Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Stoisser, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. C G und 2. A G, beide in W und vertreten durch Dr. Christian Ortner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Wilhelm Greil Straße 14/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Dezember 2022, Zl. W203 2261670 1/2E, betreffend Teilnahme an häuslichem Unterricht (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bildungsdirektion für Tirol), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Tirol vom 18. Oktober 2022 wurde der mit Schreiben (u.a.) der Erstrevisionswerberin vom 4. Juli 2022 angezeigte häusliche Unterricht im Schuljahr 2022/2023 der im September 2007 geborenen Tochter der Erstrevisionswerberin (der Zweitrevisionswerberin) untersagt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Dezember 2022 wurde eine dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Begründend ging das Verwaltungsgericht im Kern davon aus, dass die Zweitrevisionswerberin im Schuljahr 2021/2022 ihre Schulpflicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt habe. Ein Nachweis über den zureichenden Erfolg des Unterrichts im Schuljahr 2021/2022 in Form eines positiven Externistenprüfungszeugnisses sei nicht vorgelegt worden. Der Besuch des häuslichen Unterrichts in einem Schuljahr, welches direkt auf jenes Schuljahr folge, in welchem vor Schulschluss kein Nachweis über den zureichenden Erfolg erbracht worden sei, scheide ex lege aus (Verweis auf VwGH 27.3.2014, 2012/10/0154; 27.6.2017, Ra 2017/10/0077).
4 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerberinnen zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 28. Februar 2023, E 354/2023 5, deren Behandlung ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG zur Entscheidung abtrat.
5 Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 28.10.2022, Ra 2022/10/0135; 24.2.2022, Ra 2021/10/0194; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081).
10 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, es gebe keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, „ob und allenfalls in welcher Form, innerhalb welchen Zeitraums und vor welchem Gremium eine Externistenprüfung durch Schüler aus häuslichem Unterricht abzulegen ist, wenn die Bedingung nicht erfüllt ist, wonach eine solche nur dann abzulegen ist, sofern auch Schülerinnen und Schüler einer der in § 5 SchulpflichtG genannten Schulen jeweils am Ende des Schuljahres beurteilt“ würden. Es handle sich um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, denn „wenn es, worauf die §§ 18 ff Schulunterrichtsgesetz hindeuten, gerade bei Schulen gemäß § 5 SchulpflichtG nicht der Fall ist, dass eine Beurteilung am Ende des Schuljahres erfolgt, sondern in Teilabschnitten nach Fortschritt des Lehrplans, unter Berücksichtigung der laufenden Mitarbeit, lediglich mit erhöhter Gewichtung der zuletzt erbrachten Leistungen, wären nach dem Wortlaut des Gesetzes Schüler im häuslichen Unterricht davon befreit, einen Nachweis ihres Bildungsfortschritts zu erbringen“.
11 Dem wiedergegebenen Zulässigkeitsvorbringen liegt somit offenbar die Ansicht zugrunde, dass die in § 11 Abs. 4 SchPflG genannte Verpflichtung, wonach der zureichende Erfolg des häuslichen Unterrichts durch eine Prüfung an einer in § 5 SchPflG genannten Schule nachzuweisen ist, deshalb nicht besteht, weil die in § 11 Abs. 4 SchPflG genannte Bedingung„soweit auch die Schülerinnen und Schüler dieser Schulen [jener nach § 5 SchPflG] am Ende des Schuljahres beurteilt werden“ wie in den Revisionsgründen formuliert wurde „nie erfüllt ist“.
12 Zu diesem Vorbringen ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach der „Nachweis des zureichenden Erfolges des Unterrichts“ im Sinne des § 11 Abs. 4 SchPflG nur durch eine entsprechend den Bestimmungen über die Externistenprüfungen (§ 42 Schulunterrichtsgesetz) erfolgreich abgelegte Prüfung erbracht werden kann (vgl. VwGH 22.12.2022, Ra 2022/10/0190, mit Verweis auf VwGH 29.5.1995, 94/10/0187; 28.4.1997, 97/10/0060 bis 0062; 25.4.2001, 2000/10/0187, VwSlg. 15.600 A; 27.3.2014, 2012/10/0154; 29.5.2020, Ro 2020/10/0007; 9.11.2022, Ra 2022/10/0162, 0163). Ein derartiger Nachweis wurde im Revisionsfall unstrittig nicht erbracht.
13 Mit dem Verweis auf eine Beurteilung am Ende des Schuljahres in § 11 Abs. 4 erster Satz SchPflG („Der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich zwischen dem 1. Juni und dem Ende des Unterrichtsjahres durch eine Prüfung an einer in § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schülerinnen und Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden.“) stellt der Gesetzgeber unmissverständlich darauf ab, ob eine (jährliche) Gesamtbeurteilung am Ende des Schuljahres in der Regel in Form eines Jahreszeugnisses über die betreffende Schulstufe erfolgt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Norm, die auf einen jährlichen Erfolgsnachweis abstellt, sofern auch in den in § 5 SchPflG genannten Schulen (jährliche) Beurteilungen am Ende des Schuljahres erfolgen. Ein gegenteiliges Verständnis dahin, dass wegen der laufenden Beurteilung einzelner Leistungen von Schülerinnen und Schülern während des Schuljahres in den in § 5 SchPflG genannten Schulen ein Nachweis des zureichenden Erfolgs des häuslichen Unterrichts nie zu erbringen wäre, steht im Übrigen mit Sinn und Zweck der betreffenden Regelung im Widerspruch (vgl. diesbezüglich auch VwGH 26.1.2023, Ro 2022/10/0004). Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 18.5.2022, Ra 2022/10/0044; 21.5.2021, Ra 2021/10/0061; 5.11.2020, Ra 2020/10/0105).
14 Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dieser Frage im Revisionsfall allerdings auch keine Relevanz zukommt:
15 Bereits im eingangs erwähnten Bescheid der belangten Behörde vom 18. Oktober 2022 wurde darauf hingewiesen, dass mit (vorangegangenem) Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juli 2022 hinsichtlich der Zweitrevisionswerberin der Besuch einer öffentlichen Schule oder einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung im Schuljahr 2022/23 angeordnet und eine dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. Oktober 2022 als unbegründet abgewiesen worden sei. Diese Anordnung des Besuchs einer der genannten Schulen sei daher rechtskräftig. Weder in der Beschwerde noch in der vorliegenden Revision wurde dies bestritten. Eine Teilnahme an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2022/23 kam somit schon deshalb nicht in Betracht (vgl. nochmals VwGH 26.1.2023, Ro 2022/10/0004).
16 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision mit dem Verweis auf eine „unzulässige Diskriminierung der Schüler im häuslichen Unterricht“ (nochmals) Normbedenken zum Ausdruck gebracht werden, ist auf Art. 133 Abs. 5 B VG zu verweisen. Eine (behauptete) Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten fällt in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VwGH 3.3.2023, Ra 2022/10/0094; 22.12.2022, Ra 2022/10/0190; 9.11.2022, Ra 2022/10/0162, 0163). Nach ständiger Rechtsprechung kann der Verwaltungsgerichtshof zwar dann, wenn ihm bei Behandlung einer Revision Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit genereller Rechtsnormen erwachsen, einen Normprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen (vgl. Art. 139 Abs. 1 Z 1 und Art. 140 Abs. 1 Z 1 B VG). Die Zulässigkeit einer Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG kann mit einer solchen Frage jedoch nicht begründet werden, weil sie selbst als Rechtsfrage eben nicht vom Verwaltungsgerichtshof in der Sache „zu lösen“ ist (vgl. VwGH 20.3.2023, Ra 2021/10/0188; 3.3.2023, Ra 2022/10/0094; 22.12.2022, Ra 2022/10/0004).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
18 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 24. April 2023