JudikaturVwGH

Ra 2023/02/0154 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Verwaltungsgerichtsbarkeit
30. November 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Dr. Koprivnikar als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der H AG in B, vertreten durch die Eisenberger Rechtsanwälte GmbH in 8020 Graz, Schloßstraße 25, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. Februar 2023, W276 2185538 1/39E, betreffend Vorschreibung von Beiträgen für den Abwicklungsfinanzierungsmechanismus für das Jahr 2017 gemäß BaSAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzmarktaufsichtsbehörde), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen 14 Tagen zu ersetzen.

1 Zur Vorgeschichte wird auf die im ersten und zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen (VwGH 2.6.2022, Ra 2022/02/0051, sowie VwGH 23.11.2022, Ra 2022/02/0186).

2 Mit Mandatsbescheid vom 24. April 2017 übermittelte die Finanzmarktaufsichtsbehörde (belangte Behörde) in ihrer Funktion als nationale Abwicklungsbehörde gemäß § 123a Abs. 2 BaSAG der revisionswerbenden Partei den Beschluss des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB; im Folgenden: SRB Beschluss) vom 11. April 2017 und schrieb ihr die Zahlung des in diesem Beschluss berechneten Anteils an den Beiträgen für den Einheitlichen Abwicklungsfonds für das Jahr 2017 in der Höhe von € 5.979.809,06 vor. Die dagegen erhobene Vorstellung der revisionswerbenden Partei wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 8. November 2017 unter Vorschreibung der Zahlung des genannten Anteils an den Beiträgen für den Einheitlichen Abwicklungsfonds für das Jahr 2017 ab. Mit den Erkenntnissen vom 2. Juni 2022, Ra 2022/02/0051, sowie 23. November 2022, Ra 2022/02/0186, hob der Verwaltungsgerichtshof das jeweils im Beschwerdeverfahren gegen den Vorstellungsbescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde ergangene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes beide Male wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

3 Mit Beschluss des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 3. März 2022, C 663/20 P, wurde das Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) vom 23. September 2020, T 414/17, mit dem dieses den bekämpften SRB Beschluss vom 11. April 2017 für nichtig erklärt hatte, soweit er die revisionswerbende Partei betreffe, ohne eine zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils vorzunehmen, im Rechtsmittelverfahren aufgehoben (Spruchpunkt 1.); darüber hinaus hat der EuGH in der Sache selbst entschieden und den SRB Beschluss vom 11. April 2017 wegen Formfehler für nichtig erklärt, soweit er die revisionswerbende Partei betreffe (Spruchpunkt 2.). Zugleich aber hat er die Aufrechterhaltung der Wirkungen des SRB Beschlusses vom 11. April 2017 hinsichtlich der revisionswerbenden Partei verfügt, bis innerhalb einer angemessenen Frist, welche sechs Monate ab dem Tag der Zustellung des EuGH Beschlusses nicht übersteigen dürfe, ein neuer SRB Beschluss in Kraft trete, mit dem der im Voraus erhobene Beitrag der revisionswerbenden Partei zum Einheitlichen Abwicklungsfonds für das Jahr 2017 festgesetzt wird (Spruchpunkt 3.).

4 Mit Beschluss vom 25. Juli 2022 (SRB/ES/2022/41) erließ der SRB einen neuen Beschluss über die Berechnung der für 2017 im Voraus erhobenen Beiträge der revisionswerbenden Partei (und eines anderen Instituts) zum Einheitlichen Abwicklungsfonds. Dieser Beschluss trat gemäß dessen Artikel 3 am 11. April 2017 in Kraft.

5 Mit dem nunmehr im dritten Rechtsgang erlassenen Erkenntnis vom 1. Februar 2023 wurde die von der revisionswerbenden Partei gegen den Vorstellungsbescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

6 Das Verwaltungsgericht traf Feststellungen zur Vorschreibung der Beiträge nach den Beschlüssen des SRB. Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, der festgestellte Sachverhalt ergäbe sich aus dem Akteninhalt und sei unstrittig.

7 In der rechtlichen Würdigung setzte sich das Verwaltungsgericht mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Wirkung der Nichtigerklärung des SRB Beschlusses zur Beitragsberechnung der Beiträge der revisionswerbenden Partei für 2017 auseinander. Für die Berechnung der Beiträge zum SRF durch das SRB würden die im Anhang zum Vorstellungsbescheid „Berechnungsdetails des SRB“ angeführten Daten herangezogen, die für das mit 31. Dezember 2015 abgelaufene Geschäftsjahr bzw. das maßgebliche Geschäftsjahr, wenn das Geschäftsjahr für ein Kreditinstitut nicht mit 31. Dezember ende, vom Institut mittels „SRB Template“ beigebracht worden seien. Es gebe einen Beschluss des SRB für die Höhe des Beitrags zum SRF für das Jahr 2017, der nach dem Rechtsschutzsystem der Europäischen Union anzufechten sei. Das Verwaltungsgericht setzte sich in der Folge mit der Rechtsprechung des EuGH sowie des Verwaltungsgerichtshofes auseinander und kam zu dem Schluss, dass der SRB Beschluss vom 25. Juli 2022 rückwirkend an die Stelle des für nichtig erklärten Beschlusses getreten und diesen übergangslos ersetzt habe, weshalb dieser die Rechtsgrundlage für die Beitragsvorschreibung sei. Es gebe im vorliegenden Fall keinen Grund für ein Vorabentscheidungsverfahren.

8 Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, die Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen können, weil der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage unstrittig feststehe und auch die Erörterung von Rechtsfragen im Rahmen einer Verhandlung im Hinblick auf die bislang ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht geboten erscheine.

9 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 12. Juni 2023, E 725/2023 12 ab und trat diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 13. Juli 2023, E 725/2023 14, an den Verwaltungsgerichtshof ab.

10 Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die außerordentliche Revision mit dem Antrag, das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

11 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurück- in eventu die Abweisung der Revision unter Zuspruch von Aufwandersatz.

12 Die Revision erweist sich als unzulässig:

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 Die revisionswerbende Partei bringt zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei von näher dargestellter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es trotz entsprechenden Antrags keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe.

17 Mit diesem Vorwurf hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im Verfahren zu Ra 2022/02/0051 auseinandergesetzt und ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht bereits dort umfassend unter Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründet hat, warum im vorliegenden Fall von einer Verhandlung abgesehen werden konnte. Dem vermag die Revision auch hier im dritten Rechtsgang angesichts der Begründung des Verwaltungsgerichtes nichts Substantielles entgegenzuhalten.

18 Soweit die revisionswerbende Partei vorbringt, dass bislang nicht geklärt sei, ob ihr die Beiträge zum SRB überhaupt mittels Mandatsbescheid vorgeschrieben werden dürften, ist dazu auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof weder im Verfahren zu Ra 2022/02/0052 noch im Verfahren zu Ra 2022/02/0186 Bedenken gegen die Vorgangsweise der belangten Behörde geäußert hat.

19 Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.

20 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 23. November 2022, Ra 2022/02/0186, ausgeführt hat, ist Sache des vorliegenden Verfahrens die innerstaatliche Zahlungsvorschreibung der Beiträge für 2017 im Zuge einer Übermittlung des SRB Beschlusses, mit dem die Berechnungen nach den unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen erfolgten.

21 Weder die belangte Behörde noch das Verwaltungsgericht waren daher im vorliegenden Verfahren selbst gehalten, die Beitragsberechnung vorzunehmen; vielmehr beruht die Vorschreibung auf dem für 2017 anzuwendenden SRB Beschluss in Vollziehung der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 sowie der Durchführungsverordnung (EU) 2015/81, sodass die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 AVG erfüllt sind. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich in diesem Zusammenhang nicht.

22 Darüber hinaus wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, das Verwaltungsgericht hätte die vorliegende Entscheidung nicht treffen dürfen, weil es noch keine Entscheidung der Unionsgerichte über die Nichtigkeitsklage gegen den SRB Beschluss gebe. Das Verwaltungsgericht habe damit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nicht zukomme, weil es die Entscheidung des EuG bzw. EuGH hätte abwarten müssen. Damit widerspreche es auch näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

23 Mit diesem Vorbringen hat sich der Verwaltungsgerichtshof jedoch bereits in seinem Erkenntnis vom 2. Juni 2022, Ra 2022/02/0051, auseinandergesetzt. Das Verwaltungsgericht war daher im vorliegenden Verfahren nicht verpflichtet, sein Verfahren auszusetzen.

24 Weiters wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der rückwirkenden Erlassung von SRB Beschlüssen. Zur Klärung dieser Frage bedürfe es eines Vorabentscheidungsverfahrens; diese Frage sei in zahlreichen Nichtigkeitsklagen der revisionswerbenden Partei vor dem EuG Gegenstand.

25 Hiezu ist auszuführen, dass es für die Frage der Beitragsvorschreibung im vorliegenden Verfahren irrelevant ist, ob die Beiträge aufgrund eines rückwirkenden Beschlusses des SRB oder aufgrund der Aufrechterhaltung des alten Beschlusses bis zu seiner Ersetzung durch einen neuen Beschluss vorgeschrieben werden, weil dies im vorliegenden Fall an der Tatsache und der Höhe der Vorschreibung nichts ändert.

26 Die Zulässigkeit einer Revision setzt aber gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG voraus, dass ihr Schicksal, also der Erfolg der Revision, von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung „abhängt“. Es muss daher zumindest die Möglichkeit bestehen, dass die aufgeworfene, im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Rechtsfrage für die Lösung des Falles von ausschlaggebender Bedeutung ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Lösung theoretischer Rechtsfragen befugt, sondern nur solcher, von deren Lösung der Erfolg der Revision tatsächlich abhängt. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. VwGH 24.5.2023, Ra 2022/11/0127, mwN).

27 Zuletzt wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, es lägen Begründungsmängel vor, weil sich aus dem Erkenntnis nicht genau ergebe, wie sich die Beiträge berechneten. Es gebe keine Ausführungen zu den zahlreichen bei den Unionsgerichten anhängigen Verfahren sowie zu den unionsrechtlichen Bedenken.

28 Hiezu ist auszuführen, dass ein Begründungsmangel nur dann zur Aufhebung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung führt, wenn dadurch die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 2.6.2023, Ra 2023/09/0062, mwN).

29 Darüber hinaus setzt bereits die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Die revisionswerbende Partei hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. etwa VwGH 18.5.2022, Ro 2021/10/0008, mwN).

30 Die revisionswerbende Partei legt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen weder die Relevanz der behaupteten Begründungsmängel konkret dar (vgl. etwa VwGH 18.9.2023, Ra 2021/10/0171, mwN) noch war angesichts der näheren Ausführungen des Verwaltungsgerichtes die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt.

31 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird daher auch mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt.

32 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

33 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. November 2023

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