JudikaturVwGH

Ra 2024/02/0075 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Juni 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des A in G, vertreten durch Dr. Emelle Eglenceoglu, Rechtsanwältin in 6800 Feldkirch, Gilmstraße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 29. November 2023, LVwG 1 662/2023 R11, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bludenz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 2. November 2022, BHBL/X/012021056516, wurde über den Revisionswerber wegen einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geld- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Dieses Straferkenntnis wurde dem Revisionswerber per Anschrift an einen Förderverein in Göfis, dessen Obmann der Revisionswerber ist, zugestellt.

2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Revisionswerber mit Schreiben vom 29. November 2022 Beschwerde, wobei er auf deren Deckblatt als seine Adresse Reichenauerstraße 141, 6020 Innsbruck, angab.

3 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (Verwaltungsgericht) vom 29. November 2023, LVwG 1 662/2023 R11, wurde der Beschwerde des Revisionswerbers keine Folge gegeben und das Straferkenntnis der belangten Behörde mit näheren Maßgaben bestätigt. Weiters wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben. Dieses Erkenntnis wurde an die vom Revisionswerber auf der Beschwerde bekannt gegebene Adresse abgefertigt.

4 Mit per WEB ERV eingebrachter Eingabe vom 27. März 2024 erhob der Revisionswerber Revision „wegen: Verwaltungsübertretung BHFK X 04 2022 101 265 der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch LVwG 1 662/2023 R1“.

5 Da die Zahl des Verwaltungsgerichts nicht zur vom Verwaltungsgericht vorgelegten Entscheidung passte und die belangte Behörde in diesem Verfahren die Bezirkshauptmannschaft Bludenz war, wurde der Revisionswerber aufgefordert, das angefochtene Erkenntnis nach Datum und Geschäftszahl genau zu bezeichnen, weshalb auch eine Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses beizuschließen sei. Überdies seien die Rechte zu bezeichnen, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet.

6 In der Folge legte der Revisionswerber eine Abschrift des vom Verwaltungsgericht vorgelegten Erkenntnisses vom 29. November 2023, LVwG 1 662/2023 R11, vor und bezeichnete dieses als das angefochtene Erkenntnis. Die belangte Behörde bzw. die Geschäftszahl der belangten Behörde wurden nicht verbessert; durch die Vorlage des bekämpften Erkenntnisses ist jedoch hinlänglich klar, dass der Revisionswerber diese Entscheidung angefochten hat, obwohl er in der Revision sowohl unter der Überschrift „Sachverhalt“ als auch in den Revisionsgründen davon spricht, ihm werde vorgeworfen, ein Kind das jünger als 14 Jahre alt und kleiner als 135 cm war, ohne die notwendige Kindersicherung befördert zu haben. Dieser Vorwurf wurde im gegenständlichen Verfahren aber nicht erhoben.

7 Unabhängig davon ist im gegenständlichen Verfahren vor allem die Rechtzeitigkeit der Revision strittig. Nach dem dazu erstatteten Vorbringen des Revisionswerbers gebe es gegen ihn ein Konkursverfahren vor dem BG Feldkirch, der Masseverwalter sei jedoch nicht zur Entgegennahme von Schriftstücken im Konkursverfahren zuständig. Die Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes sei an die Adresse seiner Eltern erfolgt, „obwohl der [Revisionswerber] in seiner Beschwerdeschrift seine Abgabestelle in Göfis angegeben habe“. In weiterer Folge habe er einen Verfahrenshilfeantrag an den Verwaltungsgerichtshof gestellt, dieser sei unerledigt und dem Revisionswerber nicht zugestellt worden. Seitens des Revisionswerbers werde ausgeführt, dass die Revision trotz nicht bewilligter Verfahrenshilfe „heute“ ausgeführt und begründet werde. Das Erkenntnis sei am 6. Dezember 2023 „zugestellt“ worden, weil sich der Revisionswerber an diesem Tag bei seinen Eltern aufgehalten habe. Er habe von seinem Vater jedoch nur eine Kopie erhalten. Seine Abgabestelle sei „seit geraumer Zeit“ in Göfis. In Innsbruck habe er keine Abgabestelle; eine körperliche Übergabe des Erkenntnisses habe nicht stattgefunden, weshalb er einen Zustellantrag stelle. Am 11. Jänner 2024 sei die Frist zur Erstattung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde noch offen gewesen; an diesem Tag habe der Revisionswerber die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof angemeldet und einen Verfahrenshilfeantrag gestellt.

8 Nach der Meldebestätigung aus dem Zentralen Melderegister hatte der Revisionswerber am 10. September 2021 die Verlegung seines Hauptwohnsitzes von der alten an die neue Anschrift gemeldet, sodass seinem Vorbringen nach bereits ab diesem Zeitpunkt keine Abgabestelle an der alten Anschrift mehr bestand.

9 Nach dem unbedenklichen Akteninhalt des Verwaltungsstrafverfahrens, auf dem das vom Revisionswerber vorgelegte Erkenntnis gründet, hat der Revisionswerber im Beschwerdeschriftsatz vom 29. November 2022 somit nach der behaupteten Übersiedlung nach Vorarlberg jedoch seine Adresse in Innsbruck angegeben. In der Folge hat das Verwaltungsgericht ihm das Erkenntnis ohne Durchführung weiterer Ermittlungen an diese Adresse übermittelt, wo es am 30. November 2023 von einem „Mitbewohner“ übernommen worden ist.

10 Dass der Revisionswerber dem Verwaltungsgericht jemals eine Änderung seiner Abgabestelle mitgeteilt hätte oder dass eine solche dem Verwaltungsgericht sonst erkennbar gewesen sei, bringt er nicht vor und ergibt sich auch sonst nicht aus den Akten.

11 Hat die Partei in einem Anbringen eine Abgabestelle genannt, so kann diese als ihre bisherige Abgabestelle angesehen werden; eine Partei, die der Behörde eine allenfalls unrichtige Wohnanschrift angibt, hat die ihr aus einer Zustellung an diese unrichtige Wohnanschrift erwachsenden Rechtsnachteile selbst zu vertreten (vgl. VwGH 27.3.2007, 2006/21/0337, 0338, mwN, zur unrichtigen Angabe einer Anschrift im Rubrum eines Schriftsatzes).

12 Da die Verlegung des Hauptwohnsitzes (und damit die behauptete Änderung der Abgabestelle) vor Einleitung des Beschwerdeverfahrens erfolgte, konnte das Verwaltungsgericht dem Revisionswerber wirksam an die in der Beschwerde genannte Anschrift zustellen (vgl. ebenso VwGH 2.2.2022, Ra 2022/03/0004).

13 Selbst wenn man von einer Änderung der Abgabestelle während des Verfahrens ausginge, so hätte der Revisionswerber die nach § 8 Abs. 1 ZustG verpflichtende Mitteilung darüber an die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht unterlassen. Damit trägt er nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Gefahr, dass die Behörde bzw. das Gericht diese Änderung nicht erkennen und die Zustellung an der bisherigen Abgabestelle bewirkt werden kann, gleichgültig, wo sich die Partei tatsächlich aufgehalten hat und welche Abgabestelle für sie zu diesem Zeitpunkt sonst in Betracht gekommen wäre, sofern die Behörde bzw. das Gericht wie vorliegend von der Änderung bzw. Aufgabe der Abgabestelle keine Kenntnis erlangt und sich daher zu Nachforschungen über die Abgabestelle des Empfängers im Sinne des § 8 Abs. 2 ZustG von vornherein nicht veranlasst sehen kann (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0064, mwN).

14 Das angefochtene Erkenntnis wurde daher dem Revisionswerber am 30. November 2023 rechtswirksam zugestellt.

15 Die Revision erweist sich damit als verspätet:

16 Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen ab der Zustellung. Hat die Partei innerhalb der Revisionsfrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt (§ 61 VwGG), so beginnt gemäß § 26 Abs. 3 VwGG für sie die Revisionsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwalts an diesen. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, so beginnt die Revisionsfrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei.

17 Der Revisionswerber hat die außerordentliche Revision am 27. März 2024 per WEB ERV beim Landesverwaltungsgericht eingebracht. Letzter Tag der Revisionsfrist war ausgehend von der Zustellung des Erkenntnisses am 30. November 2023 jedoch der 11. Jänner 2024.

18 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, dass die Revisionsfrist durch seinen Verfahrenshilfeantrag gewahrt worden sei, ist darauf zu verweisen, dass dem Beschluss, mit dem über den Antrag auf Verfahrenshilfe abgesprochen wird, rückwirkende Kraft nicht zukommt. Hat ein Antragsteller bereits wie hier Revision erhoben, wird dieser Verfahrensschritt weder durch die Bewilligung noch die Versagung der Verfahrenshilfe beseitigt (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 15.11.2021, Ra 2021/03/0150, mwN). Die Revisionsfrist wird in solchen Fällen durch die Einbringung des Verfahrenshilfeantrags auch nicht gehemmt (vgl. etwa VwGH 25.3.2021, Ra 2021/19/0032) bzw., wie der Revisionswerber vermeint, gewahrt.

19 Bei diesem Ergebnis war es sohin unerheblich, dass entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers beim Verwaltungsgerichtshof kein Verfahrenshilfeantrag des Revisionswerbers anhängig ist bzw. jemals in dieser Angelegenheit eingebracht wurde.

20 Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 3. Juni 2024

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