Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der Bildungsdirektion für Wien gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. März 2023, Zl. W203 2264357 1/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Schulpflichtgesetz 1985 (mitbeteiligte Partei: mj. Y T, vertreten durch A T in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Wien der nunmehrigen Amtsrevisionswerberin vom 7. Oktober 2022 wurde „das Ansuchen ... um Bewilligung eines Schulbesuches der privaten Schule“ S. in Großbritannien für das Schuljahr 2022/23 der mj. Mitbeteiligten vom 5. September 2022 gemäß § 13 Abs. 1 und 2 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) als verspätet zurückgewiesen und gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer dagegen eingebrachten Beschwerde ausgeschlossen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. März 2023 wurde der dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 13 Abs. 2 SchPflG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Begründend ging das Verwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz davon aus, dass die im Juli 2010 geborene Mitbeteiligte Staatsangehörige der Russischen Föderation sei und im Schuljahr 2022/23 der allgemeinen Schulpflicht unterliege. Ihr Erziehungsberechtigter habe am 5. September 2022 den Schulbesuch der Mitbeteiligten am S. College in Großbritannien im Schuljahr 2022/23 angezeigt. Dieses Schuljahr habe in Wien am 5. September 2022 begonnen.
4 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das SchPflG unterscheide bei der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen zwischen schulpflichtigen Kindern mit österreichischer Staatsbürgerschaft (§ 13 Abs. 1) und solchen, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besäßen (§ 13 Abs. 2). Während die erstgenannte Gruppe die Schulplicht nur dann erfüllen könne, wenn der Besuch der im Ausland gelegenen Schule von der Schulbehörde bewilligt werde, sei eine derartige Bewilligung für die zweitgenannte Gruppe ausdrücklich nicht vorgesehen. Für diese sehe das SchPflG lediglich vor, dass der beabsichtigte Schulbesuch im Ausland vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen sei, wobei die Anzeige lediglich der Überwachung der Erfüllung der Schulpflicht durch die Schulbehörde diene (Verweis auf Jonak/Kövesi , Schulrecht, 14. Auflage, FN 6 zu § 13 SchPflG). Weitere Konsequenzen einer etwaigen Unterlassung einer (rechtzeitigen) Anzeige des Schulbesuchs im Ausland habe der Gesetzgeber im Falle von Kindern ohne österreichische Staatsbürgerschaft nicht vorgesehen. Insbesondere bedürfe „in diesem Fall die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht keiner Bewilligung durch die Schulbehörde“. Vielmehr sei die (rechtzeitige) Anzeige von der Schulbehörde formlos zur Kenntnis zu nehmen; durch die Anzeige werde kein Verfahren eingeleitet, welches in einer bescheidmäßigen Erledigung münden würde.
5 Da die Behörde dennoch ohne Rechtsgrundlage basierend auf der (verspäteten) Anzeige den angefochtenen Bescheid erlassen habe, sei dieser ersatzlos zu beheben gewesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amstrevision der Bildungsdirektion für Wien.
7 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
8 Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird u.a. geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 Abs. 2 SchPflG im Hinblick darauf, wie „mit einer verspäteten Anzeige des Schulbesuchs im Ausland“ zu verfahren sei.
10 Die Revision ist mit Blick darauf zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.
11 Das Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 96/2022 (SchPflG), lautet auszugsweise:
„ABSCHNITT I
Allgemeine Schulpflicht
A. Personenkreis, Beginn und Dauer
Personenkreis
(1) Für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, besteht allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.
...
Beginn der allgemeinen Schulpflicht
(1) Die allgemeine Schulpflicht beginnt mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.
...
Dauer der allgemeinen Schulpflicht
Die allgemeine Schulpflicht dauert neun Schuljahre.
...
C. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht
Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht
(1) Die allgemeine Schulpflicht kann unbeschadet des § 12 auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule ausgenommen die Polytechnische Schule mindestens gleichwertig ist.
...
(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils bis zum Ende des vorhergehenden Unterrichtsjahres anzuzeigen. Bei der Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2 sind Vor und Familienname, Geburtsdatum und Anschrift jener Person bekannt zu geben, welche das Kind voraussichtlich führend unterrichten wird. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.
(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich zwischen dem 1. Juni und dem Ende des Unterrichtsjahres durch eine Prüfung an einer in § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schülerinnen und Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Ergänzend dazu hat bei Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2, ein Reflexionsgespräch über den Leistungsstand bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien an jener Schule, die bei Untersagung des häuslichen Unterrichts zu besuchen wäre, stattzufinden. Wenn das Kind vor dieser Frist aus dem Sprengel dieser Schule verzogen ist, so hat das Reflexionsgespräch mit der Prüfungskommission gemäß Abs. 5 zu erfolgen.
...
Besuch von im Ausland gelegenen Schulen
(1) Mit Bewilligung des Landesschulrates können schulpflichtige Kinder österreichischer Staatsbürgerschaft die allgemeine Schulpflicht auch durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen erfüllen. Das Ansuchen um die Bewilligung ist von den Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes bei der Bildungsdirektion einzubringen. Die Bewilligung ist jeweils für ein Schuljahr zu erteilen, wenn der Unterricht an der ausländischen Schule jenem an einer der im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig und kein erziehungs und bildungsmäßiger Nachteil für das Kind anzunehmen ist.
(2) Schulpflichtige Kinder, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, können die allgemeine Schulpflicht ohne Bewilligung durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen erfüllen. Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes haben jedoch den beabsichtigten Besuch einer solchen Schule der Bildungsdirektion vor Beginn eines jeden Schuljahres anzuzeigen.
(3) § 11 Abs. 4 findet sinngemäß Anwendung. Die Bildungsdirektion hat von einer Prüfung gemäß § 11 Abs. 4 abzusehen, wenn der zureichende Erfolg durch die Vorlage von Zeugnissen öffentlicher oder diesen gleichzuhaltender Schulen glaubhaft gemacht wird.
...
E. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht
Feststellung der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht
(1) Zur Überprüfung der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht haben die Leiterinnen und Leiter von Bildungseinrichtungen gemäß § 2 Z 1 und 2 lit. b des Bildungsdokumentationsgesetzes 2020, bis spätestens 15. Oktober jedes Jahres der Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ) als Auftragsverarbeiter der Bildungsdirektionen im Sinne des Art. 4 Z 8 der Datenschutz Grundverordnung nachstehend genannte personenbezogene Daten jener Schülerinnen und Schüler, die bis einschließlich der 10. Schulstufe eine zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht geeignete Schule besuchen, automationsunterstützt zu übermitteln:
1. Die Namen (Vor und Familiennamen),
2. das Geburtsdatum,
3. das Geschlecht,
4. die Anschrift am Heimatort und, sofern zusätzlich vorhanden, des der Bildungseinrichtung nächst gelegenen Wohnsitzes (Zustelladresse) entsprechend den Angaben der Erziehungsberechtigten bzw. des Schülers,
5. das erste Jahr der allgemeinen Schulpflicht,
6. das Beginndatum der jeweiligen Ausbildung,
7. die Schulkennzahl und
8. sofern vorhanden, das bereichsspezifische Personenkennzeichen „BF“ Bildung und Forschung.
Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben den Besuch einer Schule gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 der örtlich zuständigen Bildungsdirektion bis spätestens 30. September jedes Jahres unter Angabe der Daten gemäß Z 1 bis 4 bekannt zu geben.
(2) Die Bildungsdirektion hat ergänzend die Daten gemäß Abs. 1 Z 1 bis 4 hinsichtlich jener Schulpflichtigen, die ihre Schulpflicht gemäß § 11, § 12 Abs. 1 Z 1 oder § 13 erfüllen oder die gemäß § 15 für die voraussichtliche Dauer von mehr als einem Semester vom Schulbesuch befreit wurden, automationsunterstützt der BRZ zu übermitteln.
...
ABSCHNITT III
Gemeinsame Bestimmungen
Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Schulpflicht und Strafbestimmungen
(1) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten sind verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch den Schüler bzw. in den Fällen der §§ 11, 13 und 22 Abs. 4 für die Ablegung der dort vorgesehenen Prüfungen zu sorgen. Minderjährige Schulpflichtige treten, sofern sie das 14. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich dieser Pflichten neben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten. Sofern es sich um volljährige Berufsschulpflichtige handelt, treffen sie diese Pflichten selbst.
(2) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten eines der allgemeinen Schulpflicht unterliegenden Kindes sind weiters nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, das Kind für den Schulbesuch in gehöriger Weise, insbesondere auch mit den notwendigen Schulbüchern, Lern- und Arbeitsmitteln, soweit diese nicht von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts beigestellt werden, auszustatten. Ferner sind sie verpflichtet, die zur Führung der Schulpflichtmatrik (§ 16) erforderlichen Anzeigen und Auskünfte zu erstatten.
...
(4) Die Nichterfüllung der in den Abs. 1 bis 3 angeführten Pflichten stellt eine Verwaltungsübertretung dar, die nach Setzung geeigneter Maßnahmen gemäß § 25 Abs. 2 und je nach Schwere der Pflichtverletzung, jedenfalls aber bei ungerechtfertigtem Fernbleiben der Schülerin oder des Schülers vom Unterricht an mehr als drei aufeinander- oder nicht aufeinanderfolgenden Schultagen der neunjährigen allgemeinen Schulpflicht, bei der Bezirksverwaltungsbehörde zur Anzeige zu bringen ist und von dieser mit einer Geldstrafe von 110 € bis zu 440 €, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen ist.
...“
12 Die Bestimmung des § 13 Abs. 2 SchPflG entspricht abgesehen von Änderungen, die die Schulbehörde betreffen jener der Stammfassung des Schulpflichtgesetzes 1962, das mit dem SchPflG wiederverlautbart wurde. Die Materialien zur Stammfassung des Schulpflichtgesetzes 1962 (732 BlgNR 9. GP, S. 13) führen zu § 13 Folgendes aus:
„§ 13 des Entwurfes trifft Vorsorge für den Fall, daß insbesondere an den Grenzen Österreichs Kinder österreichischer oder ausländischer Staatsbürgerschaft Schulen besuchen, die jenseits der österreichischen Grenzen gelegen sind, obwohl sie sich dauernd in Österreich aufhalten und daher gemäß § 1 des Entwurfes der allgemeinen Schulpflicht unterliegen. Zur Klarstellung sei bemerkt, daß diese Bestimmung keine Anwendung auf österreichische oder ausländische Kinder findet, die ihren dauernden Aufenthalt nicht in Österreich haben, da solche Kinder nach den Bestimmungen des § 1 des Entwurfes auch nicht der Schulpflicht nach den österreichischen Rechtsvorschriften unterliegen.
Für den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen im Sinne der Bestimmung des § 13 des Entwurfes ist eine Bewilligung des Landesschulrates erforderlich, wenn es sich um Kinder österreichischer Staatsbürgerschaft handelt; Kinder ausländischer Staatsbürgerschaft bedürfen nach § 13 Abs. 2 einer derartigen Bewilligung nicht, doch ist eine Anzeige an den Bezirksschulrat vorgesehen. Die zuletzt genannte Anzeige hat vor allem den Zweck, dem Bezirksschulrat die Überwachung der Erfüllung der Schulpflicht durch alle schulpflichtigen Kinder zu erleichtern.
Gemäß § 13 Abs. 3 finden die Bestimmungen des § 11 Abs. 4 über den Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichtes durch eine am Ende des Schuljahres abzulegende Prüfung auch auf solche Fälle Anwendung.“
13 Die Amtsrevisionswerberin bringt vor, es treffe nicht zu, dass wie das Verwaltungsgericht ausführe „keine weiteren Konsequenzen“ an eine etwaige Unterlassung der Anzeige nach § 13 Abs. 2 SchPflG geknüpft seien. Es werde von der Revisionswerberin die Einhaltung der Schulpflicht der im örtlichen Zuständigkeitsbereich wohnhaften Kinder im schulpflichtigen Alter „im Verfahren nach § 16 SchPflG (Schulpflichtmatrik) überprüft“.Gemäß § 24 Abs. 2 SchPflG seien Eltern oder Erziehungsberechtigte verpflichtet, die für die Führung der Schulpflichtmatrik erforderlichen Anzeigen und Auskünfte zu erstatten, die Nichterfüllung dieser Verpflichtung stelle eine Verwaltungsübertretung dar (§ 24 Abs. 4 SchPflG). Das Verwaltungsgericht übersehe auch, dass die Anzeige gemäß § 13 Abs. 3 SchPflG mit der Verpflichtung einhergehe, den zureichenden Erfolg durch Ablegung einer Externistenprüfung nachzuweisen, wenn der zureichende Erfolg nicht durch die Vorlage von Zeugnissen öffentlicher oder diesen gleichzuhaltender Schulen glaubhaft gemacht werde. Werde ein solcher Nachweis nicht erbracht, habe die Revisionswerberin anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 SchPflG zu erfüllen habe. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes führe auch zu einer Rechtsschutzlücke, weil fraglich sei, in welcher Form sich Erziehungsberechtigte „gegen das von der Behörde behauptete Fristversäumnis wehren könnten“. Zudem habe der Verwaltungsgerichtshof (Verweis auf VwGH 24.1.2023, Ra 2021/10/0123) darauf verwiesen, dass „aus dem Verfahren nach § 16 SchPflG selbst keine rechtlich verbindliche Entscheidung über die Frage der Erfüllung oder Nichterfüllung der Schulpflicht“ entspringe. Daher sei im Sinne der Verwaltungsökonomie eine bescheidmäßige (in Rechtskraft erwachsende) Klärung der Frage, ob eine Anzeige gemäß § 13 Abs. 2 SchPflG rechtzeitig erfolgt sei, notwendig, da mit der „Klärung dieser Frage weitere von der Behörde zu setzende Schritte (Maßnahmen nach §§ 16 iVm 24 SchPflG, amtswegige Schulplatzzuweisung, Überprüfung des zureichenden Erfolges nach § 13 Abs. 3 SchPflG) verbunden“ seien.
14 Dazu ist Folgendes auszuführen:
15 Das Verwaltungsgericht nimmt nach der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses den Standpunkt ein, die Anzeige nach § 13 Abs. 2 SchPflG diene „lediglich der Überwachung der Erfüllung der Schulpflicht durch die Schulbehörde“, der Gesetzgeber habe an die Unterlassung einer (rechtzeitigen) Anzeige des Schulbesuchs im Ausland im Falle von Kindern ohne österreichische Staatsbürgerschaft „keine weiteren Konsequenzen“ geknüpft. Insbesondere bedürfe „in diesem Fall die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht keiner Bewilligung durch die Schulbehörde“. Vielmehr sei die (rechtzeitige) Anzeige diesfalls von der Schulbehörde formlos zur Kenntnis zu nehmen; es werde durch die Anzeige kein Verfahren eingeleitet, welches in einer bescheidmäßigen Erledigung münden würde.
16 Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen:
17 Gemäß § 13 Abs. 2 erster Satz SchPflG können schulpflichtige Kinder, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, die allgemeine Schulpflicht ohne Bewilligung durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen erfüllen. Gemäß § 13 Abs. 2 zweiter Satz SchPflG haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes jedoch den beabsichtigten Besuch einer solchen Schule der Bildungsdirektion vor Beginn eines jeden Schuljahres anzuzeigen.
18 Bereits die Bezugnahme im zweiten Satz des § 13 Abs. 2 SchPflG auf den ersten Satz dieser Bestimmung mit dem Wort „jedoch“ lässt erkennen, dass der Gesetzgeber für schulpflichtige Kinder, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen zwar ohne Bewilligung durch die Behörde vorsehen, den beabsichtigten Besuch einer solchen Schule dessen ungeachtet aber an eine Anzeige an die Bildungsdirektion „vor Beginn eines jeden Schuljahres“ knüpfen wollte.
19 Dass nach den oben wiedergegebenen Materialien zur Stammfassung des Schulpflichtgesetzes 1962 die Anzeige die nach der damaligen Rechtslage gar nicht an jene Schulbehörde zu richten war, die für die Erteilung der Bewilligung für Kinder mit österreichischer Staatsbürgerschaft gemäß § 13 Abs. 1 der Stammfassung zuständig war (Landesschulrat) vor allem den Zweck erfüllen sollte, dem Bezirksschulrat die Überwachung der Erfüllung der Schulpflicht durch alle schulpflichtigen Kinder zu erleichtern, kann daran nichts ändern. Dies wird im Übrigen auch durch die Materialien bestätigt, wird dort wiederum darauf Bezug genommen, dass zwar Kinder ausländischer Staatsbürgerschaft nach § 13 Abs. 2 leg. cit. einer derartigen Bewilligung nicht bedürften, „doch“ sei eine Anzeige an den Bezirksschulrat vorgesehen.
20 Dem Gesetzgeber kann somit nicht unterstellt werden, er habe mit Blick darauf, unter welchen Voraussetzungen die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen für schulpflichtige Kinder, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, rechtmäßig erfolgen könne nicht nur von einer Bewilligungspflicht absehen wollen, sondern vorsehen wollen, dass wie das Verwaltungsgericht annimmt an die Unterlassung einer (rechtzeitigen) Anzeige „keine weiteren Konsequenzen“ geknüpft seien. Vielmehr ergibt sich nach dem Gesagten aus § 13 Abs. 2 SchPflG, dass eine Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen für schulpflichtige Kinder, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, nur dann vorliegt, wenn eine Anzeige an die Bildungsdirektion „vor Beginn eines jeden Schuljahres“ erfolgt ist. Ob der Gesetzgeber wie die Amtsrevisionswerberin auch vorbringt an die Unterlassung der rechtzeitigen Anzeige nach § 13 Abs. 2 SchPflG weitere Konsequenzen geknüpft hat (§ 24 Abs. 2 iVm Abs. 4 und § 16 Abs. 2 SchPflG), ist hier nicht weiter zu erörtern.
21 Davon ausgehend trifft es nicht zu, dass auch eine verspätete Anzeige wie offenbar das Verwaltungsgericht meint „von der Schulbehörde formlos zur Kenntnis zu nehmen“ ist. Eine derartige Vorgangsweise sieht das Gesetz nur dann vor, wenn der beabsichtigte Besuch der im Ausland gelegenen Schule der Bildungsdirektion vor Beginn des Schuljahres angezeigt wurde und die in § 13 Abs. 2 erster Satz SchPflG genannte Voraussetzung (schulpflichtiges Kind, das die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt) vorliegt; in diesem Fall sind nämlich sämtliche Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 SchPflG, an die das Gesetz die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch den Besuch einer im Ausland gelegenen Schule durch ein Kind, das die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, knüpft, bereits erfüllt. Wurde der beabsichtigte Besuch der im Ausland gelegenen Schule eines der allgemeinen Schulpflicht unterliegenden Kindes, das die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, der Bildungsdirektion hingegen nicht vor Beginn des Schuljahres angezeigt, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Behörde hat ein derartiges Anbringen daher zurückzuweisen (vgl. zur Zurückweisung einer verspäteten Anzeige nach § 11 Abs. 3 SchPflG bereits VwGH 28.9.1992, 92/10/0160; 20.6.1994, 94/10/0061).
22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 7. Mai 2024