mit ihrem Ehemann Eigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft. Sie sei Ende 2021 auf der Suche nach einer Reinigungskraft auf SK aufmerksam geworden. Zwischen SK und der Revisionswerberin sei vereinbart worden, dass SK etwa alle drei Wochen komme, wobei der konkrete Termin in der jeweiligen Woche per WhatsApp fixiert worden sei, indem die Revisionswerberin SK gefragt habe, ob sie an dem vorgeschlagenen Termin kommen könne. SK habe daraufhin zu oder abgesagt, im Fall der Absage sei ein anderer Termin fixiert worden. Vereinbarte Termine seien von SK immer eingehalten und lediglich etwa im Fall von Krankheit verschoben worden. Ohne einen Grund zu nennen, seien Termine von SK nicht abgesagt worden. Eine Befristung der Tätigkeit der SK sei nicht vereinbart worden.

2 Zu Beginn der Tätigkeit, etwa im Dezember 2021 habe die Revisionswerberin SK erklärt, welche (Reinigungs )Arbeiten sie durchführen solle. Diese Arbeiten hätten Betten neu überziehen, Bettwäsche waschen, Staubsaugen, Böden wischen sowie Bad und Küche putzen umfasst. SK habe diese Tätigkeiten im Wesentlichen jedes Mal ausgeführt. Die Tätigkeiten hätten etwa vier Stunden in Anspruch genommen. Wenn SK innerhalb dieser vier Stunden noch Zeit gehabt habe, habe sie weitere Tätigkeiten, wie etwa Fenster putzen, durchgeführt. Gelegentlich habe die Revisionswerberin SK zusätzliche Arbeiten aufgetragen. SK habe die Arbeit meistens ca. um 11:00 Uhr begonnen und sich die Abfolge der Tätigkeiten selbst eingeteilt. SK habe die Arbeiten zur Zufriedenheit der Revisionswerberin durchgeführt.

3 SK habe Putzmittel, Staubsauger und Waschmaschine der Revisionswerberin verwendet; die Revisionswerberin habe ihr zu Beginn der Tätigkeit gezeigt, wo diese sich befänden. Wenn die Revisionswerberin ein spezielles Putzmittel gekauft habe, habe sie dies SK mitgeteilt. Die Revisionswerberin habe vor der Eingangstür einen Hausschlüssel für SK deponiert, einen eigenen Schlüssel habe diese nicht erhalten.

4 SK habe € 12,00 pro Arbeitsstunde erhalten, weiters sei ihr eine Stunde Wegzeit bezahlt worden. Die Revisionswerberin habe den Betrag entweder in bar für SK bereitgelegt oder ihr den Lohn selbst übergeben.

5 Über eine Vertretungsmöglichkeit sei zwischen der Revisionswerberin und SK nicht gesprochen worden und es sei auch nie vorgekommen, dass SK sich habe vertreten lassen. Aus Sicht der Revisionswerberin wäre dies möglich gewesen, wenn SK ihr die Person vorher vorgestellt hätte.

6 Weder SK noch die Revisionswerberin verfüge über eine Gewerbeberechtigung. Die Finanzpolizei habe SK am 23. Februar 2023 um 11:20 Uhr an der Adresse der Revisionswerberin bei der Tätigkeit betreten; sie sei dafür zu diesem Zeitpunkt und bis dato nicht zur Sozialversicherung gemeldet gewesen. Es handle sich um den ersten Meldeverstoß der Revisionswerberin.

7 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht (nach Wiedergabe von Auszügen der §§ 4, 10, 33, 35, 111 und 113 ASVG) im Einzelnen Grundsätze aus der zu § 4 Abs. 2 ASVG ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dar. Fallbezogen führte es aus, bei der Beschäftigung der SK durch die Revisionswerberin habe persönliche Arbeitspflicht der SK bestanden. Dass der Arbeitsort an das Wohnhaus gebunden gewesen sei, stelle vorliegend kein unterscheidungskräftiges Merkmal dar. Zur Bindung an die Arbeitszeit sei festzuhalten, dass zwischen Revisionswerberin und SK ungefähr ein dreiwöchiger Rhythmus vereinbart, der konkrete Termin jedoch auf Initiative der Revisionswerberin festgelegt worden sei. Auch die Dauer von etwa vier Stunden sei im Wesentlichen von der Revisionswerberin festgelegt worden. SK habe diese Dauer selbst dann nicht überschritten, wenn sie von der Revisionswerberin zusätzliche Aufgaben erhalten habe, weil sie in diesem Fall eine andere Tätigkeit weggelassen habe. Auch die Beginnzeit sei mit ca. 11 Uhr im Wesentlichen immer gleich gewesen. Zur Bindung hinsichtlich des Arbeitsverfahrens sei festzuhalten, dass die Revisionswerberin zu Beginn des Tätigwerdens von SK festgelegt habe, welche Arbeiten diese jeweils verrichten solle; diese seien im Wesentlichen jedes Mal so ausgeführt worden. Zusätzliche Arbeitsaufträge seien von der Revisionswerberin auch gesondert mitgeteilt worden, dies sei nicht oft vorgekommen. Eine Bindung der SK ergebe sich auch durch die Betriebsmittel, welche SK vor dem ersten Tätigwerden gezeigt sowie im Weiteren von der Revisionswerberin gekauft und zur Verfügung gestellt worden seien. Den konkreten Arbeitsablauf und die Reihenfolge der Tätigkeiten habe SK selbst wählen können, gelegentlich habe sie auch selbständig zusätzliche Arbeiten ausgeführt, wenn dies innerhalb der vier Stunden möglich gewesen sei. Aufgrund der langjährigen Berufserfahrung der SK und ihrer fachlichen Kenntnisse in Zusammenschau mit dem Umstand, dass die Arbeitsausführung als Reinigungskraft keinen übermäßigen Gestaltungsspielraum zulasse, seien konkrete Weisungen durch die Revisionswerberin im Verlauf der Tätigkeit nicht erforderlich gewesen. Hierzu sei auf die Rechtsprechung hinzuweisen, wonach eine mit Arbeiten im Haushalt großteils in Abwesenheit des Empfängers der Arbeitsleistung beschäftigte Person im arbeitsbezogenen Verhalten nicht schon dadurch persönlich unabhängig ist, dass sich aufgrund ihrer Erfahrungen und/oder der Natur der zu verrichtenden Arbeiten Weisungen über die Reihenfolge und den näheren Inhalt dieser Arbeiten erübrigen, die Beschäftigte somit den Arbeitsablauf selbst bestimmt, sofern sie nur der stillen Autorität des Empfängers der Arbeitsleistung, dh seinem Weisungsrecht und Kontrollrecht unterliegt (Hinweis auf VwGH 20.2.1992, 89/08/0238; 3.7.1990, 88/08/0293). Die Kontrollbefugnis der Revisionswerberin ergebe sich bereits daraus, dass SK ihre Tätigkeit in deren Wohnhaus ausgeübt habe und somit die Kontrolle jedenfalls nach Erbringung der Arbeitsleistung beim Nachhausekommen der Revisionswerberin unweigerlich erfolgt sei. Wenn auch die Ausübung des Kontrollrechts aufgrund der Abwesenheit der Revisionswerberin bei der Arbeitsleistung, wie bei Tätigkeiten im Haushalt üblich, nicht erkennbar nach außen getreten sei, spreche dies für das Vorliegen einer sogenannten „stillen Autorität“ (Hinweis auf VwGH 21.11.2007, 2005/08/0051). Die Revisionswerberin habe selbst angegeben, dass SK alles immer zu ihrer Zufriedenheit gemacht habe. Darin komme die erfolgte Kontrolle der Tätigkeit der SK zum Ausdruck. Es sei nicht ersichtlich, dass es der Revisionswerberin im Fall etwaiger Beanstandungen nicht möglich gewesen wäre, diese SK (telefonisch) zu kommunizieren. Dass die Revisionswerberin an der Tätigkeit der SK nichts zu beanstanden gefunden habe, spreche nicht gegen das Vorliegen einer echten Dienstnehmereigenschaft.

8 SK sei nach Stunden bezahlt worden, inklusive einer Stunde Wegzeit. Die Bezahlung sei unabhängig von der erbrachten Leistung erfolgt. Dies indiziere ein echtes Dienstverhältnis. Ein unternehmerisches Risiko der SK sei durch Vergütung der Wegzeit minimiert. Ein weiteres Indiz für die Dienstnehmerinneneigenschaft der SK stelle die Dauer der Tätigkeit dar, die zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die Finanzpolizei im Februar 2023 bereits über ein Jahr betragen habe. Dem Umstand, dass die Mitbeteiligte alle drei Wochen, somit nur sporadisch, für die Revisionswerberin gearbeitet habe, komme keine Aussagekraft zu, weil sowohl im Rahmen eines freien Dienstvertrags als auch eines geringfügigen (echten) Dienstverhältnisses ein Tätigwerden in geringem Ausmaß möglich sei.

9 Nach dem Gesamtbild der vorliegenden Beschäftigung sei von einem Überwiegen der Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit und damit von einer Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG auszugehen.

10 Im Weiteren begründete das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Verpflichtung der Revisionswerberin, SK zur Sozialversicherung anzumelden, sowie die Höhe des Beitragszuschlages.

11 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen ihrer Revision zeigt die Revisionswerberin eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht auf.

16 Dieses Vorbringen ist wörtlich identisch mit dem (bzw Teilen des) Zulässigkeitsvorbringen(s) der von der Revisionswerberin (und ihrem Ehemann) erhobenen Revision gegen ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, mit welchem die Revisionswerberin und ihr Ehemann aufgrund des gleichen Sachverhalts wegen Übertretung des § 111 ASVG bestraft worden sind. Das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision enthält insbesondere keine Ausführungen, die sich spezifisch mit den Voraussetzungen zur Vorschreibung des Beitragszuschlags nach § 113 ASVG oder dessen Höhe befassen.

17 Es kann daher zur näheren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf den zu dieser Revision ergangenen hg. Beschluss vom 13. Mai 2025, Ra 2024/08/0130 und 0131, verwiesen werden.

18 Auch im vorliegend angefochtenen Erkenntnis hat sich das Verwaltungsgericht nicht wie von der Revisionswerberin behauptet bloß darauf gestützt, dass bereits aufgrund der verrichteten einfachen manuellen Tätigkeit ein Beschäftigungsverhältnis iSd § 4 Abs. 2 ASVG vorgelegen wäre, sondern in vertretbarer Weise eine Abwägung zur Beurteilung einer persönlichen Abhängigkeit der SK vorgenommen. Die vorliegende, auch in diesem Punkt mit jener zu Ra 2024/08/0130 und 0131, gleichlautende, Revision vermag dieser Abwägung nicht in tauglicher Weise entgegenzutreten. Dasselbe gilt für die Zulässigkeitsausführungen bezüglich eines „sanktionslosen Ablehnungsrechts“, welches vom Bundesverwaltungsgericht in vertretbarer Weise verneint wurde. Auch kann auf die Ausführungen in Rn 16 f des zitierten hg. Beschlusses dazu verwiesen werden, dass SK einem Weisungs und Kontrollrecht der Revisionswerberin kraft stiller Autorität unterlag, was im vorliegenden Fall vom Bundesverwaltungsgericht in vertretbarer Weise mit der Leistungskontrolle durch die Revisionswerberin jeweils nach erbrachter Tätigkeit sowie mit der Möglichkeit, gegenüber SK allfällige Beanstandungen zu kommunizieren, begründet wurde (vgl. dazu, dass das Weisungsrecht in Form von bloßen Kontrollrechten zutage treten kann, das auch vom Bundesverwaltungsgericht zitierte Erkenntnis VwGH 21.11.2007, 2005/08/0051). Dass das Bundesverwaltungsgericht wie in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht die Annahme des Vorliegens einer stillen Autorität ohne konkrete Anhaltspunkte getroffen hätte, trifft somit auch im vorliegenden Fall nicht zu.

19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Mai 2025

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