Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Seiler, über die Revision des A K A M, vertreten durch die Verfahrenshelferin Mag. Katharina Regitnig, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Schmiedgasse 2, diese vertreten durch die Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schmiedgasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2022, L519 2147249 3/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 14. Jänner 2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz, der im Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 30. Jänner 2020 abgewiesen wurde.
2 Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Juni 2020, E 837/2020 7, wurde die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Dieser wies die eingebrachte außerordentliche Revision mit Beschluss vom 7. September 2020, Ra 2020/01/0310, zurück.
3 Am 4. November 2020 stellte der Revisionswerber den zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der im Beschwerdeverfahren vom BVwG mit Erkenntnis vom 21. Juli 2021 abgewiesen wurde.
4 Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2021, E 4142/2021 5, wurde die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten, der die eingebrachte außerordentliche Revision mit Beschluss vom 23. Februar 2022, Ra 2022/14/0017, zurückwies.
5 Am 24. Mai 2022 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Darin führte er aus, dass er sich weiterhin auf dieselben Gründe berufe, die er in den ersten zwei Verfahren vorgebracht habe, aber hinzukomme, dass er im Irak insgesamt neun Jahre inhaftiert gewesen sei, über ihn die Todesstrafe verhängt worden sei und ihn die Miliz Asa’ib Ahl al Haqq verfolge.
6 Mit Bescheid vom 5. Juli 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Folgeantrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen.
7 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. Juli 2022 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG übersehe, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine wesentliche Sachverhaltsänderung der Zurückweisung eines Folgeantrages wegen entschiedener Sache entgegenstehe. Das neue mit Urkunden belegte Vorbringen des Revisionswerbers, wonach dieser im Irak für mehrere Jahre inhaftiert gewesen sei und nunmehr von der Regierung gesucht werde, wäre inhaltlich zu prüfen gewesen.
10 In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung (nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen) berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. etwa VwGH 18.5.2021, Ra 2021/19/0171, mwN).
11 Die Beurteilung, ob die behauptete Sachverhaltsänderung einen „glaubhaften Kern“ aufweist, erfolgt stets im Rahmen der Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. erneut VwGH Ra 2021/19/0171, mwN).
12 Seine Annahme, dem Vorbringen des Revisionswerbers komme kein „glaubhafter Kern“ zu, stützte das BVwG wie schon das BFA unter näherer Begründung darauf, dass das vorgelegte irakische Schriftstück als Fälschung und die neunjährige Inhaftierung auch schon auf Grund früherer widersprüchlicher Aussagen des Revisionswerbers als unglaubwürdig einzustufen sei.
13 Eine Unvertretbarkeit dieser Erwägungen zeigt die Revision mit ihrem vagen Vorbringen nicht auf.
14 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zudem vor, dem Revisionswerber drohe bei einer Rückkehr in den Irak auf Grund der Sicherheitslage, seiner psychischen Erkrankung sowie der wahrscheinlichen nochmaligen Inhaftierung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK.
15 Soweit der Revisionswerber vorbringt, eine nochmalige Inhaftierung zu befürchten, ist darauf hinzuweisen, dass das BVwG dieses Vorbringen als unglaubwürdig eingestuft hat, wodurch diesem Vorbringen der Boden entzogen ist.
16 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass bei der Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden hg. Judikatur ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. etwa VwGH 15.6.2021, Ra 2021/19/0071, mwN).
17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Fremder im Allgemeinen kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und der Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedoch jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 21.5.2019, Ro 2019/19/0006, mwN).
18 Das BVwG führte in Übereinstimmung mit den Erwägungen des BFA aus, der Revisionswerber habe nicht näher dargelegt, an welchen psychischen Problemen er leide und inwiefern etwaige psychische Probleme für die Beurteilung der Zuerkennung von internationalem Schutz maßgeblich wären. Es sei Sache des Fremden, Beweise vorzulegen, die zeigen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestünden, er würde (in Hinblick auf seine Erkrankungen) im Fall der Durchführung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einem realen Risiko einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterzogen werden. Die Berufung auf eine Stellungnahme der Einrichtung ZEBRA sei nicht hinreichend, um ein konkretes Krankheitsbild darzulegen. Darüber hinaus sei den Länderberichten zu entnehmen, dass die medizinische Grundversorgung gerade in Städten als gesichert anzusehen sei und Medikamente entsprechend verfügbar seien. Eine wesentliche Verschlechterung der Sicherheitslage im Irak habe seit Abschluss des letzten Asylverfahrens nicht festgestellt werden können.
19 Die Revision zeigt nicht auf, dass in Hinblick auf den Gesundheitszustand des Revisionswerbers und die Sicherheitslage im Irak so außergewöhnliche Umstände bestünden, die eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK befürchten ließen, und daher in Bezug auf die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eine relevante Sachverhaltsänderung im Vergleich zur Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz eingetreten wäre.
20 Soweit sich die Revision gegen die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt (vgl. VwGH 20.1.2022, Ra 2021/19/0302, mwN). Dass das BVwG von den dazu in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen nicht auf.
21 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 29. November 2022