Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Gröger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des C E, vertreten durch Mag. Torsten Gierlinger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 84, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Jänner 2023, I405 2256223 1/16E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias der Volksgruppe der Igbo, stellte am 11. März 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, in seiner Heimat würde er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Biafra Bewegung er sei Mitglied der „Indigenous People of Biafra“, IPOB von der Regierung verfolgt werden. Er sei mit Hilfe eines Studentenvisums Anfang 2021 in die Ukraine gereist, welche er wegen des dort herrschenden Krieges verlassen habe.
2 Mit Bescheid vom 31. Mai 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Im Zusammenhang mit der Bestätigung der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten führte das BVwG sofern für das Revisionsverfahren von Relevanz begründend aus, der Revisionswerber habe eine asylrelevante Bedrohung aufgrund näher dargestellter Widersprüche und Steigerungen vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht glaubhaft machen können. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Revisionswerber die von ihm dargelegten Geschehnisse tatsächlich erlebt habe; seine Verfolgung aufgrund der vermeintlichen Zugehörigkeit zur IPOB stelle ein gedankliches Konstrukt dar. Die Bestätigung des Ausspruches über die Zulässigkeit der Abschiebung begründete das BVwG mit dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) sowie damit, dass es rechtlich nicht möglich sei, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen.
5 Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 19. September 2023, E 461/2023 7, abgelehnt. Über nachträglich gestellten Antrag wurde die Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. Oktober 2023, E 461/2023 9, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
6 Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich ihrem Inhalt nach nur gegen die Verweigerung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gegen den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung. Sie macht geltend, das BVwG habe Beweisanträge des Revisionswerbers mit einer Scheinbegründung abgewiesen und das angefochtene Erkenntnis mit einer antizipierenden Beweiswürdigung belastet. Darüber hinaus sei das BVwG von der „Rechtsprechung des BVwG“ abgewichen, indem es entgegen dem Bestehen „notorische(r) Umstände“ von der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat des Revisionswerbers ausgegangen sei (Verweis auf VwGH 2013/21/0218).
7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Eine unzulässige antizipierende Beweiswürdigung liegt dann vor, wenn ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorweggenommen wird (vgl. VwGH 29.6.2022, Ra 2022/14/0154, mwN; vgl. auch VwGH 18.01.2017, Ra 2016/18/0197). Dass dem BVwG eine solche vorzuwerfen ist, vermag die Revision nicht aufzuzeigen: In seiner vom BVwG eingeräumten Stellungnahme zu den Länderberichten vom 9. Jänner 2023 führte der Revisionswerber aus, dass er nicht direkt von der Polizei, sondern vom „Department for Security Service“ (DSS) gesucht würde. Er beantragte darin, die Staatendokumentation mit einer Auskunft über das DSS zur Untermauerung seiner Glaubwürdigkeit zu befassen. Wenn die Revision dem BVwG nun eine antizipierende Beweiswürdigung vorwirft, weil es den in der Stellungnahme zu den Länderberichten vom 9. Jänner 2023 gestellten Beweisanträgen nicht nachgekommen sei, entfernt sie sich begründungslos vom festgestellten Sachverhalt, mit dem die in der Stellungnahme gestellten Fragen („Gibt es in Nigeria eine polizeiähnliche Bundesbehörde ... namens Department for Security Service (DSS)? Wenn ja, hat diese Organisation (auch) die Aufgabe, um Mitglieder von IPOB oder dem ESN zu suchen und festzunehmen? Erfüllt das ... DSS die Anforderungen an eine rechtsstaatliche Polizeibehörde oder sind Berichte bekannt, die darauf schließen lassen, dass diese Organisation Menschenrechte verletzt? Wenn ja, welche Menschenrechtsverletzungen liegen vor?“) ohnedies behandelt wurden. So finden sich entsprechende Ausführungen zur Existenz und Aufgabe des DSS auf Seite 17 des angefochtenen Erkenntnisses und zu berichteten Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige dieser Organisation auf den Seiten 20 und 51. Dass die beantragte Anfrage an die Staatendokumentation geeignet gewesen wäre, zu einem anderen und für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis kommen zu können, ist somit nicht ersichtlich.
12 Die Revision beanstandet in der Zulässigkeitsbegründung auch die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach § 50 FPG und verweist diesbezüglich auf gegen die Abschiebung sprechende „notorische Umstände“. Sie konkretisiert allerdings nicht näher, welche notorischen Umstände einer Abschiebung des Revisionswerbers entgegenstehen würden und enthält auch kein Vorbringen, das sich gegen die Bestätigung der Versagung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 richtet.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits erkannt, dass der Prüfungsmaßstab nach § 50 Abs. 1 FPG mit jenem nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übereinstimmt. Ein inhaltliches „Auseinanderfallen“ der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 einerseits und der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG andererseits ist jedenfalls auf Basis des nationalen Rechts daher ausgeschlossen (vgl. grundlegend VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119, aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 21.1.2021, Ra 2021/18/0005, mwN).
14 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang das Judikat des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. August 2014, 2013/21/0218, anführt, ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung eine Fallkonstellation beurteilte, in welcher ein Antrag auf Duldung nach der damals geltenden Fassung des § 46a Abs. 1 und 1a FPG mangels Antragsrechtes als unzulässig zurückgewiesen worden war. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde dagegen als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis ist für die im gegenständlichen Fall wesentlichen Rechtsfragen nicht einschlägig. Der Hinweis darauf ist deshalb schon deshalb nicht geeignet, die Zulässigkeit der vorliegenden Revision darzutun.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 26. Jänner 2024