Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision 1. der A Y (alias A I), und 2. des D Y (alias D K), beide vertreten durch Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwalt in 7100 Neusiedl/See, Untere Hauptstraße 72, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. März 2023, 1. W215 2240477 1/12E und 2. W215 2240476 1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige Kasachstans. Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter des minderjährigen Zweitrevisionswerbers. Die Erstrevisionswerberin stellte für sich und den Zweitrevisionswerber erstmals am 1. September 2013 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.
2 Am 15. Juni 2016 reisten die Revisionswerber freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.
3 Am 17. September 2019 stellte die Erstrevisionswerberin für sich und den Zweitrevisionswerber erneut Anträge auf internationalen Schutz. Mit Bescheiden vom 28. Jänner 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diese Anträge ab, erteilte den Revisionswerbern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerber - mit einer hier nicht relevanten Maßgabe - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe in seinem Ausspruch zur Zulässigkeit der Revision lediglich den Inhalt des Art. 133 Abs. 4 B VG wiedergegeben, ohne den Ausspruch näher zu begründen.
9 Ungeachtet dessen, dass - anders als in der Revision vorgebracht - das BVwG im vorliegenden Fall seinen Ausspruch, mit dem die Revision nicht zugelassen wurde, in der nach dem Gesetz gebotenen Kürze begründet hat, führt selbst das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet nicht dazu, dass die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG gegeben wären. Der Verwaltungsgerichtshof ist gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den nach § 25a Abs. 1 VwGG getätigten Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden, sondern überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision anhand der gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dazu gesondert vorgebrachten Gründe. An der gesonderten Darlegung dieser Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, war die Revisionswerberin nicht gehindert (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 30.3.2022, Ra 2021/01/0103, VwGH 17.12.2018, Ra 2018/14/0253, mwN).
10 Die Revision wendet sich des Weiteren gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen – wenn kein revisibler Verfahrensmangel aufgezeigt wird und sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde – nicht revisibel (vgl. VwGH 3.5.2023, Ra 2022/19/0226, mwN).
12 Mit dem pauschalen Zulässigkeitsvorbringen, das BVwG habe keine Überprüfung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen, die den Anforderungen des § 9 BFA-VG entspräche, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden sei gänzlich unterblieben, verabsäumt es die Revision, konkret jene Umstände zu bezeichnen, die unberücksichtigt geblieben wären oder denen nicht entsprechendes Gewicht beigemessen worden wäre. Die Revision vermag daher nicht darzulegen, dass das BVwG seine Interessenabwägung in einer unvertretbaren Weise vorgenommen hätte oder die Gewichtung der einbezogenen Umstände den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien widerspräche (vgl. VwGH 6.9.2022, Ra 2022/19/0138, mwN).
13 Die Revision bringt schließlich vor, das BVwG habe die Grundsätze der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheit dadurch verletzt, dass es gegen seine Verpflichtung verstoßen habe, „für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen“ und auf das Parteivorbringen einzugehen.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 27.6.2022, Ra 2022/19/0020, mwN).
15 Diesen Anforderungen wird die Revision mit den wiedergegebenen Ausführungen, die keinen Bezug zu dem angefochtenen Erkenntnis herstellen und keine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, nicht gerecht.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen
Wien, am 17. Juli 2023