Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richterin und Richter, über die Revision des Wiener Berufungssenates, gegen 1. den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 2. Mai 2024, VGW 101/092/3398/2024/E 11, und 2. das am 15. April 2024 verkündete und am 3. Juni 2024 gekürzt ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW 101/092/3398/2024/E 13, betreffend Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 4 StVO (mitbeteiligte Partei:B in M, vertreten durch Sauerzopf Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Laurenzerberg 1/28), den Beschluss
Spruch
gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Zur Vorgeschichte wird zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2024, Ro 2024/02/0001, verwiesen. Hervorgehoben wird folgendes:
2 Den von der Mitbeteiligten gestellten Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung für ein bestimmtes Kraftfahrzeug betreffend eine näher genannte Kurzparkzone, eingeschränkt auf die Gartensaison von März bis Oktober wies der revisionswerbende Wiener Berufungssenat im Instanzenzug (nach einer gleichlautenden Entscheidung des Magistrats der Stadt Wien) ab. Der dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) statt und erteilte der Mitbeteiligten die beantragte Ausnahmebewilligung mit der Bezeichnung „Saisonpickerl“. Dieses Erkenntnis wurde aufgrund der vom Wiener Berufungssenat erhobenen Revision im ersten Rechtsgang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben (vgl. VwGH 22.2.2024, Ro 2024/02/0001).
3 In der daraufhin am 15. April 2024 vor dem Verwaltungsgericht durchgeführten Verhandlung schritt für den Wiener Berufungssenat X., eine Mitarbeiterin des Magistrats der Stadt Wien mit einer Bevollmächtigung gemäß § 66g Abs. 6 letzter Satz Wiener Stadtverfassung ein, nach der sie berechtigt war, den Wiener Berufungssenat in der genannten Verhandlung zu vertreten. Nach Verkündung des der Beschwerde der Mitbeteiligten stattgebenden und die beantragte Ausnahmebewilligung (mit Ausnahme der Hauptstraßen B) erteilenden Erkenntnisses wurde den Parteien die Niederschrift samt Belehrung über den Ausfertigungsantrag ausgefolgt. Am 16. April 2024 langte beim Verwaltungsgericht ein von X. übermitteltes E Mail vom 15. April 2024 ein, in dem um schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses ersucht wird.
4 Dieser Antrag wurde vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 2. Mai 2024 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gegen diesen Beschluss eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach § 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei. Zur Begründung der sofortigen Zurückweisung der Eingabe wird darauf verwiesen, dass auf Grund des objektiven Erklärungswertes der Eingabe kein Zweifel daran bestehe, dass diese einer nicht Parteistellung genießenden Person zuzurechnen sei. Im E Mail vom 15. April 2024 sei weder auf ein bestehendes Vollmachtsverhältnis hingewiesen worden, noch sei offengelegt worden, dass der Antrag nicht im eigenen Namen gestellt werde, weil der Antrag von der Teamleiterin X. „unter Signatur“ des Magistrats der Stadt Wien gestellt worden sei. Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Vollmacht umfasse entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung des § 66g Abs. 6 letzter Satz Wiener Stadtverfassung allein die Vertretung in der mündlichen Verhandlung, welche zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits geschlossen gewesen sei.
5 Am 3. Juni 2024 fertigte das Verwaltungsgericht das in der Verhandlung vom 15. April 2024 verkündete Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG in gekürzter Form aus, weil keine zur Erhebung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof legitimierte Partei und kein hierzu legitimiertes Organ innerhalb der gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG normierten Frist von zwei Wochen nach Ausfolgung oder Zustellung der Niederschrift einen Antrag auf Ausfertigung der Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG gestellt habe.
6 Gegen den oben genannten Beschluss vom 2. Mai 2024 und gegen die soeben dargestellte gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses vom 3. Juni 2024 richtet sich die vorliegende Revision des Wiener Berufungssenates. Diese erweist sich als unzulässig.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, die dem Rechtsschutzbedürfnis soweit wie möglich entgegenkommende Auslegung des E-Mails vom 15. April 2024 lege nahe, dass der Antrag für den revisionswerbenden Wiener Berufungssenat eingebracht worden sei, weil er von einer aufgrund ihrer Teilnahme an der Verhandlung im gegenständlichen Verfahren bekannten bevollmächtigten Vertreterin der revisionswerbenden Partei fristgerecht eingebracht worden sei.
11 Gemäß § 66g Abs. 6 letzter Satz Wiener Stadtverfassung obliegt dem Vorsitzenden des Wiener Berufungssenates die Ausstellung von Vollmachten an Bedienstete der Stadt Wien zur Vertretung des Wiener Berufungssenates in mündlichen Verhandlungen vor den Verwaltungsgerichten.
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles auch eine andere Auslegung einer Erklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinn zu. So geht die vertretbare Auslegung eines Antrages in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag sohin auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen. Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles auch eine andere Auslegung einer Erklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinn zu (vgl. etwa VwGH 15.4.2019, Ra 2018/02/0087, mwN).
13 Das E-Mail vom 15. April 2024 stammt von der Magistratsmitarbeiterin X., zu der am Ende des E Mails noch ihre Funktion als Teamleiterin eines näher genannten Bereiches sowie die verbale Umschreibung einer konkreten Magistratsabteilung der Stadt Wien genannt sind. Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammenhang, dass der erstinstanzliche Bescheid in der gegenständlichen Rechtsache vom Magistrat der Stadt Wien erlassen wurde. Unabdingbare Voraussetzung zur Begründung des Vollmachtsverhältnisses im Außenverhältnis ist die Offenlegung der Vollmacht gegenüber der für das Verfahren kompetenten Behörde (vgl. Hengstschläger/Leeb , AVG² § 10 Rz 7 mit weiteren Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
14 Wenn das Verwaltungsgericht im E Mail vom 15. April 2024 einen Hinweis auf ein Handeln im Namen des revisionswerbenden Wiener Berufungssenates vermisst, ist diese Auslegung vertretbar, zumal die von der Einschreiterin X. in der Verhandlung vorgelegte Vollmacht entsprechend der eingeschränkten gesetzlichen Ermächtigung des § 66g Abs. 6 letzter Satz Wiener Stadtverfassung ausdrücklich auf die Vertretung des Wiener Berufungssenates in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeschränkt war und ihre Eingabe lediglich einen Hinweis auf ein Handeln im Namen des Magistrats der Stadt Wien erkennen lässt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zeigt die vorliegende Revision daher hinsichtlich der Auslegung des E Mails vom 15. April 2024 nicht auf.
15 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit noch geltend, das Verwaltungsgericht habe entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weitere Ermittlungen und die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens gemäß § 13 Abs. 3 AVG unterlassen.
16 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde dann, wenn nicht eindeutig klar ist, wem ein Rechtsmittel zuzurechnen ist, verpflichtet, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist. Nur wenn die Behörde aufgrund des objektiven Erklärungswertes der Eingabe keinen Zweifel daran hat, dass diese einer nicht Parteistellung genießenden Person zuzurechnen ist, darf sie mit einer sofortigen Zurückweisung dieser Eingabe vorgehen (vgl. VwGH 29.9.2016, Ra 2016/05/0044 bis 0045, mwN).
17 Dem zitierten Verfahren lag zu Grunde, dass der dortigen Einschreiterin eine Vollmacht zur Vertretung der dortigen Revisionswerber im (gesamten) Bauverfahren erteilt wurde und sich die Eingabe auf Aktenbestandteile bezog, aus denen hervorging, dass die Einschreiterin jeweils als Vertreterin der dortigen Revisionswerber aufgetreten ist. Im Gegensatz dazu liegt hier eine auf die mündliche Verhandlung eingeschränkte Vollmacht sowie ein Handeln für den Magistrat der Stadt Wien und nicht für den revisionswerbenden Wiener Berufungssenat vor. Da das Verwaltungsgericht aufgrund des objektiven Erklärungswertes der Eingabe keinen Zweifel an der Zurechnung des in Rede stehenden E-Mails hatte, wird ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt.
18 Schließlich bemängelt die Zulässigkeitsbegründung der Revision noch die dem angefochtenen Erkenntnis fehlende Begründung über die Nichtzulassung der Revision, weil dort lediglich der Gesetzeswortlaut wiedergegeben und der Ausspruch nicht inhaltlich und fallbezogen begründet werde (Hinweis auf VwGH 10.10.2014, Ro 2014/02/0104).
19 Der Umstand, dass das Verwaltungsgericht seinen Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision ausschließlich auf die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes beschränkte, führt aber für sich betrachtet noch nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 gegeben wären (vgl. VwGH 17.11.2015, Ra 2015/22/0131, mwN).
20 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher betreffend den Zurückweisungsbeschluss vom 2. Mai 2024 mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG und betreffend das (gekürzt ausgefertigte) Erkenntnis gemäß § 25a Abs. 4a letzter Satz VwGG unzulässig und somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 23. Juli 2024