Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Y A, vertreten durch Dr. Eva Jana Messerschmidt, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Freyung 6/7/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2024, Zl. L519 2280184 1/9E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde in der Sache der Antrag des Revisionswerbers eines Staatsangehörigen der Türkei und kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit auf internationalen Schutz abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei, eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 10. Juni 2024, E 1778/2024 7, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 10. Juli 2024, E 1778/2024 9, gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
3 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die vorliegende Revision richtet sich in ihrem Zulässigkeitsvorbringen ausschließlich gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten. Dazu wird zusammengefasst vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe mit Blick auf das gegen den Revisionswerber (wegen unterstellter Betätigung für die Gülen Bewegung) im Herkunftsstaat im Rechtsmittelstadium anhängige Strafverfahren und die vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Länderfeststellungen zur Rechtsstaatlichkeit in der Türkei unvertretbar den Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 10.5.2024, Ra 2024/01/0143, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch festgehalten, dass die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht reversibel ist (vgl. etwa VwGH 10.7.2024, Ra 2023/01/0354).
9 Die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, ist eine Entscheidung im Einzelfall, die grundsätzlich wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vorgenommen wurde nicht revisibel ist. Dem Revisionswerber muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 8.11.2023, Ra 2023/20/0520, mwN).
10 Im vorliegenden Fall führte das Bundesverwaltungsgericht näher begründet aus, es könne nicht festgestellt werden, dass dem Revisionswerber bei einer Rückkehr in die Türkei aufgrund einer tatsächlichen oder unterstellten Mitgliedschaft in der Gülen Bewegung die behauptete strafrechtliche Verurteilung drohe und er in Strafhaft unter unmenschlichen Haftbedingungen gelangen würde. Zudem liege es mit Blick auf das näher dargestellte bisherige Verfahrensgeschehen einzelfallbezogen für den Revisionswerber fern, dass in seinem Verfahren rechtstaatliche Standards nicht hinreichend eingehalten würden.
11 Das Bundesverwaltungsgericht verschaffte sich in einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber und kam basierend darauf auch unter Berücksichtigung der getroffenen Länderfeststellungen einzelfallbezogen zu dem Ergebnis, dass glaubwürdige Anhaltspunkte oder Hinweise auf eine individuelle Verfolgung des Revisionswerbers im Sinne der GFK fehlen. Dass diese Beurteilung eine im Revisionsmodell aufzugreifende Unvertretbarkeit aufweisen würde, vermag der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufzuzeigen.
12 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 16. Juli 2024