JudikaturVwGH

Ra 2023/17/0061 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. April 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des V M in G, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Steyrergasse 103/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2023, I403 2192899 3/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Uganda, stellte am 29. März 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde letztlich im Instanzenzug mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (Verwaltungsgericht) vom 28. Mai 2018 abgewiesen; unter einem wurde eine Rückehrentscheidung gegen den Revisionswerber erlassen.

2 Am 17. Februar 2022 beantragte der Revisionswerber die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zur „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“ gemäß § 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

3 Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 6. Oktober 2022 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Mängelheilung abgewiesen. Weiters wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels da der Revisionswerber näher bezeichnete Urkunden nicht vorgelegt habe, worin eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht gelegen sei gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen. Unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem auf drei Jahre befristeten Einreiseverbot gegen den Revisionswerber erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Uganda festgestellt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21. Februar 2023 mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass es den Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde aufhob und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festsetzte. Eine Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).

10 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Demgemäß erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 3.1.2023, Ra 2022/17/0198, mwN).

11 Soweit die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen einen Verstoß gegen die Verhandlungspflicht rügt, so ist darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen bereits insoweit aktenwidrig ist, als das Verwaltungsgericht ohnedies eine mündliche Verhandlung und in deren Rahmen die Einvernahme des Revisionswerbers durchgeführt hat (vgl. oben Rn.4).

12 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele wiederum VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).

Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. erneut VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).

Mit dem lediglich pauschalen Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe sich „von gefestigter Rechtsprechung des VwGH entfernt“ sowie „[e]s wurden keine Feststellungen zur drohenden Notlage in Uganda nach 8 Jahren Absenz getroffen bzw. begründet [...]“, gelingt der Revision diese erforderliche Relevanzdarstellung nicht.

13 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. erneut VwGH 3.1.2023, Ra 2022/17/0198, mwN).

Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. neuerlich VwGH 3.1.2023, Ra 2022/17/0198, mwN).

Das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. wiederum VwGH 3.1.2023, Ra 2022/17/0198, mwN).

Der Revisionswerber begründet den Vorwurf der Rechtswidrigkeit der durch das Verwaltungsgericht angestellten Interessenabwägung mit der Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet. Vor dem Hintergrund, dass diese gemäß der vorzitierten Rechtsprechung nicht alleine maßgeblich ist und das Verwaltungsgericht fallbezogen eine Reihe weiterer Aspekte, wie das Fehlen enger Freundschaften in Österreich und den Umstand, dass er (lediglich) als Verkäufer einer Straßenzeitung tätig sei, berücksichtigt hat, legt der Revisionswerber nicht dar, dass diese Interessenabwägung mit einem im Revisionsverfahren aufzugreifenden Fehler belastet wäre.

14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. April 2023

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