Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schörner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Gmünd gegen die Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich 1. vom 6. Juni 2022, LVwG S 982/001 2023 (hg. protokolliert zu Ra 2023/02/0134), betreffend Übertretungen des TSchG und 2. vom 22. Juni 2023, LVwG S 985/001 2023 (hg. protokolliert zu Ra 2023/02/0133), betreffend Übertretungen des NÖ Hundehaltegesetzes (mitbeteiligte Parteien jeweils: 1. S, vertreten durch Dr. Edmund Kitzler und Mag. Martin Wabra, Rechtsanwälte in 3950 Gmünd, Stadtplatz 43, und betreffend den zitierten Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 6. Juni 2022: 2. Tierschutzombudsfrau des Landes Niederösterreich Dr. Lucia Giefing in 3109 St. Pölten, Rennbahnstraße 29), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Behörde vom 16. März 2023 wurden der erstmitbeteiligten Partei vier näher bezeichnete Übertretungen des § 38 Abs. 3 iVm § 16 Abs. 5 TSchG (Spruchpunkt 1.), des § 10 Abs. 1 Z 1 iVm § 1 Abs. 2 NÖ Hundehaltegesetz (Spruchpunkt 2.), des § 10 Abs. 1 Z 1 iVm § 1 Abs. 1 NÖ Hundehaltegesetz (Spruchpunkt 3.) sowie des § 38 Abs. 3 iVm § 16 Abs. 5 TSchG (Spruchpunkt 4.) zur Last gelegt, weshalb über sie Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.
2 Gegen dieses Straferkenntnis erhob die erstmitbeteiligte Partei Beschwerde, die am 14. April 2023 von ihrer rechtsfreundlichen Vertretung per E Mail an die Adresse „strafen.bhgd@noel.gv.at“ übermittelt und in der Folge von der revisionswerbenden Behörde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) vorgelegt wurde.
3 Das Verwaltungsgericht leitete die Beschwerde am 19. April 2023 an die im Internet kundgemachte E Mail Adresse post.bhgd@noel.gv.at weiter.
4 Über Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichts brachte die mitbeteiligte Partei vor, dass die von ihr verwendete E Mail Adresse auf der ersten Seite des Straferkenntnisses aufscheine und die Rechtsmittelbelehrung keine andere E Mail Adresse enthalte. Zudem sei auch die revisionswerbende Behörde von einer wirksamen Einbringung ausgegangen und es sei die verwendete E Mail Adresse der revisionswerbenden Behörde zurechenbar.
5 Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte 1. und 4. des angefochtenen Straferkenntnisses (Übertretungen des TSchG) wendet, mit Beschluss vom 6. Juni 2023, und soweit sie sich gegen die Spruchpunkte 2. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses (Übertretungen des NÖ Hundehaltegesetzes) wendet, mit Beschluss vom 22. Juni 2023 als verspätet zurück. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht jeweils für unzulässig.
6 Begründend führte das Verwaltungsgericht in den angefochtenen Beschlüssen im Wesentlichen gleichlautend aus, dass der im Zeitpunkt der Übermittlung des Rechtsmittels an die revisionswerbende Behörde ausdrücklich auf § 13 Abs. 2 und 5 AVG bezugnehmenden Kundmachung der revisionswerbenden Behörde im Internet zufolge für elektronische Eingaben neben einem Onlineformular und einer Faxnummer die E Mail Adresse „post.bhgd@noel.gv.at“ zur Verfügung stünde.
7 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, die Übermittlung an (irgend )eine der Behörde zurechenbare E-Mail-Adresse bei gegenteiliger Kundmachung im Internet (Hinweis auf VwGH 4.10.2022, Ra 2022/05/0153) begründe ebenso wenig eine wirksame Einbringung wie die faktische Bearbeitung etwa in Form der Vorlage an das Verwaltungsgericht (Hinweis auf VwGH 28.2.2023, Ro 2023/04/0002). Da die Beschwerde der erstmitbeteiligten Partei zwar noch innerhalb offener Frist an die E Mail Adresse des Fachbereichs Strafen, letztlich aber erst am 19. April 2023 an die kundgemachte E Mail Adresse übermittelt worden sei, erweise sich die Beschwerde als verspätet.
8 Gegen diese Beschlüsse richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach für eine in der Rechtsmittelbelehrung genannte Adresse die Regeln des § 61 AVG gelten würden und auch eine (bloß) irreführende Rechtsmittelbelehrung die Rechtsfolgen des § 61 Abs. 4 AVG auslösen könne (Verweis auf VwGH 15.2.2006, 2005/08/0063).
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtssachen wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über die Revision erwogen:
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Verwendung einer anderen als der von einer Behörde in Entsprechung und unter ausdrücklicher Anführung des § 13 AVG im Internet kundgemachten E Mail Adresse zu Lasten des Einschreiters geht (vgl. VwGH 25.5.2016, 2013/06/0096, mwN, und 4.7.2016, Ra 2016/04/0060, mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien, RV 294 BlgNR 23. GP 10).
14 Der von der revisionswerbenden Behörde ins Treffen geführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Februar 2006, 2005/08/0063, lag zugrunde, dass die Rechtmittelbelehrung des dort angefochtenen Bescheides eine irreführende Angabe über jene Adresse enthielt, bei der ein Rechtsmittel einzubringen sei.
15 Im vorliegenden Fall enthielt die Rechtmittelbelehrung im Gegensatz dazu jedoch keine E Mail Adresse, wozu nach der zitierten Entscheidung auch keine Verpflichtung besteht. Die E Mail Adresse des Fachgebiets Strafen, an die die erstmitbeteiligte Partei ihre Beschwerde übermittelte, fand sich vielmehr auf der ersten Seite des bekämpften Straferkenntnisses. In der Rechtsmittelbelehrung wurde jedoch darauf hingewiesen, dass eine Beschwerde mit E-Mail nur insofern übermittelt werden kann, als für den elektronischen Verkehr nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind.
16 Dass sich auf der ersten Seite des Straferkenntnisses eine E Mail Adresse des Fachgebiets Strafen findet, die sich von der gemäß § 13 AVG im Internet für die Einbringung elektronischer Anbringen kundgemachten E Mail Adresse unterscheidet, ist mit dem Fall einer irreführenden Rechtsmittelbelehrung somit nicht vergleichbar.
17 Die in der Amtsrevision behauptete Abweichung der angefochtenen Beschlüsse von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes liegt demnach nicht vor.
18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. Oktober 2023