JudikaturVwGH

Ra 2022/17/0189 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J Y M A, in D, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 2. Februar 2022, LVwG 1 386/2021 R20, betreffend Bestrafung nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Vorarlberg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (Verwaltungsgericht) den Revisionswerber, einen irakischen Staatsangehörigen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Instanzenzug im Rahmen einer Maßgabebestätigung einer Übertretung des „§ 120 Abs 1b Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl I Nr 100/2005, idF BGBl I Nr 27/2020, iVm § 52 Abs 8 FPG, idF BGBl I Nr 110/2019, und § 52a Abs 2 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG), BGBl I Nr 87/2012, idF BGBl I Nr 145/2020“ im Zeitraum 19. Jänner 2021 bis 31. Jänner 2021 schuldig, verhängte über ihn gemäß „§ 120 Abs 1b FPG, BGBl Nr 100/2005, idF BGBl Nr 27/2020“ eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 800, (samt Ersatzfreiheitsstrafe). Weiters setzte das Verwaltungsgericht einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2 Dabei stellte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen begründend fest, mit näher genanntem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 5. Dezember 2019 sei eine mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen den Revisionswerber erlassene Rückkehrentscheidung bestätigt worden. Eine dagegen erhobenen Beschwerde habe der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit Beschluss vom 15. Jänner 2020 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Mit weiterem Beschluss vom 25. Februar 2020 habe der VfGH die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht erhoben worden.

3 Der Revisionswerber sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und habe am 3. August 2020 die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 Abs. 2 AsylG 2005 beantragt. Diesen Antrag habe das BVwG im Instanzenzug mit Erkenntnis vom 12. Jänner 2021 als unbegründet abgewiesen.

4 Das verpflichtende Rückkehrgespräch habe am 11. November 2020 stattgefunden. Dem Revisionswerber sei sein illegaler Aufenthalt bewusst und er sei nicht rückkehrwillig gewesen.

5 Der Revisionswerber sei in der Zeit vom 19. Jänner 2021 bis 31. Jänner 2021 aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht unverzüglich seiner Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachgekommen.

6 Im Tatzeitraum sei die Einreise in den Irak für irakische Staatsangehörige möglich gewesen. Dafür sei die Vorlage eines negativen PCR Tests notwendig gewesen. Der Flugverkehr sei nicht gesperrt gewesen und es habe auch Flugverbindungen in den Irak gegeben.

7 Am 24. Juni 2021 habe der Revisionswerber eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung stellte das Verwaltungsgericht weiters fest, dass (gemeint: vom Revisionswerber) „[e]ine Dokumentation gemäß dem NAG“ über das Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltstitels nicht vorgelegt worden sei.

8 In beweiswürdigender Hinsicht führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass es dem Revisionswerber unverschuldet nicht möglich gewesen wäre, seine Ausreise zu organisieren. Aus einer Sachverhaltsmitteilung des BFA vom 4. August 2021, die ein Verfahren mit vergleichbarem Sachverhalt betreffe, gehe hervor, dass am Flughafen Bagdad im Zeitraum vom 1. Jänner 2021 bis 4. August 2021 insgesamt 1.362 [wohl gemeint:] Landungen (45 pro Tag) erfolgt seien.

9 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 14. Juni 2022, E 710/2022 5, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

10 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist fallbezogen in konkreter Weise darzulegen. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. zum Ganzen VwGH 3.5.2024, Ra 2021/17/0130, mwN).

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass einen Fremden als zwingende Folge der Unzulässigkeit eines nicht iSd § 31 FPG rechtmäßigen Aufenthalts grundsätzlich die Pflicht trifft, seinen rechtswidrigen Aufenthalt durch Ausreise zu beenden. Die Frage, wohin der Fremde ausreist, um seinen unrechtmäßigen Aufenthalt zu beenden, ist für die Anwendbarkeit dieser Strafbestimmung nicht von Relevanz (vgl. VwGH 11.12.2023, Ra 2022/17/0154 [ebenfalls die Covid 19 Pandemie betreffend], mwN). Die Richtigkeit der vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellung, wonach im Tatzeitraum Flugverbindungen in den Irak bestanden hätten, wird im Zulässigkeitsvorbringen nicht bestritten. Soweit der Revisionswerber vorbringt, dass er aufgrund des „aufrechten Dritten Lockdowns“ nicht „legal zum Flughafen“ hätte gelangen können, ist ihm entgegen zu halten, dass sich aus der (im Tatzeitraum geltenden) 3. COVID 19 Schutzmaßnahmenverordnung, BGBl. II Nr. 566/2020, die von ihm behauptete Konsequenz nämlich dass er seine Wohnung nicht hätte verlassen dürfen gerade nicht ergibt; ein generelles Ausgeh oder auch Ausreiseverbot ist aus dieser Verordnung nicht ersichtlich und der Revisionswerber hat ein solches auch nicht dargelegt. Dass der Revisionswerber seinen rechtswidrigen Aufenthalt nicht durch Ausreise beendet hat, stellt die Revision nicht in Abrede.

16 Das in diesem Zusammenhang erstattete Zulässigkeitsvorbringen der Revision zu einer behaupteten Verletzung der Begründungspflicht als Verfahrensmangel, das im Wesentlichen die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen zur Möglichkeit des Revisionswerbers zur Ausreise in den Irak rügt, entfaltet daher von vornherein keine Relevanz iSd der oben dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

17 Der oben wiedergegebenen Feststellung im angefochtenen Erkenntnis (vgl. oben Rn. 7), wonach der Revisionswerber im Zusammenhang mit seiner Eheschließung „[e]ine Dokumentation gemäß dem NAG“ nicht vorgelegt habe, hält die Revision nichts entgegen, obwohl der Wortlaut von § 120 Abs. 11 FPG in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 27/2020, insoweit eindeutig ist. Welche „grundsätzliche Frage des Unionsrechts“ damit im Zusammenhang stehen soll, lässt die Revision abgesehen von dieser bloß pauschalen Behauptung offen, sodass auf dieses Vorbringen nicht einzugehen ist.

18 Mit dem ebenfalls zu § 120 Abs. 11 FPG erstatteten Zulässigkeitsvorbringen (Punkt „5.3 Einstellungspflicht des Verwaltungsgerichtshofs?“), der Revisionswerber verfüge über eine „Aufenthaltskarte EU Familienangehöriger“, verstößt er gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 erster Satz VwGG; vgl. dazu etwa VwGH 21.2.2024, Ra 2023/01/0202, 0203, mwN). Dass der Revisionswerber bereits während des Straf bzw. Beschwerdeverfahrens eine solche Aufenthaltskarte besessen hätte, wird im Zulässigkeitsvorbringen im Übrigen nicht ausdrücklich behauptet.

19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. Februar 2025

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