JudikaturVwGH

Ra 2022/14/0263 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. I. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in der Revisionssache des D N, vertreten durch die Markowski Schellmann Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. August 2022, I416 2258237 1/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen des Südsudan, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. August 2003 gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt. Unter einem wurde festgestellt, dass ihm damit gemäß § 12 AsylG 1997 kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

2 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Februar 2018 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt.

3 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Mai 2019 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt. Der dagegen erhobenen Berufung wurde vom Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 11. Oktober 2019 nicht Folge gegeben.

4 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4. September 2019 wurde der Revisionswerber wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt. Der dagegen erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 5. Mai 2020 teilweise statt und setzte die Freiheitsstrafe auf drei Jahre und sechs Monate herab.

5 In der Folge leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Aberkennungsverfahren ein.

6 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juni 2022 wurde dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Unter einem wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm. § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Südsudan unzulässig sei, eine vierzehntägige Frist für seine freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt und gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

8 Begründend führte es soweit vorliegend relevant aus, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 5 FPG aufgrund der jüngsten Verurteilung des Revisionswerbers wegen des Verbrechens der Vergewaltigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von dreieinhalb Jahren erfüllt sei. Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände, des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des Revisionswerbers könne eine von ihm ausgehende Gefährdung öffentlicher Interessen als gegeben angenommen werden. Im Hinblick auf die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes sei kein maßgeblich schützenswertes Privat- oder Familienleben des Revisionswerbers in Österreich hervorgekommen.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 18.5.2022, Ra 2022/14/0122, mwN).

13 Die vorliegende außerordentliche Revision bekämpft das angefochtene Erkenntnis zwar ausdrücklich „zur Gänze“, führt als Revisionspunkt jedoch lediglich an, dass sich der Revisionswerber in „seinem subjektiven Recht auf Erlassung eines Einreiseverbotes nur bei Vorliegen der hierfür notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen sowie der notwendigen Dauer desselben“ verletzt erachte.

14 Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision die Bezeichnung der Rechte, in denen die revisionswerbende Partei verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die von der revisionswerbenden Partei vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Demnach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob durch die angefochtene Entscheidung irgendein subjektives Recht der revisionswerbenden Partei verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes Recht verletzt wurde, dessen Verletzung sie behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof insoweit entscheidende Bedeutung zu, als die revisionswerbende Partei jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 8.3.2021, Ra 2019/14/0587, mwN).

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits festgehalten, dass es sich bei den Aussprüchen, mit denen ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung in ein bestimmtes Land für zulässig erklärt wird, sowie bei der daran anknüpfenden Verhängung eines Einreiseverbotes um voneinander rechtlich trennbare Aussprüche handelt, die separat anfechtbar sind und auch unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterliegen können (vgl. VwGH 18.11.2021, Ra 2020/22/0273 bis 0274, mwN).

16 Soweit sich die vorliegende Revision in der Zulässigkeitsbegründung gegen andere Aussprüche des angefochtenen Erkenntnisses als die Erlassung eines unbefristeten Einreiseverbotes richtet etwa die Rückkehrentscheidung , ist sie somit mangels Geltendmachung eines tauglichen Revisionspunktes nicht zulässig. Auf das diesbezügliche Zulässigkeitsvorbringen in der Revision ist daher nicht mehr einzugehen (vgl. VwGH 8.3.2021, Ra 2020/01/0178).

17 Im Rahmen des geltend gemachten Revisionspunktes bringt die Revision in der Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei durch die unterlassene Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht abgewichen, da der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen besondere Bedeutung zukomme; im Fall des Revisionswerbers liege ein schützenswertes Privatleben vor.

18 Damit legt die Revision in der Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht dar, weshalb fallbezogen die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung nicht gegeben gewesen wären (vgl. zu diesen Voraussetzungen VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 bis 0018; aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 7.11.2022, Ra 2022/14/0048, dort Rz. 19 ff., mwN).

19 Es trifft zwar zu, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt. Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose hinsichtlich des Erfordernisses der Gemeingefährlichkeit im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 und bei der Verhängung eines Einreiseverbotes (vgl. VwGH 25.5.2020, Ra 2019/19/0116, mwN). Daraus ist aber noch keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 23.11.2021, Ra 2021/20/0379, mwN). Inwieweit das Bundesverwaltungsgericht in Hinblick auf den geltend gemachten Revisionspunkt vor allem angesichts der wiederholten und gravierenden Straffälligkeit des Revisionswerbers nicht von einem solch eindeutigen Fall ausgehen durfte, zeigt die Revision nicht auf.

20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 24. Jänner 2023

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