JudikaturVwGH

Ra 2023/22/0202 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Thaler, über die Revision des D C, vertreten durch Mag. Alfred Witzlsteiner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria Theresien Straße 21/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 1. Dezember 2023, Zl. LVwG 2022/19/0411 29, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Zur Vorgeschichte wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das Erkenntnis VwGH 11.5.2023, Ra 2022/22/0132, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 28. Juli 2022, mit dem die Beschwerde des Revisionswerbers, eines chinesischen Staatsangehörigen, gegen den im zweiten Rechtsgang erlassenen, seinen am 20. April 2021 eingelangten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41 Abs. 2 Z 4 Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz (NAG) abweisenden Bescheid der belangten Behörde (Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck) vom 27. Jänner 2022 abgewiesen worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

2 Begründend hielt der Verwaltungsgerichtshof zusammengefasst fest, dass der Umstand, dass aus dem Ausland importiertes Kapital bereits zuvor vorübergehend im Inland anderweitig (unter Umständen teils als Gesellschafterdarlehen sowie teils in Form der Einzahlung von Stammkapital) investiert worden war, entgegen den Erwägungen im Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 28. Juli 2022 nicht zwingend ausschließt, dass die Geldmittel (unter der Voraussetzung, dass sie tatsächlich ursprünglich aus dem Ausland ins Inland transferiert worden waren) als aus vom Ausland nach Österreich importiertes Kapital im Sinn von § 24 Abs. 1 AuslBG zu qualifizieren sind. Weiters führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Konstellation zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen hatte. Folglich erwiesen sich auch jene Begründungsstränge des Erkenntnisses vom 28. Juli 2022, die sich nicht auf die (fälschliche) Annahme eines fallbezogen aus rechtlichen Gründen von vornherein ausgeschlossenen ausländischen Kapitaltransfers, sondern auf seitens des Revisionswerbers nicht erbrachte Nachweise zur Herkunft des Investitionskapitals stützten, wegen der unterbliebenen mündlichen Verhandlung und der unterlassenen Zeugeneinvernahmen als nicht tragfähig.

3 Mit dem angefochtenen (Ersatz )Erkenntnis vom 1. Dezember 2023 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die gegenständliche Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung (erneut) ab und bestätigte den Bescheid vom 27. Jänner 2022 mit der Maßgabe, dass sich die Nichterteilung des in Rede stehenden Aufenthaltstitels auf § 11 Abs. 1 Z 5 iVm. Abs. 3 NAG sowie auf § 41 Abs. 2 Z 4 NAG iVm. § 24 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) stütze. Ferner traf das Verwaltungsgericht einen im vorliegenden Revisionsverfahren nicht relevanten Ausspruch betreffend vom Revisionswerber zu ersetzende Barauslagen. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4 Das Verwaltungsgericht stellte aufgrund näher dargelegter beweiswürdigender Überlegungen fest, dass abweichend von den Angaben des Revisionswerbers im Zusammenhang mit der von ihm geplanten Erwerbstätigkeit nicht mehr als € 100.000, , sondern weniger als € 100.000, in das Bundesgebiet an Investitionskapital tatsächlich transferiert worden seien (nämlich ein Betrag von insgesamt € 99.788, , der sich aus zwei aus China stammenden, nach Abzug von „Gebühren“ erfolgten Gutschriften auf österreichischen Bankkonten à jeweils € 39.894, sowie aus einem weiteren aus China stammenden Geldbetrag in der Höhe von € 20.000, zusammensetze). Weiters traf es konkrete Feststellungen zu den Aufenthaltszeiten des in Spanien über einen Aufenthaltstitel „Residencia larga duración“ verfügenden Revisionswerbers in Österreich. U.a. habe er sich von 11. August 2022 bis 18. November 2022 in Österreich aufgehalten.

5 In rechtlicher Hinsicht gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der Revisionswerber durch seinen 100 tägigen Aufenthalt in Österreich von 11. August 2022 bis 18. November 2022, während dessen er nach zulässiger Inlandsantragstellung die zulässigen visumfreien Aufenthaltszeiten (90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen) überschritten habe (vgl. Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen [SDÜ]), das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht habe. Eine Interessenabwägung im Sinn von § 11 Abs. 3 NAG iVm. Art. 8 EMRK falle aus näher bezeichneten Gründen zu Ungunsten des Revisionswerbers aus, weshalb allein schon infolge des genannten Erteilungshindernisses der in Rede stehende Aufenthaltstitel zu versagen sei.

6 Im Übrigen erfülle der Revisionswerber, der sich auf einen Transfer von Investitionskapital aus China und Spanien berufe, angesichts der in § 24 Abs. 1 AuslBG festgelegten Höhe des nach Österreich zu transferierenden Investitionskapitals von mindestens € 100.000, und der diesbezüglich im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellung, der zufolge das vom Revisionswerber aus dem Ausland transferierte Kapital den gesetzlich bestimmten Mindestbetrag nicht erreiche, die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel gemäß § 41 Abs. 2 Z 4 NAG nicht.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B VG liegen nicht vor:

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG im Zusammenhang mit der Überprüfung der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs, nicht aber um die konkrete Richtigkeit handelt, sowie wenn es darum geht, ob die in diesem Denkvorgang gewürdigten Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. VwGH 24.5.2022, Ra 2022/22/0039, Rn. 21, mwN).

12 Eine derartige Unvertretbarkeit der im angefochtenen Erkenntnis erfolgten Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Das gilt sowohl für die beweiswürdigenden Überlegungen des Verwaltungsgerichts, aufgrund derer im angefochtenen Erkenntnis die Feststellung getroffen wurde, dass das in Rede stehende, vom Ausland aus nach Österreich transferierte Investitionskapital den in § 24 Abs. 1 AuslBG festgelegten Mindestbetrag von € 100.000, unterschreite, als auch für die beweiswürdigenden Erwägungen zu den inländischen Aufenthaltszeiten des Revisionswerbers. Zu den betreffenden Feststellungen gelangte das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, der Befragung mehrerer Zeugen sowie eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens. Die diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Erwägungen sind gemessen am dargestellten Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu beanstanden.

13 Dass das Verwaltungsgericht hinsichtlich des nach Österreich transferierten Investitionskapitals nur jene Geldbeträge berücksichtigte, die nach Durchführung von aus dem Ausland (China) stammenden Überweisungen nach Abzug von „Gebühren“ auf österreichischen Konten tatsächlich gutgeschrieben wurden, wirft dabei, da auch nur die nach ihrem Transfer aus dem Ausland als Bankguthaben aufscheinenden Beträge für mit der gegenständlich beabsichtigten Erwerbstätigkeit verbundene Investitionen im Inland zur Verfügung stehen und einen entsprechenden wirtschaftlichen Impuls in Österreich bewirken können, keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG auf (vgl. VwGH 11.5.2023, Ra 2022/22/0132, Rn. 20).

14 Wenn die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung ins Treffen führt, es liege ein Kapitaltransfer von mehr als € 100.000, vor, entfernt sie sich daher von dem im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt, ohne bezogen auf die im angefochtenen Erkenntnis als nicht erfüllt betrachtete besondere Erteilungsvoraussetzung gemäß § 41 Abs. 2 Z 4 NAG iVm. § 24 Abs. 1 AuslBG eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darzulegen. Zudem ist im Lichte des Vorbringens des Revisionswerbers nicht ersichtlich, unter welchen konkreten Gesichtspunkten die von ihm beabsichtigte Erwerbstätigkeit wegen der Schaffung von neuen oder der Sicherung von bestehenden Arbeitsplätzen als von gesamtwirtschaftlichem Nutzen zu betrachten wäre (§ 24 Abs. 1 AuslBG).

15 Darüber hinaus zeigt die Revision hinsichtlich des vom Verwaltungsgericht als verwirklicht angesehenen Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 NAG keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Überschreitung der zulässigen visumfreien Zeiten um 10 Tage erfüllt zweifelsohne den Tatbestand des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG (hinsichtlich einer zweitägigen Überschreitung vgl. VwGH 11.11.2021, Ra 2020/22/0089, Pkt. 5.4.) und hat, sofern eine Interessenabwägung im Sinn von § 11 Abs. 3 NAG iVm. Art. 8 EMRK nicht zu Gunsten des Antragstellers ausfällt, zur Versagung des Aufenthaltstitels zu führen. Zu der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Interessenabwägung mit für den Revisionswerber negativem Ausgang enthält die Zulässigkeitsbegründung kein substantiiertes Vorbringen, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG dargelegt wird.

16 Wenn die Zulässigkeitsbegründung mit bloß allgemein gehaltenen Ausführungen die Missachtung von Verfahrensvorschriften (insbesondere die Verletzung von Parteiengehör und Parteienrechten) rügt, genügt es festzuhalten, dass es diesbezüglich schon an der erforderlichen Relevanzdarstellung fehlt (VwGH 21.6.2022, Ra 2021/22/0253, Rn. 11).

17 Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war die Revision daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. Jänner 2024

Rückverweise