Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der K GmbH, vertreten durch die lawpoint Hütthaler Brandauer Akyürek Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Otto Bauer Gasse 4, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 2. Mai 2023, Zl. VGW 101/042/12330/2021 20, betreffend eine Maßnahme gemäß § 39 Lebensmittelsicherheits und Verbraucherschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 3 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom 2. Mai 2023 wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. Juni 2021, mit dem ihr gemäß § 39 Abs. 1 Z 11 Lebensmittelsicherheits und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) die Unterlassung der Kennzeichnung eines näher genannten Produktes als „Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät)“ aufgetragen worden war, abgewiesen.
2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit der ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden ist. Begründend wird im Wesentlichen vorgebracht, mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses wäre für die revisionswerbende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden, weil sie bei vielen tausenden Einzelverpackungen die Kennzeichnung (in Form einer Neuverpackung) abändern müsste, obwohl ausgehend von der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung, es liege ein Arzneimittel vor, was nach Auffassung der Revisionswerberin zu einer Unzuständigkeit der belangten Behörde und des Verwaltungsgerichtes führen müsste unklar sei, ob eine derartige Anpassung rechtlich notwendig sei und von der hierfür zuständigen Behörde in einem Folgeverfahren aufgetragen werden würde. Die Umverpackung würde einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen und zu außerordentlich hohen Kosten und Umsatzeinbußen führen. Da mit dem Produkt keinerlei gesundheitsschädliche Wirkungen einhergingen und lediglich die Kennzeichnung zu ändern wäre, sprächen auch keine öffentlichen Interessen gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
3 Mit Beschluss vom 27. Juni 2023 gab das Verwaltungsgericht dem mit der außerordentlichen Revision verbundenen Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht statt. Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, es sei keine Umverpackung erforderlich, sondern lediglich eine geänderte Etikette am Produkt anzubringen, weshalb das Interesse der Revisionswerberin an der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als gering einzuschätzen sei. Hingegen liege ein „extrem hohes“ öffentliches Interesse an der Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung insofern vor, als Konsumenteninteressen massiv beeinträchtigt wären, weil durch das in Rede stehende Produkt eine medizinische Wirkung behauptet werde, die nicht erweisbar sei, die aber Erkrankte motiviere, keinen Arzt aufzusuchen und sich kein wirksames Medikament zu besorgen.
4 Nach Vorlage der Revision durch das Verwaltungsgericht an den Verwaltungsgerichtshof beantragte die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 25. Juli 2023 die Abänderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wird den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes entgegengetreten und in Übereinstimmung mit dem ursprünglichen Antrag festgehalten, es seien tatsächlich bei vielen tausenden Einzelverpackungen Neuverpackungen erforderlich. Darüber hinaus seien die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur Annahme eines hohen öffentlichen Interesses haltlos; sie stünden in keinem kausalen Zusammenhang mit dem Produkt. Mit dem in Rede stehenden Produkt wären keinerlei gesundheitsschädliche Wirkungen verbunden, es sei seit Jahren ohne Beanstandungen am Markt.
5 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
6 Nach § 30 Abs. 3 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision Beschlüsse gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben.
7 Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme zum Abänderungsantrag der Revisionswerberin vom 25. Juli 2023 ab.
8 Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene hohe Gewichtung des öffentlichen Interesses an einer rechtmäßigen Kennzeichnung hat sich nach Einbindung der belangten Behörde nicht bestätigt. Demgegenüber hat die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen dargetan, dass mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für sie ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
9 Dem Antrag war somit stattzugeben.
Wien, am 6. September 2023