JudikaturVwGH

Ra 2023/14/0494 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Marzi als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, über die Revision des R A, vertreten durch MMag. Iris Hammerschmid, als bestellte Verfahrenshelferin, diese vertreten durch Dr. Silvia Vinkovits, Rechtsanwältin in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. November 2023, W204 14183034/3E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Dem Revisionswerber, einem Staatsangehörigen Syriens, wurde mit Erkenntnis des (damals zuständigen) Asylgerichtshofes vom 17. Juni 2011 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2 Der Revisionswerber wurde in der Folge mehrfach straffällig.

3Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Mai 2021 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 und 269 Abs. 1 erster Fall StGB, des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach den §§ 15, 83 Abs. 1 und 84 Abs. 2 StGB sowie wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB und des § 5 Z 4 JGG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten, die unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

4Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Juli 2022 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1 und 143 Abs. 1 StGB, wegen des Vergehens der Nötigung nach den §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB, wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach den §§ 15 und 87 Abs. 1 StGB sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Waffenbesitzes gemäß § 50 Abs. 1 Z 2 Waffengesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt.

5 In der Folge leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Aberkennungsverfahren ein.

6Mit Bescheid vom 7. März 2023 sprach das BFA aus, dass dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt werde, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Das BFA erkannte ihm zudem den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Syrien unzulässig sei (Spruchpunkt V.), legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt VI.) und erließ ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die gegen die Spruchpunkte I. und II. (Aberkennung des Status des Asylberechtigten und Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Gleichzeitig gab das BVwG der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III., IV., VI. und VII. statt und hob diese Spruchpunkte auf. Die Erhebung einer Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

8 Begründend führte das BVwG soweit vorliegend relevantaus, dass der Revisionswerber einen Ausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 gesetzt habe, weshalb die Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zu Recht erfolgt sei. Auch die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei gemäß §§ 8 Abs. 3a iVm 9 Abs. 2 AsylG 2005 zu Recht erfolgt. Es erweise sich vor dem Hintergrund der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jedoch als nicht statthaft, trotz rechtskräftig festgestellter Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers nach Syrien eine Rückkehrentscheidung sowie die darauf aufbauenden Spruchpunkte gegen den Revisionswerber zu erlassen. Das BVwG habe von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weil die belangte Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe, in dessen Rahmen auch der Revisionswerber mittels Schreiben der belangten Behörde zur Mitwirkung und Stellungnahme aufgefordert worden sei, davon jedoch keinen Gebrauch gemacht habe. In der Beschwerde sei lediglich unsubstantiiert ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren behauptet worden und es könne auch bei Wahrunterstellung des Vorbringens kein anderes Ergebnis erzielt werden.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Der Revisionswerber macht zur Begründung der Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision zunächst die Verletzung der Verhandlungspflicht durch das BVwG geltend. Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass ihm „gar nicht die Möglichkeit gegeben“ worden sei, „sein Motiv für die Tat sowie die weitere Entwicklung seiner Person zwischen der gerichtlichen Verurteilung im Juli 2022 und der Entscheidung des BVwG im November 2024 darzulegen“, was jedoch erforderlich gewesen wäre, „um zusätzlich zu den vom Gericht für die Verurteilung herangezogenen Kriterien, die dem Revisionswerber nicht per se eine ungünstige Zukunftsprognose attestieren, die von ihm ausgehende Gefahr zutreffend einschätzen zu können.“

13Es trifft zwar zu, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose hinsichtlich des Erfordernisses der Gemeingefährlichkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 besondere Bedeutung zukommt. Daraus ist aber noch keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 14.4.2023, Ra 2022/18/0270, mwN, sowie VwGH 24.1.2023, Ra 2022/14/0263, mwN).

14 Letzteres wurde vom BVwG gegenständlich angenommen. Der Revisionswerber unterlässt es demgegenüber, die in von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht auf die vorliegende Konstellation zu übertragen und so konkret aufzuzeigen, weswegen fallbezogen das Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung hätte durchführen müssen.

15 Der Revisionswerber führt überdies Begründungsmängel der angefochtenen Entscheidung ins Treffen.

16 Werden Verfahrensmängel wie hier Begründungsmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, muss schon in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 14.5.2025, Ra 2025/18/0039, mwN).

17 Eine solche Relevanzdarlegung enthält das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision zu angeblichen Begründungsmängeln des angefochtenen Erkenntnisses nicht.

18Schließlich verkennt das Zulässigkeitsvorbringen betreffend die „(im vorliegenden Fall lediglich auf unbestimmte Zeit aufgeschobene) Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme“, dass das BVwG die Rückkehrentscheidung und die darauf aufbauenden Spruchpunkte aufgehoben hat; insofern geht auch das in diesem Zusammenhang mit Verweis auf einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK erstattete Vorbringen ins Leere.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 18. Juli 2025