Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Y A in W, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Senefeldergasse 11/1E, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 18. April 2023, Zl. VGW 152/019/14028/2022 21, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache gemäß § 39 und § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) fest, dass der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG durch Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit mit 30. April 2018 verloren hat (I.). Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG wurde für unzulässig erklärt (II.).
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dem Revisionswerber sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. Dezember 1992 (mit Wirksamkeit vom selben Tag) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden; mit Entlassungsurkunde des Innenministeriums der Türkischen Republik vom 28. Dezember 1993 sei der Revisionswerber endgültig „aus der türkischen Staatsbürgerschaft“ entlassen worden. Er habe die türkische Staatsangehörigkeit aufgrund eines Antrags, ohne dass ihm zuvor die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft bewilligt worden sei, wiedererworben. Er sei für die am 24. Juni 2018 stattgefundenen Präsidentschafts und Parlamentswahlen im türkischen Auslandswählerregister als wahlberechtigt eingetragen und sohin am Stichtag, dem 30. April 2018, türkischer Staatsangehöriger gewesen. Der Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft sei gemäß näher dargestellter türkischer Rechtslage auf Antrag des Revisionswerbers erfolgt. Dem Revisionswerber sei über dessen Ersuchen die Möglichkeit geboten worden, einen direkt von einer türkischen (Personenstands)Behörde ausgestellten Personenstandsregisterauszug samt staatsbürgerschaftsrechtlichen Anmerkungen vorzulegen; dem sei der Revisionswerber bis zum Schluss des Ermittlungsverfahrens nicht nachgekommen.
3 Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 StbG für den Verlust der Staatsbürgerschaft infolge (Wieder )Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit seien erfüllt.
4 Entsprechend näher dargelegter Erwägungen sei der Verlust der Staatsbürgerschaft für den Revisionswerber insgesamt nicht unverhältnismäßig.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Soweit die Revision ihre Zulässigkeit mit dem Abweichen des angefochtenen Beschlusses von „höchstgerichtlicher Judikatur“ (zur Mitwirkungspflicht bzw. Beweislastverteilung im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren) begründet und dazu auf drei Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes („VfGH E 3717/2018 42; E 3728/2018; E 3753/2018“, unter wörtlicher Wiedergabe eines Auszuges aus den Entscheidungsgründen des erstgenannten Erkenntnisses) verweist, genügt der Hinweis, dass das (behauptete) Abweichen von Rechtsprechung des VfGH schon aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes des Art. 133 Abs. 4 B VG keine Zulässigkeit der Revision zu begründen vermag (vgl. jüngst in einem ähnlich gelagerten Fall VwGH 12.6.2023, Ra 2023/01/0142, mwN).
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. - in einem ähnlich gelagerten Fall - etwa VwGH 12.12.2022, Ra 2020/01/0074, mwN).
10 Derartiges zeigt die Revision nicht auf:
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verlangt § 27 Abs. 1 StbG nicht eine „hundertprozentige Sicherheit“ für die Feststellung des (Wieder )Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit auf Grund des Antrages, der Erklärung oder der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht im Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 1 StbG verpflichtet, den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist auf den mit § 45 Abs. 2 AVG normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung hinzuweisen, wonach die Behörde bzw. iVm § 17 VwGVG das Verwaltungsgericht bei der Beweiswürdigung nicht an feste Beweisregeln gebunden ist, sondern den Wert der aufgenommenen Beweise nach bestem Wissen und Gewissen nach deren innerem Wahrheitsgehalt zu beurteilen hat (vgl. in einem ähnlich gelagerten Fall jüngst etwa VwGH 4.5.2023, Ra 2023/01/0096, mwN; vgl. im Übrigen zur Abfrage der von der „Hohen Wahlkommission“ der Türkei zur Verfügung gestellten Wählerevidenz als tauglichem Beweismittel sowie zur Zulässigkeit der Vorgangsweise, bei welcher der Partei die Gelegenheit zur Vorlage anderer, ihr zugänglicher Beweismittel gegeben wird, um den vom Verwaltungsgericht festgestellten maßgeblichen Sachverhalt widerlegen zu können, VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0484, mwN).
12 Soweit die Revision weitere Verfahrensmängel behauptet, wird deren Relevanz nicht dargelegt.
13 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. Juli 2023
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