Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in den Rechtssachen der Revisionen 1. der K P, 2. der S B und 3. des N B, alle vertreten durch Kocher Bucher Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Friedrichgasse 31, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 21. Jänner 2022, 1. W215 2162063 1/22E, 2. W215 2162061 1/22E und 3. W215 2162058 1/22E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige Armeniens. Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der Zweitrevisionswerberin und des Drittrevisionswerbers. Sie stellten am 16. September 2015 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) und brachten vor, der Ehemann der Erstrevisionswerberin und Vater der Zweitrevisionswerberin und des Drittrevisionswerbers hätte die Familie jahrelang körperlich misshandelt. Er sei zum Islam konvertiert und hätte die Revisionswerber zwingen wollen, ebenfalls zu konvertieren. Weiters habe er große Schulden gehabt. Seine Gläubiger hätten die Revisionswerber bedroht und eingeschüchtert.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden je vom 30. Mai 2017 ab, erteilte den Revisionswerbern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte jeweils fest, dass die Abschiebung nach Armenien zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die von den Revisionswerbern gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit den angefochtenen Erkenntnissen als unbegründet ab. Unter einem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG jeweils nicht zulässig sei.
4 In seiner Begründung ging das Bundesverwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz davon aus, dass es den Revisionswerbern nicht gelungen sei, die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung im Herkunftsstaat glaubhaft zu machen. Dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 vorlägen, sei von den Revisionswerbern nie behauptet worden. Diese lägen auch nicht vor.
5 Gegen diese Erkenntnisse erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, der mit den Beschlüssen vom 18. März 2022, E 576 578/2022 5, die Behandlung der Beschwerden ablehnte und diese über gesonderten Antrag mit den Beschlüssen vom 5. April 2022, E 576 578/2022 7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen erhoben.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revisionswerber bringen zur Zulässigkeit ihrer Revisionen vor, das Bundesverwaltungsgericht hätte aufgrund des Vorbringens der Erstrevisionswerberin über die erlittene Gewalt durch ihren Ehemann die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nach § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 von Amts wegen überprüfen müssen. Es lägen hinreichend Anhaltspunkte vor.
10 Nach § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen, wenn sie Opfer von Gewalt wurden, eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO oder § 382e EO erlassen wurde oder hätte erlassen werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung des Aufenthaltstitels zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
11 Mit ihrem Vorbringen übersehen die Revisionswerber, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Vorbringen, aus Angst vor körperlichen Übergriffen des Ehemanns der Erstrevisionswerberin den Herkunftsstaat verlassen zu haben, das zugleich auch das zentrale Fluchtvorbringen der Revisionswerber darstellte, im Rahmen seiner Beweiswürdigung insgesamt keinen Glauben schenkte und auch deshalb das Vorliegen der Voraussetzungen verneinte.
12 Die Revisionswerber entfernen sich somit mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen von dem vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt (vgl. § 41 VwGG) und zeigen auch nicht auf, dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts unvertretbar wären (vgl. zum insoweit im Revisionsverfahren gegebenen Prüfkalkül etwa VwGH 15.3.2022, Ra 2022/20/0035, mwN).
13 Angesichts dessen erübrigt sich ein Eingehen auf die von den Revisionen in Bezug auf § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 aufgeworfenen Rechtsfragen, weil der Ausgang des Revisionsverfahrens davon nicht abhängt. Abgesehen davon stellen die Revisionswerber auch nicht dar, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der von ihnen angestrebten Aufenthaltstitel tatsächlich vorgelegen wären.
14 In den Revisionen werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 21. Juni 2022