Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. August 2023,W200 2270196 1/4E, betreffend Stattgabe einer Säumnisbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: I S), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Der aus Syrien stammende Mitbeteiligte stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 10. Juli 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Da das zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Entscheidung über diesen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten erlassen hatte, brachte der Mitbeteiligte am 18. Jänner 2023 eine Säumnisbeschwerde ein und begehrte, das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) möge nach Durchführung einer Verhandlung in Stattgebung der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und dem Antrag auf internationalen Schutz stattgeben.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BVwG der Säumnisbeschwerde statt und beauftragte das BFA, den versäumten Bescheid „unter Zugrundelegung der im gegenständlichen Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des BVwG gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG binnen acht Wochen zu erlassen“. Unter einem sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Die dagegen vom BFA erhobene Revision samt den Verfahrensakten wurde dem Verwaltungsgerichtshof vom BVwG vorgelegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision das Vorverfahren eingeleitet. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - über die Revision erwogen:
6 Die Amtsrevision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, das BVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es der belangten Behörde zwar einen Auftrag gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG erteilt, jedoch keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen darlegt habe, unter deren Zugrundelegung die Behörde einen Bescheid zu erlassen habe. Dadurch habe es das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
7 Die Revision ist zulässig und begründet.
8 § 28 Abs. 7 VwGVG sieht im Säumnisbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit vor, dass sich das Verwaltungsgericht auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und das Verfahren an die Behörde mit dem Auftrag zurückverweisen kann, den ausstehenden Bescheid unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes innerhalb einer Frist von maximal acht Wochen nachzuholen. Durch diese gesetzliche Regelung wird dem Verwaltungsgericht die Wahlmöglichkeit eingeräumt, im Falle einer zulässigen Säumnisbeschwerde die Zuständigkeit in der Angelegenheit unter den näher bestimmten Voraussetzungen wieder auf die Behörde zu übertragen. Eine maßgebliche Voraussetzung für eine solche Entscheidung ist, dass das Verwaltungsgericht darin über einzelne maßgebliche Rechtsfragen der Angelegenheit entscheidet. Diese Entscheidung hat im Spruch des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes zu erfolgen (vgl. etwa VwGH 10.3.2022, Ra 2020/15/0103; 15.3.2016, Ra 2015/01/0208; 10.11.2015; Ra 2015/19/0144, mwN).
9 Diesem Erfordernis ist das BVwG nicht nachgekommen, weil es keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen dargelegt, sondern ohne nähere Begründung der Verwaltungsbehörde aufgetragen hat, „das inhaltliche Asylverfahren zu führen, über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zu entscheiden und den versäumten Bescheid unter der hier festgelegten Rechtsanschauung innerhalb einer Frist von acht Wochen nachzuholen“. Damit wird dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 7 VwGVG, nämlich der Behörde eine Entscheidung in den maßgeblichen Rechtsfragen vorzugeben, nicht entsprochen (vgl. dazu VwGH 16.12.2014, Ra 2014/22/0106).
10 Da dies das BVwG verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 15. Februar 2024