JudikaturVwGH

Ra 2023/10/0406 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der Mag. pharm. U D in E, vertreten durch die LTRA Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 14. August 2023, Zl. LVwG AV 1588/001 2022, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf; mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. E K, vertreten durch Mag. Dr. Robert Hirschmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börseplatz 6), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. August 2023 versagte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich im Beschwerdeverfahren der Revisionswerberin die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke mit einem näher umschriebenen Standort und einer näher umschriebenen Betriebsstätte in Strasshof, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zuließ.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung soweit für den vorliegenden Revisionsfall von Interesse zugrunde, es befänden sich fünf bestehende (näher genannte) Apotheken in einer Entfernung von ca. 1,5 km, 5,6 km, 6 km sowie (im Fall von zwei Apotheken) 6,4 km von der geplanten Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke. Dazu käme nach deren Eröffnung die Apotheke der Mitbeteiligten in einer Entfernung von 5,2 km. Der Apotheke der Mitbeteiligten würde bei Errichtung der beantragten Apotheke kein Versorgungspotential von zumindest 5.500 Personen verbleiben.

3 In rechtlicher Hinsicht stützte das Verwaltungsgericht die Versagung der von der Revisionswerberin beantragten Apothekenkonzession darauf, dass kein Bedarf an einer neuen öffentlichen Apotheke bestehe. Dazu führte das Verwaltungsgericht soweit hier von Interesse unter Hinweis auf § 10 Abs. 8 Apothekengesetz (ApG) aus, die Apotheke der Mitbeteiligten gelte bis zu einer allfälligen Zurücknahme der Konzession als bestehende Apotheke iSd § 10 Abs. 2 Z 3 ApG. Dass diese Apotheke bislang noch nicht errichtet worden sei, ändere nichts daran, dass sie bis zu ihrer allfälligen Zurücknahme als bestehende Apotheke bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen sei.

4 Im Weiteren verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis VwGH 8.8.2018, Ra 2017/10/0103, ein Prüfschema für die Voraussetzungen des § 10 Abs. 6a ApG „festgelegt“ habe, und gab dieses Erkenntnis auszugsweise wieder. Anhand des von der Österreichischen Apothekerkammer [in einem Gutachten vom 24. Juni 2020] dargestellten Bevölkerungswachstums in der Gemeinde Strasshof (und auch in Gänserndorf) könne von einer demographischen Besonderheit ausgegangen werden, weshalb die erste der im Prüfschema des Verwaltungsgerichtshofes verlangten Voraussetzungen erfüllt sei. Im Umkreis von 10 km der beantragten Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke befänden sich (ohne Berücksichtigung der Apotheke der Mitbeteiligten) bereits fünf Apotheken. Eine Versorgungslücke für Bevölkerungsteile von Strasshof, die dann im Versorgungspolygon der beantragten Apotheke zu liegen kämen, liege nicht vor. Mangels Versorgungslücke sei daher eine der erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 6a ApG nicht gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof fordere in seiner Judikatur immer auch das Vorliegen einer Versorgungslücke (Verweis auf VwGH 8.8.2018, Ra 2017/10/0103; 24.10.2018, Ra 2018/10/0049; 5.11.2020, Ra 2020/10/0133; 10.12.2020, Ra 2020/10/0159). Auch in der jüngeren Rechtsprechung zu § 10 Abs. 6a ApG habe der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass eine bloße Zeitersparnis und ein Bequemlichkeitsvorteil für die Frage des Vorliegens einer Versorgungslücke unerheblich seien (Verweis auf VwGH 10.12.2020, Ra 2020/10/0107; 20.3.2023, Ra 2023/10/0018; 2.5.2023, Ra 2023/10/0039). Dem Vorbringen, viele Menschen könnten aus gesundheitlichen Gründen keine Apotheken aufsuchen, die sich mehrere Kilometer weit entfernt befänden, sei doch bei vielen Krankheitsbildern das Lenken von Kraftfahrzeugen nicht gestattet, sei der Verwaltungsgerichtshof nicht gefolgt: Bei Prüfung der Voraussetzung des Vorliegens eines Versorgungsmangels sei insbesondere die bei der Bedarfsprüfung im Vordergrund stehende Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen zu berücksichtigen (Verweis nochmals auf VwGH 2.5.2023, Ra 2023/10/0039). Dass bei der Prüfung des Vorliegens einer Versorgungslücke auf Entfernungen von der beabsichtigten Betriebsstätte zu umliegenden Apotheken abgestellt worden sei, sei nicht bemängelt worden (Verweis abermals auf VwGH 2.5.2023, Ra 2023/10/0039). Mangels Vorliegens einer Versorgungslücke sei die beantragte Konzession zu versagen gewesen.

5 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 13.9.2023, Ra 2023/10/0063; 3.3.2023, Ra 2022/10/0094; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135).

10 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst geltend gemacht, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „für den hier vorliegenden Fall vor, in dem die ... [Mitbeteiligte] zwar rechtskräftige Konzessionärin einer Apotheke ist, diese aber, fast 5 Jahre nach Erteilung der Konzession, immer noch nicht errichtet ist und mangels Beischaffung des Behördenaktes zur Betriebsanlage durch das LVwG, nicht einmal klar ist, ob sich die Betriebsstätte nun im ‚genehmigten Gebiet‘ befindet oder nicht“.

11 Mit diesen Ausführungen wird allerdings die vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage nicht konkret dargelegt. Mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur rechtlichen Beurteilung der vorliegenden Sachverhaltskonstellation wird jedenfalls keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan (vgl. VwGH 6.10.2023, Ro 2022/10/0018).

12 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber in § 10 Abs. 8 ApG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 41/2006 klargestellt hat, dass als bestehende Apotheken im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 2 und 3 ApG auch alle nach der Kundmachung BGBl. I Nr. 53/1998 (am 1. April 1998) rechtskräftig erteilten Konzessionen zur Errichtung einer öffentlichen Apotheke gelten (vgl. VwGH 26.4.2010, 2006/10/0023, mwH). Dass in Ansehung der Mitbeteiligten eine rechtskräftig erteilte Konzession nicht vorläge, wird in der Revision nicht behauptet. Welche damit im Zusammenhang stehende grundsätzliche Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof im Revisionsfall erstmals zu lösen wäre, wird nicht dargelegt. Auch mit der bloßen Bezugnahme auf eine (mangels Beischaffung eines Aktes) „unklare“ Betriebsstätte der Mitbeteiligten wird nicht konkret dargelegt, welche Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre.

13 In den Zulässigkeitsausführungen wird im Weiteren vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei bei der Anwendung des § 10 Abs. 6a ApG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen bzw. fehle „eine auf den vorliegenden Fall, extrem langgezogene Gemeinde, positive Stellungnahme der Gemeinde und positives Bedarfsgutachten der Apothekerkammer anwendbare“ Rechtsprechung. Die vom Verwaltungsgericht genannten hg. Entscheidungen beträfen nicht vergleichbare Sachverhalte.

14 Dem ist Folgendes zu erwidern:

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in dem bereits vom Verwaltungsgericht wiedergegebenen Erkenntnis vom 8. August 2018, Ra 2017/10/0103 (vgl. darauf verweisend auch VwGH 28.6.2023, Ra 2023/10/0030; 2.5.2023, Ra 2023/10/0039; 2.11.2022, Ra 2022/10/0152; 10.12.2020, Ra 2020/10/0107; 10.12.2020, Ra 2020/10/0159; 5.11.2020, Ra 2020/10/0105; 5.11.2020, Ra 2020/10/0133; 27.3.2019, Ra 2019/10/0020; 18.12.2018, Ra 2018/10/0176; 24.10.2018, Ra 2018/10/0049; 27.9.2018, Ra 2017/10/0069) eingehend mit der Bestimmung des § 10 Abs. 6a ApG auseinandergesetzt und auszugsweise Folgendes ausgeführt:

„Für die in § 10 ApG vorgesehene Bedarfsprüfung ergibt sich daraus:

Zunächst hat die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht gemäß § 10 Abs. 2 Z 3 ApG auf der Grundlage eines Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer zu prüfen, ob die Zahl der von einer umliegenden Apotheke aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Errichtung der neuen Apotheke verringern und weniger als 5.500 betragen wird (vgl. auch dazu VwGH Ra 2016/10/0141, Rn 33).

Bejahendenfalls ist weiters zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall besondere örtliche Verhältnisse im Sinne des § 10 Abs. 6a ApG vorliegen, die ein Unterschreiten der Grenze von 5.500 zu versorgenden Personen rechtfertigen. Ist dies der Fall, besteht ein Anspruch auf Erteilung der Konzession (argum ‚ ist zu unterschreiten‘), auch wenn sich dadurch das Versorgungspotenzial einer umliegenden Apotheke auf weniger als 5.500 Personen verringert.

Das Vorliegen maßgeblicher ‚besonderer örtlicher Verhältnisse‘ ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung nachstehender Kriterien zu beurteilen:

Erste Voraussetzung ist die Situierung der Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke in einem Gebiet mit demographischen Besonderheiten (vgl. VwGH 27.3.2014. 2013/10/0209, unter Hinweis auf EuGH 13.2.2014, C 367/12, Sokoll Seebacher, Rn 41), d.h. einem Gebiet, das nach der Struktur seines Bevölkerungsbestandes geeignet ist, eine besondere Bedarfssituation hinsichtlich der sicheren und qualitativ hochwertigen Versorgung mit Arzneimitteln zu indizieren. Zu derartigen Gebieten zählen neben ländlichen und abgelegenen Regionen außerhalb der Versorgungsgebiete bestehender Apotheken (vor allem für Menschen mit eingeschränkter Mobilität) ausweislich der Gesetzesmaterialien insbesondere sich nachhaltig und stetig entwickelnde Siedlungsgebiete, der nähere Umkreis größerer medizinischer Einrichtungen oder eines Krankenhauses mit mehreren Anstaltsambulatorien sowie der Nahbereich bedeutender und stark frequentierter Verkehrsknotenpunkte, wie etwa Flughäfen oder Hauptbahnhöfe.

Liegt die Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke in einem derartigen Gebiet (oder einem vergleichbaren Gebiet mit demographischen Besonderheiten), ist als zweite Voraussetzung zu prüfen, ob die konkret vorliegenden demographischen Besonderheiten zu einem (bestehenden oder unmittelbar bevorstehenden) Mangel in der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln führen, dem durch die beantragte Apotheke begegnet werden kann.

Dies ist der Fall, wenn ansonsten d.h. bei Nichterrichtung der neuen Apotheke eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken (einschließlich Filialapotheken und ärztlichen Hausapotheken) nicht gewährleistet ist, weil die bestehenden Apotheken infolge der konkreten örtlichen Gegebenheiten und Verkehrsverhältnisse nicht ausreichend rasch bzw. nur unzumutbar erreichbar sind. Dabei ist insbesondere die bei der Bedarfsprüfung im Vordergrund stehende Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen zu berücksichtigen (vgl. z.B. VwGH 27.3.2014, 2013/10/0209; 25.4.2014, 2013/10/0022; 12.8.2014, 2012/10/0181; 8.10.2014, Ro 2014/10/0096; 22.4.2015, 2013/10/0077 und Ro 2014/10/0122;11.8.2015, Ro 2014/10/0112; 30.9.2015, 2013/10/0261 und Ro 2014/10/0081).

Trifft auch diese Voraussetzung zu, bedarf es schließlich der Beurteilung, ob die Errichtung der neuen Apotheke insgesamt für eine ordnungsgemäße Versorgung der betroffenen Bevölkerung mit Arzneimitteln erforderlich ist.

Davon kann allerdings nicht gesprochen werden, wenn der Vorteil aus der Neuerrichtung einer Apotheke durch Nachteile für die Bevölkerung in den Versorgungsgebieten der bestehenden Apotheken überwogen wird. Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht haben dabei eine entsprechende Abwägung vorzunehmen (vgl. Zirm, Der selbständige Apotheker und seine Konzession [2018] S. 110), wobei ein maßgebliches Überwiegen von Nachteilen nur bei einer derartig erheblichen Verminderung des Kundenpotenzials einer oder mehrerer bestehender öffentlicher Apotheken angenommen werden kann, dass deren wirtschaftlicher Weiterbestand ernsthaft gefährdet ist und dadurch bisher gut versorgte Personen einen zumutbaren Zugang zur Arzneimittelversorgung verlieren würden.

Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht haben nach den genannten Voraussetzungen in jedem Einzelfall die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 6a ApG zu prüfen und dabei das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen maßgeblicher ‚besonderer örtlicher Verhältnisse‘ gestützt auf geeignete Feststellungen zu begründen.“

16 Die Anwendung des § 10 Abs. 6a ApG kommt nicht in Betracht, wenn unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung auch bei Nichterrichtung der beabsichtigten Apotheke gewährleistet ist (vgl. VwGH 5.11.2020, Ra 2020/10/0133, mit Verweis auf VwGH 27.9.2018, Ra 2017/10/0069). Ein bloßer „Zeitersparnis und Bequemlichkeitsvorteil“ durch Errichtung der beantragten Apotheke reicht nicht aus, um die beschriebene zweite Voraussetzung für eine Anwendung des § 10 Abs. 6a ApG (einen Versorgungsmangel im gerade umrissenen Sinn) darzutun (vgl. nochmals VwGH 5.11.2020, Ra 2020/10/0133, mit Verweis auf VwGH 24.10.2018, Ra 2018/10/0049).

17 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann keine Rede davon sein, dass das Verwaltungsgericht von dieser auch im Revisionsfall maßgeblichen Rechtsprechung abgewichen ist, wenn es davon ausgeht, dass die beschriebene zweite Voraussetzung für eine Anwendung des § 10 Abs. 6a ApG (ein Versorgungsmangel im oben dargestellten Sinn) nicht vorliegt. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes befinden sich nämlich fünf bestehende Apotheken in einer Entfernung von ca. 1,5 km bis 6,4 km von der geplanten Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke. Die Entfernung der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu beantragten Apotheke zur Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke beträgt somit lediglich ca. 1,5 km; daher kann sich der Anfahrtsweg für die Bevölkerung durch die Neuerrichtung der beantragten Apotheke maximal um ca. 1,5 km verkürzen. Dass im Hinblick auf diese nächstgelegene Apotheke Umstände vorlägen, die deren (rasche bzw. zumutbare) Erreichbarkeit in Frage stellen würden, wurde weder festgestellt noch von der Revisionswerberin im Revisionsverfahren behauptet. Davon ausgehend kann unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken sohin ausgeschlossen werden, dass die Neuerrichtung der beantragten Apotheke erforderlich ist, um für die Bevölkerung eine ordnungsgemäße Versorgung mit Arzneimitteln zu gewährleisten, weil eine bestehende Apotheke nicht ausreichend rasch oder nur unzumutbar erreichbar wäre (vgl. nochmals VwGH 8.8.2018, Ra 2017/10/0103, mwH; vgl. zu einem Fall, in dem die Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke ca. 1,6 km entfernt lag, VwGH 5.11.2020, Ra 2020/10/0133; siehe zu einer derartigen Entfernung auch schon VwGH 27.3.2014, 2013/10/0209, VwSlg. 18.820 A).

18 Soweit der Revisionswerber in den Zulässigkeitsausführungen auf eine „extrem langgezogene Gemeinde“, eine positive Stellungnahme der Gemeinde und ein positives Bedarfsgutachten der Apothekerkammer Bezug nimmt, wird nicht konkret ausgeführt, welche Rechtsfragen insofern zu klären wären. Wie bereits ausgeführt, wird mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur rechtlichen Beurteilung der vorliegenden Sachverhaltskonstellation keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan.

19 In den Zulässigkeitsausführungen wird schließlich geltend gemacht, es liege deshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil „zunehmend Kritik an einer ‚kritiklosen‘ Anwendung des Leitsatzes ‚bloße Zeitersparnis oder Bequemlichkeitsvorteil‘ erhoben“ werde (dazu erfolgt – lediglich ein Verweis auf eine Kommentierung des § 10 Abs. 6a ApG, der zufolge ein Abstellen auf die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen nicht sachgerecht erscheine, da die Versorgung älterer und allenfalls auch behinderter Menschen im Vordergrund stehe).

20 Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand allein, dass in der Literatur zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegenteilige Rechtsauffassungen vertreten werden, noch nicht die Zulässigkeit einer Revision begründet (vgl. VwGH 4.8.2020, Ra 2020/16/0108, mit Verweis auf VwGH 13.12.2019, Ro 2019/02/0012; 21.1.2016, Ra 2015/12/0051). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aufgrund dieser Zulässigkeitsausführungen der Revisionswerberin auch nicht veranlasst, von seiner ständigen Rechtsprechung zu § 10 Abs. 6a ApG abzugehen, wonach bei der Prüfung, ob die konkret vorliegenden demographischen Besonderheiten zu einem (bestehenden oder unmittelbar bevorstehenden) Mangel in der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln führen, dem durch die beantragte Apotheke begegnet werden kann, insbesondere die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen zu berücksichtigen ist. Weder die Materialien zur Novelle BGBl. I Nr. 103/2016 (1863/A und 1310 BlgNR 25. GP) noch jene zur Novelle BGBl. I Nr. 30/2016 (1601/A und 1089 BlgNR 25. GP) enthalten nämlich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit diesen Novellen von der bei der Bedarfsprüfung nach § 10 Abs. 2 Z 3 ApG im Allgemeinen im Vordergrund stehenden Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung vor den genannten Novellen VwGH 16.6.2009, 2005/10/0107, VwSlg. 17.709 A, mwH; darauf verweisend etwa VwGH 27.3.2014, 2013/10/0209, VwSlg. 18.820 A) abgehen wollte.

21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Jänner 2024

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